Für Evakuierung von Flüchtlingslagern in Griechenland – Seebrücke protestiert vor dem Dortmunder Rathaus

#LeaveNoOneBehind: Niemand soll zurückgelassen werden, lautet die Forderung. Foto: Akteure

Aktionstag von Seebrücke im Bündnis mit Fridays for Future, Sea-Watch, We’ll come United, Ende Gelände und anderen: „Wir hinterlassen Spuren“ hieß es am gestrigen Sonntag – unter anderem in Dortmund. Bundesweit nahmen an den Aktionen im Rahmen der #LeaveNoOneBehind-Kampagne – trotz gewisser Behinderungen durch Polizei und Behörden – laut Veranstalter*innen mehrere tausend Menschen teil. Erinnert wird daran, dass an den Toren zur EU geflüchtete Menschen unter unwürdigen Bedingungen ausharren müssen. Gefordert wird, dass sich dies ändert – auch und gerade angesichts der Drohungen durch die Corona-Pandemie.

Forderung der Akteure: Sofortige Evakuation der Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln

Die Teilnehmer*innen forderten die deutsche Bundesregierung und insbesondere Innenminister Horst Seehofer dazu auf, ihre humanitäre Verantwortung für geflüchtete Menschen auf den griechischen Inseln wahrzunehmen und alle Menschen umgehend zum Schutz vor Infektionsketten wegen der Corona-Pandemie zu evakuieren.

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„In einem Camp wie Moria auf Lesbos stehen wir kurz vor einer humanitären Katastrophe, die tausenden Menschen das Leben kosten wird, wenn wir sie nicht sofort evakuieren. Wir fordern die Politiker*innen der Bundesregierung dazu auf, jetzt endlich zu handeln und dieses Problem nicht weiter zu ignorieren”, bekräftigt Markus Groda von Seebrücke.

Es könne nicht angehen, dass in einer wohlhabenden Staatengemeinschaft wie der EU, Menschen so unwürdig untergebracht seien. „Wir dürfen nicht dabei zusehen, wie Menschen in Lagern, die sie nicht verlassen dürfen, sterben. Das darf in Europa nie wieder passieren“, so der Aktivist.

Corona-Krise darf nicht Vorwand sein, Meinungsäußerungen im öffentlichen Raum zu untersagen

Doch selbst in jenem Europa, das formal in Sachen Menschenrechte viel auf sich hält, liegt gegenwärtig so manches Grundrecht auf Eis. Regiert wird im Inneren faktisch unter den Bedingungen des Notstandes, auch in der Bundesrepublik. Die verfassungsmäßig garantierte Versammlungsfreiheit etwa ist außer Kraft gesetzt, Corona lässt grüßen.

So schnell geht das. Die Konsequenz: In vielen Orten hatten Polizei oder andere Ordnungsbehörden die  Solidaritätsaktionen pauschal untersagt, obwohl die Veranstalter*innen bei der Planung sorgfältig auf die Einhaltung von Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen geachtet haben.

Alle Aktionen seien so konzipiert gewesen, dass der nötige Abstand und damit ein Schutz vor Ansteckung gesichert werden könnten, so Seebrücke-Sprecher Henri Dubois. Doch gerade weil sie die Corona-Pandemie sehr ernst nähmen „demonstrieren wir dafür, dass der Schutz vor der Krankheit für alle gelten muss. Wer den Infektionsschutz aber zum Vorwand nimmt, jegliche Meinungsäußerung im öffentlichen Raum zu unterbinden, hat offensichtlich ein Problem mit den Grundrechten”.

Bürger*innen hinterlassen am Sonntag auf dem Dortmunder Friedensplatz ihre Spuren

Trotz des Versammlungsverbotes durch die Polizei Dortmund gab es viele Bürger*innen, die ihre Spuren auf dem Friedensplatz ließen und sich so für eine Evakuierung der griechischen Camps aussprachen.

Anja Sportelli von Seebrücke: „Es ist schön zu sehen, dass wir als Seebrücke Dortmund nicht alleine stehen. Dortmund ist ein sicherer Hafen für geflüchtete Menschen und wir fordern, dass die Menschen aus den Camps evakuiert werden, bevor Covid-19 zahlreiche Todesopfer kostet.“

Die internationale Petition #LeaveNoOneBehind, in der vor dem Hintergrund der Coronakrise die Evakuierung der überfüllten und eine interne Quarantäne ausschließenden griechischen Flüchtlingslager gefordert wird, wurde bereits von annähernd 300.000 Menschen unterzeichnet.

