Leises Sterben bei Kitas und Offenen Ganztagsschulen befürchtet

„Wir sind am Limit“: Eltern, Gewerkschaften und Wohlfahrtspflege fordern Hilfe vom Land NRW

Kitas und OGS sind wichtig fürdie  frühkindliche Entwicklung, die Integration und den Bildungserfolg. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Reduzierung von Öffnungszeiten, Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen: Das leise Sterben bei Kindertageseinrichtungen und Offenen Ganztagsschulen (OGS) hat begonnen. Kindern wird die Grundlage für ein chancengerechtes Aufwachsen entzogen, Eltern können sich nicht mehr auf die Betreuung verlassen, Mitarbeitende gehen auf dem Zahnfleisch und die Träger der Organisationen versinken in immer tieferen finanziellen Defiziten. Mangelverwaltung gehört seit Jahren zum traurigen Alltag im sozialen Bereich, nun ist der Kipppunkt erreicht. In dieser dramatischen Lage fordern Elternvertreter:innen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände einen sofortigen Kurswechsel und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen.

 Familien, Mitarbeitende und Träger fühlen sich von der Landesregierung im Stich gelassen

„Nordrhein-Westfalen muss das soziale Gewissen der Bundesrepublik bleiben“, heißt es im Koalitionsvertrag der NRW-Landesregierung. Doch Familien, Mitarbeitende und Träger merken davon derzeit wenig. Im Gegenteil: Sie fühlen sich von der Landesregierung im Stich gelassen und kämpfen nun gemeinsam für bessere Bedingungen. Qualität, Verlässlichkeit, gleichberechtigte Teilhabe und den Kostensteigerungen angepasste Finanzierungen gehören zu den Kernforderungen.

Die Probleme sind vielschichtig: akute Personalnot, fehlende Mindest-Standards und unzureichende Refinanzierung. Am Beispiel der Kindertageseinrichtungen und der OGS wird das Problem besonders deutlich: Durch eine fehlende Anpassung der Finanzierung laufen zahlreiche Träger in diesem Jahr in ein massives Defizit.

Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die steigenden Ausgaben für Personal und Sachkosten spiegeln sich nicht in einer angepassten Refinanzierung des Landes wider. Die „Landesregierung weigert sich bisher, die Realitäten anzuerkennen und lässt viele Träger mit ihrer Existenznot allein.

In der Folge werden Betreuungsangebote vor Ort verringert oder ganz eingestellt, um Insolvenzen zu vermeiden. Wir sind am Limit“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

„Das Land muss seiner Verantwortung endlich gerecht werden“

„Die selbstgesteckten Ziele der Landesregierung aus dem Koalitionsvertrag müssen mehr sein als warme Worte. Das Land muss seiner Verantwortung endlich gerecht werden. Offener Ganztag und Kitas sind nur die Spitze des Eisberges“, kommentiert Christian Woltering, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW.

Christian Woltering

„Von Pflegeeinrichtungen über Angebote für Menschen mit Behinderungen, Integration von Geflüchteten, Schuldnerberatung oder Jugendförderung: Die soziale Infrastruktur in NRW steht auf der Kippe. Die Einrichtungen und die Menschen, die auf sie angewiesen sind, wissen nicht, wie es weitergehen soll. Ganz akut geht es darum, Schließungen zu verhindern und es Trägern zu ermöglichen, ihre Mitarbeitenden angemessen zu entlohnen“, so Woltering.

„Mit dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ist es den Gewerkschaften gelungen, die Sozial- und Erziehungsberufe weiter aufzuwerten und die Attraktivität zu erhöhen. Damit leisten wir einen wertvollen Beitrag gegen den Fachkräftemangel“, macht Anja Weber, Vorsitzende des DGB NRW, deutlich.

„Gute Arbeit und Bildung kosten Geld! Das gilt für die Kitas und den Offenen Ganztag“

Anja Weber, Vorsitzende des DGB NRW

„Klar ist aber auch: Damit die Träger den Tarifabschluss übernehmen können, braucht es finanzielle Unterstützung durch das Land NRW. Die Landesregierung darf die Träger, die Beschäftigten und die Familien nicht im Stich zu lassen. Sie muss in einem ersten Schritt einen Rettungsschirm aufspannen, um die aktuelle Notlage der Kitas und der Offenen Ganztagsschulen zu überbrücken. In einem zweiten Schritt müssen die Weichen gestellt werden, um die Mangelverwaltung dauerhaft zu beenden“, so Weber.

„Gute Arbeit und Bildung kosten Geld! Das gilt für die Kitas und den Offenen Ganztag. Die Einrichtungen sind auf die finanzielle Hilfe des Landes angewiesen, um den Bildungsauftrag an den Kleinsten in unserer Gesellschaft erfüllen zu können“, ergänzt Gabriele Schmidt, Landesleiterin, ver.di NRW.

