
Anlässlich des „Internationalen Tages gegen Rassismus“ machte die Seebrücke Dortmund mit vielen Partner*innen erneut auf die prekäre Situation von Flüchtlingen im Mittelmeerraum aufmerksam. Fotos: Klaus Hartmann
Von Marius Schwarze
Etwa 60 Menschen hatten sich am Sonntag, 21. März, an der Dortmunder Reinoldikirche versammelt. Veranstalter war die Organisation „Seebrücke“. Die Gruppierung ist bundesweit vertreten und ruft immer wieder zu Aktionen und Demonstrationen auf. Ihr Kernthema: die Situation von Flüchtlingen im Mittelmeerraum, wo jährlich noch immer hunderte Menschen ihr Leben verlieren, bei dem Versuch aus ihren Herkunftsländern nach Europa zu gelangen.
„Iuventa-Crew“ vor italienischem Gericht wegen „Beihilfe zu illegaler Einwanderung“ angeklagt
Zu Beginn der Kundgebung spielten die Veranstalterinnen eine Sprachnachricht von Dariush Beigui, Kapitän der „Iuventa“, Angeklagter wegen Beihilfe zu illegaler Einwanderung, ab. Der Hamburger hatte im Sommer 2017 zusammen mit seiner Crew Flüchtlinge aus einem sinkenden Boot aufgenommen und an der sizilianischen Küste abgesetzt. ___STEADY_PAYWALL___

Die Crew des Rettungsschiffes „Iuventa“ ist wegen Beihilfe zu illegaler Einwanderung angeklagt. Archivbild: Klaus Hartmann
Daraufhin wurde das Schiff beschlagnahmt und die Crew festgenommen, der Grund: Beihilfe zu illegaler Einwanderung. Eine Situation, wie sie sich auch heute noch oft im Mittelmeerraum abspielt. „Schon seit Jahren zeigen wir auf diese wunden Stellen, und wir werden erst aufgeben, wenn sich etwas geändert hat“, verkündete Darius.
Seit September 2018 sind er und andere der Iuventa-Crew offiziel angeklagt. Im Jahr 2020 kam dann der Brief zu ihm nach Hamburg. „Es ist eine ganz unbekannte Situation für mich als Angeklagter vor Gericht zu stehen“, kommentierte Darius die Anklage. Insgesamt werden mit Darius 21 weitere Crew-Mitglieder von der Organisation „Jugend rettet“ angeklagt.
Nicht nur die Iuventa-Cew setzt sich für das Überleben und die Rettung der Flüchtlinge im Mittelmeer ein. Mit der Zeit sind es immer mehr Organisationen geworden, und immer mehr Menschen werden auf die Problematiken aufmerksam und versuchen sich zu engagieren. Ein weiteres Beispiel sind „Ärzte ohne Grenzen“, die sich nicht nur seit Jahren in Ländern Afrikas für eine bessere gesundheitliche Versorgung der Menschen einsetzen, sondern auch in Camps für Geflüchtete die nötige medizinische Versorgung sicherstellen.
Kritik an der Verharmlosung rechtsextremen Terrors in Deutschland
Ein Mitglied der DiDF (Föderation demokratischer Arbeitervereine/türkisch: Demokratik İşçi Dernekleri Federasyonu) hatte einen Redebeitrag vorbereitet, in dem rassistische Übergriffe thematisiert wurden. Zahlreiche gab es davon in den letzten Jahren, hierzu solle nicht nur Hanau oder Halle in Erinnerung gerufen werden.
Hier hätten Rechtsterroristen gezielt Menschen mit Migrationshintergrund angegriffen. „Ich möchte an die Taten in Hanau und Halle erinnern, die einmal mehr zeigen wie organisiert diese Verbrechen vonstatten gehen“, sagte ein junges Mitglied der Organisation. Medial sei auch in diesem Fall von einem psychisch kranken Einzeltäter die Rede gewesen. Für die DiDF Jugend keineswegs ein Einzelfall und auch nicht Ergebnis einer Krankheit. Vielmehr sollten die Behörden ihrer Meinung nach strukturierter gegen Gewalttaten diesen Ausmaßes vorgehen, und es nicht als Einzeltat abtun.