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Reaktionen

  1. Grünen-Fraktion (Pressemitteilung)

    Hilfsaktion der Bundesregierung für Flüchtlingskinder ist erbärmlich – Allein Dortmund könnte sofort mindestens 30 Kinder aufnehmen

    Die GRÜNEN im Rat kritisieren den Beschluss der Bundesregierung, nur 50 Kinder aus den vollkommen überfüllten griechischen Flüchtlingslagern zu retten, als erbärmlich.

    „Jedes Kind zählt, aber dass bundesweit nur 50 aufgenommen werden sollen, ist ein humanitäres Armutszeugnis. Allein in Dortmund könnten wir sofort ohne Probleme bis zu 30 Kinder aufnehmen“, kritisiert der Fraktionssprecher der GRÜNEN, Ulrich Langhorst.

    Auf Antrag der GRÜNEN hatte der Rat im Februar beschlossen, zusätzliche Menschen aus den griechischen Flüchtlingslagern in Dortmund aufzunehmen. Denn die Situation dort ist seit vielen Monaten katastrophal, insbesondere auch hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse. Allein im Camp Moria auf Lesbos leben mehr als 20.000 Menschen. Am meisten leiden darunter die Kinder. Sollte in den Lagern auch noch das Coronavirus ausbrechen, dann wird die Situation vollends dramatisch. An eine angemessene medizinische Versorgung ist dabei nicht ansatzweise zu denken.
    Die Verwaltung hatte im Februar in der von den GRÜNEN initiierten Diskussion vorgeschlagen, bis zu 30 Kinder allein nach Dortmund zu holen. Die vorhandenen Unterbringungskapazitäten reichen dafür aus. Erst am Sonntag hatte auch die Dortmunder Gruppe der SEEBRÜCKE erneut für eine schnellstmögliche Aufnahme demonstriert.

    „Insgesamt haben inzwischen bundesweit über 140 Städte ähnliche Beschlüsse gefasst wie der Dortmunder Rat. Wenn alle von ihnen mindestens 30 Kinder aufnehmen, dann sind wir bundesweit schon bei einer Zahl von 4200 Kindern. Es ist vollkommen unverständlich, warum die Bundesregierung diese Angebote nicht annimmt. Die Reden von Solidarität während der Corona-Krise scheinen nicht für geflüchtete Kinder zu gelten. Es braucht deshalb noch einmal ein dringendes Signal auch aus Dortmund an die Bundesregierung: Wir sind bereit für mehr“, so Ulrich Langhorst abschließend.

  2. Projektraum KA!SERN (Pressemitteilung)

    Schiffchen als Statement im Projektraum KA!SERN

    Welche Aufgaben hat eine Nachbarschaftsinitiative in Zeiten von Corona? Das haben wir uns als Nachbarschaftsinitiative KA!SERN gefragt. Wenn man nicht mehr zusammenkommen kann, was gibt es da zu tun? Auch wir haben der sog. Risikogruppe in unserer Nachbarschaft Hilfsangebote gemacht. Angefragt werden sie aber nur in geringem Umfang. Die Menschen sind derzeit mit diesem neuen Alltag, ihren Sorgen um Familie und Freunde, wirtschaftlichen Problemen oder beruflichen Veränderungen beschäftigt. Das ist mehr als verständlich. Doch besonders schwer von der aktuellen Situation betroffen sind Alte, Arme, Obdachlose, Immunschwache und auch geflüchtete Menschen.

    Mit einem Statement der besonderen Art will KA!SERN auf die Gruppe aufmerksam machen, die zurzeit keine Aufmerksamkeit in den Medien hat. In Zusammenhang mit unserer Mitgliedschaft beim Bündnis United4Rescue haben wir Nachbarn eingeladen, bei einer gemeinsamen Aktion mitzumachen und Papierschiffchen zu falten: „Wir schicken ein Schiff“ als symbolisches Zeichen der Unterstützung für die Geflüchteten im Mittelmeerraum.

