
Die Sonne brennt heiß an diesem Sommertag. Wir sind unterwegs am Hafen und nähern uns einem großen, schwarzen Gebäude. Mächtig und wenig einladend wirkt es, aber neugierig macht es auch. Wachsen auf dem Dach etwa Bäume?
Die Grundidee des Gebäudes ist eher archaisch
Wir sind zu Besuch in der „Akademie für Theater und Digitalität“. Die 6. Sparte des Theater Dortmund ist in ihren gerade fertiggestellten Neubau an der Speicherstraße eingezogen. Die Mitarbeiter:innen beziehen ihre Büros, hier und da wird noch gewerkelt.

Auch im Inneren wird die strenge Architektur des Gebäudes weitergeführt. Flure, Etagen, Treppenaufgänge – alles ist klar gegliedert und funktional ausgerichtet. Keinerlei Bling-Bling, denn die Grundidee des Architekten Sebastian Franssen (DLX) ist eher archaisch: zum schwarzen Backstein kommt ein Grau an den Wänden, die Türen sind aus Holz.
Übrigens nicht irgendein Grau, sondern „Telegrau“ – die beste Farbe für Projektionen, erzählt uns Gastgeber Marcus Lobbes, Direktor der Akademie. Hat auch das Schwarz einen Namen? Lobbes lacht, er erinnert sich gerade nicht, aber es sei unglaublich, wieviele unterschiedliche Schwarztöne auf dem Markt sind.
Die Recherchelabore sind das Herzstück der Akademie
Komplett schwarz sind in jedem Fall auch die Labs, die das Herzstück der Akademie bilden. Auf einer Nutzfläche von fast 2000 Quadratmetern stehen sieben der multifunktionalen Labore für Recherchen und Experimente zur Verfügung. Sie sind zwischen 60 und 220 Quadratmetern groß und haben teilweise eine Deckenhöhe von neun Metern.

Ungewöhnlich ist hier nicht das Schwarz, sondern dass es im großen Labor auch eine Tür nach draußen gibt, durch die Tageslicht fällt. Für’s Theater gerade nicht der Normalfall, denn hier wird die Black Box, der Bühnenraum simuliert. Hier ist (fast) alles möglich – ein Vielfaches an Lichtsituationen, Bühnenformaten und -größen läßt sich nachempfinden.
Aktuell ist noch alles im Umbau, Kartons und Geräte versperren den Weg, aber später wird alles leer sein, später werden die Räume nach Bedarf bestückt. „Alles ist flexibel, nichts ist hier für die Ewigkeit,“ erklärt Lobbes. Außer vielleicht der Mietvertrag, der läuft 30 Jahre.
„Unsere Fellows haben hier alle Freiheiten – sie dürfen auch scheitern“
Der Freiraum, das High-Tec Equipment und der technische Support durch die Expert:innen sind das eigentliche Pfund der Akademie: Motion Capturing, Green Screen-Technologie, verschiedene Sensor-Technologien, Lasercutter und 3D-Drucker, VR- und AR-Anwendungen, AI, Robotik und vieles mehr kann ausprobiert werden. 54 Stipendiat:innen haben davon bereits in der Aufbauphase profitiert.

„Unsere Fellows haben hier alle Freiheiten“, so Lobbes. „Wir sind ja keine Spielstätte, sondern hier ist Zeit für Experimente und Zeit sich auszuprobieren. Hier darf man auch mal scheitern.“ Und das Schöne sei ja, wenn man das erlaube, passiere meistens nichts Schlimmes.
Im Gegenteil: Prototypen wurden hier entwickelt und dann anderenorts auf die Bühne gebracht. Zum Beispiel durch das Team von „artis mobiles“, die ein Tool entwickelt haben, das die Stimmung des Publikums erfasst und diese Daten mit dem Bühnengeschehen verknüpft. Sound, Raum, Bewegung – alles reagiert auf diese Stimmung, ein permanenter Veränderungsprozess.
Und hinter dem Haus rumpelt die Hafenbahn vorbei
Doch nicht immer ist alles digital – manchmal muss man auch richtig zupacken, macht sich schmutzig oder hat Hunger. Es gibt also auch Wasch- und Duschgelegenheiten, eine Kantine, Lagerräume. Die Büros für die inzwischen fast 15 Mitarbeiter:innen liegen nach hinten hinaus zur Lagerhausstraße.

Der Blick fällt vom Büro auf die Gleise der Hafenbahn – einmal am Tag rumpelt sie an der Akademie vorbei – „meine Entschleunigungsbahn“ nennt sie Simone Jahnke, die sich zukünftig für die Akademie um Presse und Social Media kümmern wird.
Entschleunigen lässt sich übrigens auch ganz großartig auf dem Dach der Akademie – wenn man denn als externe Besucher:in hinauf dürfte. Doch aus Gründen der Sicherheit wird diese Dachterrasse wohl leider nicht die neue Partyadresse der Nordstadt. Schade, denn das Zeug dazu hätte sie – der Blick von oben ist toll und die Situation ungewöhnlich: Hier entsteht ein Wald.
30 verschiedene Baumarten bilden ein neues Netzwerk
„Bei Neubauten stellt sich im Sinne der Nachhaltigkeit die Frage: Photovoltaik oder Dachbegrünung“, berichtet Lobbes über die Bauauflagen. Man entschied sich für die Dachbegrünung und die ist spektakulär geworden. 30 Bäume, lauter verschiedene Arten, wurden auf das Dach gepflanzt.

Sie wurzeln flach, verankern sich in einem eigens konstruierten Stahlgitter und werden im Laufe der Zeit miteinander ein Netzwerk bilden. Regenwasser wird hier gespeichert, ein Refugium für Insekten entsteht und Jan Hugenroth, technischer Leiter der Akademie und großer Bienenfan, wird sich dann wohl auch um den Kräutergarten kümmern.
20 Meter hoch können die Bäume werden und wären damit am Ende höher als das Gebäude der Akademie selbst. Ein Symbol? Ist die Natur größer als die digitale Kunst-Welt? Lobbes möchte das nicht gegeneinander ausspielen, „ich finde die Kunst schöner, ich gehe aber auch gerne raus.“
Die Zukunft des Theaters, sie wird also zur neuen Saison am Hafen gesucht. Wer Lust hat, kann am 26. August schon mal vorbeischauen. Im Rahmen des Hafenspaziergangs ist hier ein Tag der offenen Tür geplant. Am 2. September ist dann die offizielle Eröffnung für Politik, Fördernde und andere VIPs.