„Die Verharmlosung des rechten Terrors nimmt so weiter ihren Lauf“, fasst der Sprecher der DiDF Jugend zusammen. Darüber hinaus kritisieren sie die Verstrickungen deutscher Behörden und Amtsträger in die rechte Szene. Als Beispiel hierfür seien die NSU Prozesse hervorzuheben, in denen laut der DiDF Jugend systematischer rechter Terror betrieben wurde und auch heute immer noch in ähnlich Funktionen wird. „Nicht zuletzt wegen Vorfällen wie dem NSU Prozess, verlangen wir lückenlose Aufklärung“, bekräftigt der Sprecher seine Forderung, den rechten Terror zu stoppen und systematisch zu bekämpfen.
„Nicht Geflüchtete, sondern Fluchtursachen müssen bekämpft werden“
Rassismus in einzelnen Ländern spiegelt sich auch an den Grenzen Europas wieder. „Der Hass und die Angst gegen vermeintlich Fremde wird vor allem an den Grenzgänger geschürt“, erklärt der Sprecher der DiDF Jugend. Es sei nicht nachvollziehbar dass Menschen, die aus verschiedensten Gründen aus ihren Herkunftsländern flüchten, an Grenzen abgewiesen würden.
Vor allem der Mittelmeerraum sei hervorzuheben. Es könne nicht sein, dass trotz gesellschaftlicher Aufrufe angesichts der im Mittelmeer ertrinkenden Menschen, noch immer Boote aus Häfen verwiesen würden und nicht über die Grenzen gelassen würden. „Nicht Geflüchtete, sondern Fluchtursachen müssen bekämpft werden“.
Angesichts der Exporte von Waffen in viele Länder, in denen Krieg herrscht, weist der Sprecher der DiDF Jugend daraufhin, dass es nicht die Geflüchteten, sondern die Zustände in den jeweiligen Ländern seien, die sich ändern müssten. Die Forderung der DiDF Jugend sei klar, es müssten mehr Fluchtwege geöffnet werden und die an den Grenzen zu Europa liegenden Unterkünfte für Geflüchtete seien zu evakuieren.
Neben der Seebrücke und dem DIDF waren in Dortmund unter anderem der Flüchtlingspaten Dortmund e.V., Grenzenlose Wärme, Offenes Zentrum Dortmund, der Planerladen,, der AStA der TU Dortmund, das Bündnis Dortmund gegen Rechts und weitere an der Aktion zu Internationalen Tag gegen Rassismus beteiligt.
Historischer Hintergrund zum Internationalen Tag gegen Rassismus
Der 21. März wird seit 1966 von den Vereinen Nationen als der Internationale Tag gegen Rassismus ausgerufen. Grund für den Tag sind die Geschehnisse aus dem Jahr 1960 von Sharpeville in Südafrika. Damals waren per Gesetz alle dunkelhäutigen Bürger*innen der südafrikanischen Stadt dazu verpflichtet einen Pass mit sich zu tragen, der Auskunft über den Arbeitsplatz und die Herkunft gab.
Dieser Pass musste immer bei sich getragen werden. Mit diesen Pässen konnte die damalige Regierung die Wohnviertel der „weißen“ von den Industriegebieten und damit den Wohnvierteln der „Schwarzen“ trennen.
An diesem 21 März 1960 gingen Tausende auf die Straße und versammelten sich vor dem Southafrican Policedepartement von Sharpeville. Bewusst hatten sie ihre Pässe an diesem Tag nicht dabei und demonstrierten für Gleichberechtigung. Nachdem die Proteste zunächst friedlich verliefen, flogen irgendwann vereinzelt Steine Richtung Polizeirevier. Daraufhin eskalierte die Situation und es wurde ein polizeilicher Schießbefehl erteilt.
69 Menschen, darunter acht Frauen und zehn Kinder kamen im Maschinengewehrfeuer ums Leben, viele von ihnen wurden von hinten erschossen. Viele weitere Demonstrant*innen wurden verletzt und später festgenommen. Der Vorfall löste weitere Proteste im Land aus, so dass am 30. März 1960 der Ausnahmezustand ausgerufen wurde. International kritisierte man die Regierung Südafrikas für ihren Umgang mit der schwarzen Bevölkerung und Rufe nach einem Ende der Apartheid wurden lauter.
Es sollte jedoch noch über 30 Jahre mit teils derben Konflikten und blutigen Auseinandersetzungen dauern, bevor es 1994 zu den ersten allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen in Südafrika kam. Am 21. März 1996 dann unterzeichnete der damalige Präsident Nelson Mandela die neue südafrikanische Verfassung in Sharpeville.
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