„Die derzeitige Belastungssituation hat nicht nur Auswirkungen auf die Attraktivität des Berufs, der Personalmangel hat durch Schließungen und Teilschließungen der Einrichtungen auch gravierende Auswirkungen auf Eltern und Kinder. Wir fordern kurzfristige schnelle Hilfen des Landes und stehen als zuständige Gewerkschaft für gute Tarifverträge. Beides muss Hand in Hand gehen“, fordert Schmidt.

 Qualitätsstandards in Kitas einhalten und verbessern – Mindeststandards für OGS festzulegen

Ayla Çelik, Vorsitzende der GEW in NRW Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

„In der jetzigen Situation beobachten wir, dass der Personalmangel die Qualität schlägt und die Beschäftigten nicht mehr sinnstiftend ihrer pädagogischen Arbeit nachgehen können. Kindertagesstätten und Offener Ganztag sind nicht nur Orte der Betreuung, sondern in erster Linie Orte der Bildung, betont Ayla Çelik, Vorsitzende der GEW NRW..

„Deshalb ist es aus unserer Sicht notwendig, dass Qualitätsstandards in Kitas eingehalten sowie verbessert werden. Zudem gilt es jetzt, Mindeststandards für den OGS festzulegen, damit gute Rahmenbedingungen nicht von der Finanzkraft der Kommunen abhängen“, so die GEW-Vorsitzende.

Für den Offenen Ganztag braucht es nicht nur Räume, sondern auch Personal. Doch die Mindeststandards sind noch nicht definiert. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

„Der Fachkräftemangel führt zu einer untragbaren Situation für Beschäftigte, Kinder und Eltern. Die frühkindliche Bildung muss endlich in den Fokus der Landesregierung gerückt werden, weil hier der Grundstein für Chancengleichheit und eine erfolgreiche Bildungsbiographie gelegt wird. Aus diesem Grund muss der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz für das Jahr 2026 politisch unbedingt realisiert werden“, stellt Çelik klar.

„Alle Kinder in NRW müssen uneingeschränkten Zugang zur Kindertagesbetreuung erhalten, dies ermöglicht ihnen ein chancengerechtes Aufwachsen und eine gleichberechtigte Teilhabe. Eltern brauchen Stabilität in den Angeboten, um weiteren Verpflichtungen im Alltag verlässlich nachkommen zu können”, ergänzt Daniela Heimann, Vorstandsmitglied Landeselternbeirat NRW.

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Reaktionen

  1. Land unterstützt Kitas auch in Dortmund (PM Michael Röls-Leitmann)

    Die Landesregierung unterstützt die Kitas in NRW mit einer Überbrückungshilfe in Höhe von 100 Millionen Euro. Familienministerin Josefine Paul (Grüne) und die schwarz-grüne Regierungskoalition stellen diese Summe für die sogenannten freien Träger bereit, die rund drei Viertel der Kitas in NRW betreiben. Das Geld unterstützt die Träger bei der Bewältigung der Mehrkosten durch die jüngsten Tarifabschlüsse.

    „Die Tariferhöhung war ein richtiger Schritt für die Beschäftigten in der frühkindlichen Bildung auch in Dortmund“, sagt die grüne Landtagsabgeordnete Michael Röls-Leitmann: „Die finanziellen Mehrausgaben bereiten den Trägern aber erhebliche Sorgen. Deshalb bin ich froh, dass wir diese Lösung gefunden haben, die den Kindern und Familien zugutekommt.“

    Von der Überbrückungshilfe profitieren auch die Kommunen, die bei Insolvenzen freier Träger den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz hätten sicherstellen müssen. Auch deshalb freut sich die grüne Landtagsfraktion über die jetzt vorgestellte Lösung.

    Ab dem kommenden Jahr erhöht die schwarz-grüne Landesregierung die jährliche Förderung durch das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) für alle Kitas in erheblichem Maße. Die kommunalen und freien Träger erhalten ab der nächsten gesetzlich vorgesehenen Dynamisierung für das Kindergartenjahr 2024/25 fast zehn Prozent mehr Mittel für die Kindpauschalen. Das Land NRW stabilisiert so das Kita-System nachhaltig und dauerhaft. Für das Jahr 2024 stehen damit mehr als fünf Milliarden Euro für das System der frühkindlichen Bildung zur Verfügung.

