Es waren ungleiche Nachbarn: Die Polizeiwache in der Nordstadt und das Porno-Kino „Studio X“. Das im Volksmund gerne „Studio Wix“ genannte Kino ist schon seit 2016/17 Jahren geschlossen – mit ihm sind der Freiersuchverkehr und das Anschaffen verschwunden. Das Gebäude, dessen größter Mieter das Kino war, gammelt seitdem vor sich hin. Die Eigentümer setzten – so machten sie es schon 2017 im Nordstadtblogger-Interview deutlich – auf eine städtebauliche Aufwertung. Lange war nichts mehr zu hören – doch jetzt sind die Tage der Immobilie offenbar gezählt.
Gregor Lange: „Moderne Polizeiarbeit benötigt eine moderne Architektur“
Denn am Burgtor tut sich ‚was: Die LINIM-Gruppe wurde durch die Burgtor Immobilien GmbH damit beauftragt, auf dem 4000 Quadratmeter großen Grundstück zwischen der Münsterstraße – Leopoldstraße – Freiherr-vom-Stein-Platz einen Neubau zu konzipieren und zu realisieren.
Dort entsteht das neue Quartier Burgtor, in das die Polizei, ein großer Einzelhandel und weitere Mieter einziehen werden. Schon damals war es die Wunschvorstellung der Eigentümer, dass die benachbarte Nordstadt-Wache in die Immobilie einziehen sollte. Ein Neubau ist längst überfällig, aber andere Wachen bekamen den Vorrang.
Nun bekommt auch sie ein neues Domizil. Die Nordstadt-Wache der Dortmunder Polizei zieht voraussichtlich Ende 2026 in einen Neubau um.
„Moderne Polizeiarbeit benötigt eine moderne Architektur, die beste Rahmenbedingungen für die anspruchsvollen Aufgaben im Streifendienst und bei der Kriminalpolizei schafft. Nach mehr als 50 Jahren am bisherigen Standort an der Münsterstraße ist es höchste Zeit für einen Umzug“, sagte Polizeipräsident Gregor Lange nach der Vertragsunterzeichnung des langfristigen Mietvertrags mit der Burgtor Immobilien GmbH.
18.000 Quadratmetern Mietfläche – inklusive einer mehrgeschossigen Tiefgarage
Die LINIM-Gruppe erhielt den Zuschlag in einem europaweiten Ausschreibeverfahren. Nach Abriss des noch bestehenden Gebäudekomplexes zu einem noch nicht genau feststehenden Zeitpunkt entsteht auf dem Gelände ein Neubau mit mehr als 18.000 Quadratmetern Mietflächen, inklusive einer mehrgeschossigen Tiefgarage.
Die Polizei nutzt in dem Neubau insgesamt 2800 Quadratmeter für den Wachbetrieb, den Bezirksdienst, ein Regionalkommissariat und auch die Führungsstelle der Polizeiinspektion 2, die dann von der Kerschensteiner Straße in Huckarde in das neue Burgwall-Quartier in der Nordstadt zieht.
Der operative Geschäftsführer der LINIM Service GmbH, Henning Wietzorke, möchte mit dem Neubau am Übergang City / Nordstadt „ein urbanes Quartier von hoher Qualität“ realisieren, das an dem Standort auch städtebaulich einen Akzent setzt.
„Dieser architektonischen Aufgabe und Verantwortung an diesem Übergang im Dortmunder Zentrum sind wir uns bewusst. Wir freuen uns über die anspruchsvolle Herausforderung“, sagt Henning Wietzorke.
Polizeiwache wechselt die Straßenseite – keine Einschränkung während Bauzeit
Für die Polizei einsatztaktisch von Vorteil: Die Wache an der Münsterstraße 17-19 wechselt beim Umzug voraussichtlich Ende 2026 nur die Straßenseite, muss ihren Betrieb während der Bauzeit nicht einschränken und erreicht vom neuen Standort aus alle Einsatzorte genauso schnell. Auch die neueste IT-Technik zieht in die Wache ein.
Für die Bürger:innen von Vorteil: Die neue Wache ist zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem öffentlichen Nahverkehr (Hauptbahnhof, Buslinien), per Auto und vor allem barrierefrei erreichbar. Der Empfangsbereich wird großzügig und modern gestaltet sein. Die Wache ist insgesamt bürgerfreundlicher.
