Zähe Beweisaufnahme im Mordprozess Nicole-Denise Schalla macht weitere Verhandlungstermine notwendig

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Peter Windgätter. Foto: Sascha Fijneman
Seit Dezember letzten Jahres wird der Fall vor der 39. Strafkammer des Dortmunder Landgerichts verhandelt.

Nachdem im März durch moderne Analysemethoden ein weiterer DNA-Treffer auf einem Spurenträger, der im Jahr 1993 vom nackten, rechten Oberschenkel der damals 16-jährigen Nicole-Denise Schalla genommen worden war, den Tatverdacht gegen den Angeklagten Ralf H. erhärtet hatte, gestaltete sich die Beweisaufnahme bei der Prozessfortführung am Landgericht Dortmund äußerst mühselig. Am mittlerweile bereits zehnten Verhandlungstag bestätigte eine Sachverständige der Rechtsmedizin in Dortmund die Ausführungen ihrer Münchener Kollegin, die Ende März zu den erzielten DNA-Ergebnissen befragt worden war. Weiterhin ist eine Sekundär- oder Tertiärübertragung des DNA-Materials des Angeklagten nicht vollkommen auszuschließen. Das Fehlen jeglicher anderer DNA-Spuren, vor allem in unmittelbarer Nähe der gefundenen Treffer, spricht jedoch eher dagegen. 

Auftreten des Angeklagten sorgt immer wieder für Unruhen im Publikum

Seit November muss sich Ralph H. vor Gericht verantworten. Foto: S. Fijneman
Ralf H. wird von einem Wahl- und einem Pflichtverteidiger vertreten. Fotos (3): S. Fijneman

Nach wie vor bestreitet der Angeklagte die Vorwürfe und bemängelt die Prozessführung durch das Gericht unter Vorsitz von Richter Peter Windgätter, der ihn an der ein oder anderen Stelle immer mal wieder zur Ruhe und Geduld ermahnen musste. Gleiches galt für das Publikum, das sich angesichts des selbstbewussten Auftretens des mehrfach einschlägig vorbestraften Ralf H. diverse Reaktionen nicht verkneifen konnte.

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Hier machte Windgätter unmissverständlich klar, dass er sich solche Ausbrüche verbiete. Die ZuschauerInnen hätten zwar freien Eintritt in die öffentliche Verhandlung, selbiges gelte jedoch auch für den Austritt im Falle von unnötigen Störungen und Unmutsbekundungen. Für den Angeklagten steht viel auf dem Spiel. Dies machte er selbst mit den Worten „Sie können sich nicht vorstellen, unter was für einem Druck ich hier stehe“, oder „Sie können mich hier ins Verderben stürzen“, deutlich.

Das Gericht lässt seit Prozessbeginn viele seiner Ausführungen zu, schließlich ist Ralf H. juristischer Laie, der sich zu großen Teilen der Verhandlung selbst zu verteidigen versucht. Dennoch ist teilweise das Eingreifen Windgätters geradezu notwendig, springt der Angeklagte doch willkürlich in den Ermittlungsakten hin und her und bringt Sachverhalte ins Spiel, die bis dato kaum eine Rolle gespielt hatten.

Ralf H. und seine Verteidiger stellten diverse Beweisanträge

Um den Prozess nicht in die Irre zu führen, müssen jedoch gewisse Formen gewahrt und Sachverhalte für alle Beteiligten verständlich und nachvollziehbar dokumentiert sein. Nicht zuletzt durch diese Unbedarftheit des Angeklagten gestaltet sich die Beweisaufnahme während des Prozesses äußerst zäh und langwierig.

Wahlverteidiger Dreier trug in Absprache mit seinem Mandanten diverse Beweisanträge vor. Hierbei betonte er, dass sich die Anklage auf die gefundenen zwei DNA-Treffer sowie die schon erwähnten Vorstrafen des Angeklagten stütze. Bei der letzten Untersuchung der Spurenträger durch die Rechtsmedizin in München waren auch zwei DNA-Mischspuren festgestellt worden. 

Die Untersuchungen ergaben, dass als Hauptverursacher der Angeklagte festzustellen sei, das restliche DNA-Material konnte in einem Fall einem Polizeibeamten aus Dortmund und im anderen einem LKA-Mitarbeiter zugeordnet werden. Um Klarheit darüber zu bekommen, wie die Spurenträger derart kontaminiert werden konnten, beantragte Dreier die Vorladung der Beamten als Zeugen.

Verteidigung bringt Sportverletzungen als Hinderungsgrund für die Gewalttat an

Schon seit Beginn des Prozesses besteht reges öffentliches Interesse.
Schon seit Beginn des Prozesses besteht reges öffentliches Interesse.

Im Verlauf der bisherigen Beweisaufnahme war ein psychologischer Gutachter befragt worden, der attestierte, dass das Tatmuster im Fall Schalla nicht denen anderer Taten des Angeklagten entspreche. Immer habe es sich um Gewalt gegen Frauen gehandelt, ein sexuelles Motiv sei dem Angeklagten bis dato allerdings nicht nachzuweisen gewesen.

Dreier und Ralf H. hatten schon Ende März darauf hingewiesen, dass der Angeklagte seit früher Jugend intensiv Handball gespielt habe. Er sei 1978 und 1980 an beiden Händen operiert worden. Seitdem habe er Probleme mit dem sogenannten Daumenschluss beim Greifen. 

Aus diesem Grund habe er auch eine Umschulung zum Bäcker abbrechen müssen und könne keine handwerklichen Berufe ausüben. Hieraus ergibt sich für die Verteidigung die Schlussfolgerung, er könne nicht die Kraft aufgebracht haben, das Opfer so stark zu würgen, dass diesem sogar das Zungenbein brach.

Gericht wird sich noch bis mindestens Juni mit dem Fall befassen

Aus diesem Grund beantragten die Verteidiger die damalige ärztliche Diagnose in die Verhandlung einzubeziehen. Nebenklageanwältin Arabella Pooth bat das Gericht hierbei ein Urteil des Landgerichtes Bochum gegen Ralf H. aus dem Jahr 1987 zu berücksichtigen. Hier war H. ebenfalls wegen eines Überfalles auf eine junge Frau angeklagt, die er ebenfalls gewürgt haben soll. Bei der damaligen Tat schienen ihm seine Sportverletzungen nicht im Wege zu stehen.

Am Ende des zehnten Verhandlungstages wurden drei Fortsetzungstermine festgelegt. Der Prozess wird am 30. April fortgesetzt. Weitere Termine folgen im Mai und Juni.

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