    Die ca. 160 bunten Schiffchen sind im Schaufenster des Projektraums KA!SERN in der Kaiserstraße 75 als Gesamtschau zu sehen. Wir unterstützen damit die Forderungen der sofortigen Evakuierung aller Menschen aus den überfüllten Lagern an der EU-Außengrenze angesichts der Pandemie, ihren dringend notwendigen Zugang zu medizinischer Versorgung und der Pflicht zur Seenotrettung. „Wir lassen keine Menschen sterben. Punkt.“

  3. #LeaveNoOneBehind – Festung Europa unerreichbar für Geflüchtete? (PM Grüne)

    #LeaveNoOneBehind – Festung Europa unerreichbar für Geflüchtete?

    Zur Situation der Geflüchteten an den EU-Aussengrenzen tauschten sich Erik Marquardt, Mitglied des Europäischen Parlaments mit Schwerpunkt Flucht und Migration, Anja Sportelli der Seebrücke Dortmund und Ulrich Langhorst, Fraktionssprecher der GRÜNEN im Rat, bei einer öffentlichen Videosprechstunde mit interessierten Bürger*innen aus.

    Erik Marquardt zeigte erschütternde aktuelle Fotos von der griechischen Insel Lesbos von Ankünften Geflüchteter in Schlauchbooten und aus den maßlos überfüllten Flüchtlingscamps. Die Flüchtlingszahlen sind seit 2015 stark rückläufig, mitnichten handelt es sich bei den Flüchtlingszahlen also um eine Form der Krise oder eine große Herausforderung. Und obwohl die Ankünfte über das Meer und Land so gering sind wie seit 2008 nicht mehr, ist die humanitäre Situation an den Außengrenzen besorgniserregend. Trotzdem geht die Bereitschaft auf europäischer Ebene zur Aufnahme Geflüchteter aus Krisengebieten fast Richtung Null. Wie kann also auf europäischer und bundesweiter Ebene Druck erzeugt werden? Die Initiative Seebrücke, die sichere Fluchtwege und eine Entkriminalisierung der Seenotrettung fordert, ermöglicht dabei den richtigen Ansatz und schafft Öffentlichkeit mit ihren Aktionen, die auf die Menschenrechtsverletzungen der letzten Jahre aufmerksam machen.

    Der Ansatz der Zwangsverteilung mit einem Verteilungsschlüssel der Geflüchteten auf europäische Länder – diese Weise wird von Ländern wie Tschechien und Ungarn stark kritisiert – muss in Zwangssolidarität umschwenken. Hier wäre ein Ansatz, dass die Länder mit dem eigentlich für die Aufnahme und Unterbringung Geflüchteter bereitgestellten Gelder sich freikaufen können und dieses Geld Ländern, die bereitwillig Geflüchtete aufnehmen, zur Verfügung gestellt wird.

    „Mehr als 160 Städte und Gemeinden in Deutschland haben sich bereit erklärt, weitere Geflüchtete bei sich aufzunehmen. So hat sich auch die Stadt Dortmund im letzten Jahr zum „sicheren Hafen“ für Geflüchtete erklärt. Es ist bestürzend, dass weder Bund noch Land Willens sind, die Voraussetzungen für eine Aufnahme zu schaffen. Stattdessen müssen tausende – insbesondere unbegleitete minderjährige – Geflüchtete unter menschenunwürdigen Bedingungen in den Lagern auf den griechischen Inseln weiter ausharren“, sagt Ulrich Langhorst, Spitzenkandidat der GRÜNEN für die Dortmunder Ratsliste.

    Die Aussage, dass Dortmund „sicherer Hafen“ sei, sei noch keine Aussage darüber, wie die Kommune mit Geflüchteten Menschen umgehe. Ein sicherer Hafen müsse bedeuten, dass Geflüchtete diesen Hafen gefunden haben, ohne Angst haben zu müssen abgeschoben zu werden. Die Ausländerbehörde in Dortmund ist in diesem Punkt nicht gut aufgestellt, Verfahren werden unnötig verzögert und verschleppt, zum Teil nicht gesetzeskonform. Hier muss sich etwas ändern, die Behörde muss neu aufgestellt werden. „Dies sind Umstände, die dem Begriff „sicherer Hafen“ nicht würdig sind“, führt Anja Sportelli auf.

    Erik Marquardt ermutigte die Initiativen – wie hier die Seebrücke Dortmund – weiter auf die Situation und Missstände hinzuweisen. Es lohnt sich dran zu bleiben, Druck gegenüber den Verantwortlichen zu erzeugen und die „Tür einen Spalt mehr zu öffnen“.

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