„Die Nordstadt-Wache arbeitet rund um die Uhr engagiert für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Ich bin sehr froh darüber, dass es uns gelungen ist, die Finanzen zu sichern und dass wir jetzt planbar die Aussicht auf einen Neubau haben, der den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger und der Polizei gerecht wird. Die Arbeitsbedingungen werden sich damit deutlich verbessern – das ist ein wichtiges Signal für die sehr engagierten Polizistinnen und Polizisten“, so Polizeipräsident Lange.
Umzug der Führungsstelle der Polizeiinspektion 2 von Huckarde in die Nordstadt
Mit den Wachen in Mengede, Lütgendortmund, Huckarde und Eving ist die Nordstadt-Wache organisatorisch an die Polizeiinspektion 2 angebunden. 2022 bewältigte der Streifendienst der Nordstadt-Wache 32.226 Einsätze (Dortmund insgesamt: 181.144 Einsätze).
Untergebracht sind in der Nordstadt-Wache aktuell neben dem Streifendienst auch der Schwerpunktdienst, der Einsatztrupp, der Bezirksdienst, die Jugendkontaktbeamten sowie das Regionalkommissariat (KK 35) mit der Ermittlungskommission Nordstadt.
Das KK 35 ermittelt u.a. bei Straßenkriminalität, Geschäfts- und Firmeneinbrüchen, Körperverletzung, Diebstahl und Betrug. Mit dem Umzug der Führungsstelle der Polizeiinspektion 2 von Huckarde in die Nordstadt findet in dem Neubau u.a. auch die Planung von Einsätzen statt – insgesamt wird damit mehr Polizei in der Nordstadt beheimatet.
Strategisch verfolgt die Polizei mit einem hohen sichtbaren wie verdeckten Kontroll- und Strafverfolgungsdruck das Ziel, Straftaten zu verhindern, schnell aufzuklären und die Zahl der Delikte vor allem im Bereich der Straßenkriminalität zu senken. Dazu stellt Polizeipräsident Gregor Lange klar: „Am jetzigen Standort sind die Arbeitsbedingungen schwierig. Gleichwohl leisten die Polizistinnen und Polizisten in der Nordstadt eine hoch engagierte Arbeit. Dabei müssen sie täglich den Spagat zwischen guter Kommunikation und konsequentem Einschreiten hinbekommen.“
Reaktionen
Neuer Wachleiter in Huckarde: EPHK Rolf Luckner (58) übernimmt das Ruder von Egbert Gössing (PM)
Doch, ein bisschen fühle es sich schon an wie eine Heimkehr, sagt Rolf Luckner (58), als er über die Rückkehr an seine alte, neue berufliche Wirkungsstätte spricht. Der Erste Polizeihauptkommissar (EPHK) war bereits von 2008 bis 2021 als Wachdienstführer und Dienstgruppenleiter in der Polizeiwache Huckarde tätig – und tritt jetzt als neuer Wachleiter seit dem 4. Oktober das Erbe des nunmehr pensionierten EPHK Egbert Gössing an. „Diese Aufgabe reizt mich wirklich, denn ich kenne die Problemstellungen hier, ich kenne auch noch viele Kolleginnen und Kollegen“, sagt Luckner. Zuletzt war er knapp drei Jahre lang als Dienstgruppenleiter auf der Polizeiwache Mitte tätig.
Natürlich ist und bleibt die Bekämpfung des Rechtsextremismus, seit vielen Jahren ein behördenstrategischer Schwerpunkt im Polizeipräsidium Dortmund, ganz oben auf der Agenda des neuen Wachleiters: „Das, was hier in den letzten Jahren in puncto Vernetzung mit der Zivilgesellschaft gelaufen ist, ist richtig gut.“ Eine von Menschenverachtung und Rassismus geprägte Ideologie dürfe schlichtweg nicht hingenommen werden, der Rechtsstaat bringe zurecht alle verfügbaren Kapazitäten auf, um diesen gefährlichen Teil des politischen Extremismus zu bekämpfen, ihn einzudämmen. Dieses Credo setzten die zahlreichen beteiligten Institutionen schon lange vorbildlich um, sagt Luckner anerkennend und lobt damit auch die Arbeit seines Vorgängers. „Aber“, schränkt er ein, „das müssen und werden wir auch weiterführen. Das ist mindestens genauso wichtig wie die Erfolge, die wir schon erzielt haben. Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und müssen wachsam sein. Und wir ziehen weiter alle gemeinsam an einem Strang.“
Für den Dortmunder Polizeipräsidenten Gregor Lange ist das der exakt richtige Ansatz: Nicht nachlassen. Weitermachen. „Unsere Präsenz vor Ort, unser hoher Strafverfolgungsdruck und die zeitlich unbefristet eingerichtete Soko Rechts sind Grundpfeiler unserer erfolgreichen Arbeit im Kampf gegen den Rechtsextremismus“, sagt er. Die Szene solle wissen, dass man sie im Wachbereich stets im Blick habe. Der Polizeipräsident: „Rolf Luckner bringt weit über ein Jahrzehnt Erfahrung im Wachbereich mit und ist daher der Richtige für die Position des Wachleiters. Natürlich tritt er in große Fußstapfen, denn Egbert Gössing hat in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet. Rolf Luckner wird sich dank dieser Vorarbeit schnell zuechtfinden. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit ihm.“
Abgesehen vom Kampf gegen den Rechtsextremismus will Luckner, dass die Polizei Dortmund auch in Zukunft so präsent und für die Menschen greifbar bleiben kann, wie sie es aktuell ist – und zwar von Hochhaussiedlungen über Veranstaltungszentren wie den Revierpark Wischlingen bis hin zu gutbürgerlichen Gegenden in Dortmund-Rahm.
Vor allem sensible Bereiche wie den Bärenbruch und dessen Umfeld nimmt Luckner auch in den Blick: „Die Menschen, die dort leben, haben ein Recht darauf, ohne Randale, Ruhestörungen oder Vermüllung zu leben.“ Darüber hinaus möchte er die Kooperation mit dem für Huckarde zuständigen Kriminalkommissariat 34 weiter intensivieren, ebenso wie die Kooperation mit dem Kommunalen Ordnungsdienst: „Wir werden außerdem die politischen Gremien konsequent mit einbinden.“
Vor seinen Stationen in Dortmund-Mitte und in Huckarde war Rolf Luckner auch schon vier Jahre auf der Polizeiwache Körne und ein Jahr in der Polizeiwache Mengede tätig. Der verheiratete Familienvater zweier erwachsener Kinder ist gebürtiger Dortmunder.
Geplante Kundgebung gegen den Neubau der Wache Nord in Dortmund (PM)
Die Stadt Dortmund plant den Bau eines 17-stöckigen Gebäudes für die Polizei in der Nordstadt. Dieser geplante Neubau stößt bei einer Anzahl der Anwohner*innen auf Ablehnung, da sie befürchten, dass bestehende Probleme in der Nordstadt sich weiter verschärfen könnten.
„In der Nordstadt bestehen vor allem die Herausforderungen wie Rassismus, Armut und ein Mangel an gepflegtem und günstigem Wohnraum. Der geplante Neubau der Wache Nord und der Abriss von Wohngebäuden in der Münsterstraße würden diese Probleme verstärken“, sagt die Sprecher*in Patrizia Ellen, von der Gruppe „Nachbar*innen gegen die Polizei“. Es ist außerdem geplant, weitere Dienststellen in die Nordstadt zu verlegen, das könnte dem Verband nach, zu einer Zunahme „staatlicher Gewalt und rassistischer Schikane“ führen.
Die Wache Nord steht aktuell aufgrund schwerwiegender Vorwürfe gegen Polizeibeamte in der Kritik. Berichte über sexistische Beleidigungen und Gewalt gegen Bürger*innen haben Unmut in der Bevölkerung hervorgerufen. Der Tod des 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé im Jahr 2022, den Beamt*innen der Wache Nord zu verantworten haben, wird gerade noch vor Gericht verhandelt.
Eine Gruppe von Anwohner*innen ruft deshalb zu einer Kundgebung am 7.5.2024 um 16 Uhr vor der Wache Nord auf. Ziel der Kundgebung ist es, den geplanten Neubau zu verhindern und auf die bestehenden Probleme in der Nordstadt aufmerksam zu machen. Die Nachbar*innen fordern in einem Flyer, den sie verbreiten, nicht nur die Schließung der Wache Nord, sondern auch die Abschaffung des Justiz- und Gefängnissystems.
Die Organisator*innen werden bei der Veranstaltung ein offenes Mikrofon anbieten, Musik abspielen und Kaffee oder Tee anbieten. Die Veranstaltung wird von verschiedenen Organisationen unterstützt, die sich für soziale Gerechtigkeit und Bürger*innenrechte einsetzen. Alle Bürger*innen sind eingeladen, sich an der Kundgebung zu beteiligen und gemeinsam ein Zeichen gegen staatliche Gewalt, Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu setzen.
Für weitere Informationen zur Kundgebung und den Hintergründen des geplanten Neubaus der Wache Nord steht die Gruppe „Keine (neue) Wache Nord“ gerne zur Verfügung.
Email: nordstadtohnepolizei@systemli.org