  2. Einschätzung der Freien Wohlfahrtspflege NRW zum von Familienministerin Josefine Paul vorgestellten Rettungspaket für Kindertageseinrichtungen in NRW (PM)

    Stephan Jentgens, Vorsitzender des Arbeitsausschusses Tageseinrichtungen für Kinder der Freien Wohlfahrtspflege NRW:

    „Ein wichtiger Schritt! Dank des Rettungspaketes des Familienministeriums stabilisiert sich die Kita-Landschaft in NRW. Nun gilt es vor allem zwei Dinge im Blick zu haben: Es braucht bei der Umsetzung einen unkomplizierten Verteil-Mechanismus ohne bürokratische Hürden für die ohnehin überlasteten Einrichtungen. Außerdem dürfen die finanzschwachen Kommunen in der Haushaltssperre nicht aus dem Blick geraten: Über das Kommunal-Ministerium muss auch ihnen ermöglicht werden, ihren Anteil zur Kita-Stabilisierung beizutragen.“

    Christian Woltering, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW:

    “Gut für die Kitas, dass die Landesregierung den Ernst der Lage erkannt hat und einen wichtigen Beitrag leistet, um Kitas vor der Insolvenz zu bewahren. Ein starkes Signal für eine starke Kita-Infrastruktur! Doch leider ist die Kuh längst nicht vom Eis. Offener Ganztag, Freiwilligendienste oder Integrationsberatungsstellen: Wir erneuern hiermit unseren Hilferuf an die Landesregierung: Setzen Sie sich weiter für die soziale Landschaft in NRW ein! Knüpfen Sie ein Rettungspaket für den Sozialbereich und verhindern Sie den Kollaps der sozialen Infrastruktur. Wichtig ist, dass auch die Kommunen wieder in die Lage versetzt werden, finanziell handlungsfähig zu sein und ihrer Verantwortung vor Ort nachzukommen.”

    Hintergrundinfo: Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW

    In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, der Paritätische, das Deutsche Rote Kreuz, die Diakonischen Werke und die Jüdischen Gemeinden mit ihren 16 Spitzenverbänden zusammengeschlossen. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bietet sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote.

    http://www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de

  3. Arbeitslast riesige Herausforderung für Lehrkräfte: Deutsches Schulbarometer zeigt Auswirkungen von Armut und Mangel in der Bildung (PM)

    Das Deutsche Schulbarometer im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung zeigt: Es brennt in der Bildung, Ressourcen und Entlastungen müssen her! Während die Auswirkungen von Armut und multipler Krisen auf die Kinder und Jugendlichen immer deutlicher zutage treten, sehen sich Lehrkräfte vor immer größere Herausforderungen und einer hohen Arbeitsbelastung gestellt. „Wer Lehrkräfte für den Beruf gewinnen und Menschen dazu motivieren möchte, ihre Teilzeitstellen aufzustocken, darf nicht draufpacken und die Arbeitsbedingungen weiter verschlechtern. Das ist kontraproduktiv, treibt Lehrkräfte eher aus dem System, als neue dazu. Vor allem aber wird die gelebte enorme Belastung ausgeblendet und die Beschäftigten im Schulalltag allein gelassen. Unter Wertschätzung verstehe ich etwas anderes, sagt Ayla Çelik, Vorsitzende der GEW NRW. „Wir müssen dahin kommen, dass die von Lehrkräften geleistete Arbeitszeit endlich der gelebten Wirklichkeit entsprechend abgebildet wird.“

    Laut der Studie bewerten Lehrkräfte das Verhalten der Schüler*innen (34 Prozent) und die hohe Arbeitsbelastung (31 Prozent) als die größten Herausforderungen im Arbeitsalltag. Während mehr als drei Viertel der befragten Lehrkräfte (81 Prozent) bei ihren Schüler*innen Konzentrationsstörungen und eine übermäßige Online-Nutzung beobachten, gibt jede dritte Lehrkraft (31 Prozent) an, bei den Kindern und Jugendlichen Ängste wahrzunehmen, verursacht wegen der Sorge um die finanzielle Situation der Familie.

    „Die Studie zeigt, was wir immer wieder betonen. Armut ist ein nicht zu vernachlässigender Faktor, wenn es um Bildungschancen geht. Beispielsweise berichten Lehrkräfte in schwierigen Lagen zu 64 Prozent, das Kindern und Jugendlichen häufiger Schulmaterialien fehlen – in anderen Lagen sind es 37 Prozent. In herausfordernden Lagen geben 48 Prozent der Lehrkräfte an, bei den Kindern Sorgen um die finanzielle Situation der Eltern wahrzunehmen. Ängste und Zukunftssorgen beeinträchtigen Schüler*innen in ihrem Lernprozess und machen es schwer, sich überhaupt auf die eigene Bildung einzulassen. Diese Kinder und Jugendliche schlagen mit weit mehr Bedarfen in der Schule auf und benötigen mehr Hilfestellung und das bedeutet am Ende des Tages auch zusätzliche Belastung von Lehrkräften in herausfordernden sozialen Lagen. Hier sind wir auf einen Sozialindex angewiesen, der als Steuerungsinstrument Ressourcen zielgenau und bedarfsorientiert steuert und Unterschiede unterschiedlich behandelt. Gerade in herausfordernden Lagen brauchen wir deshalb dringend umfassend Entlastungen, damit den Lehrkräften Zeit für die pädagogische Arbeit bleibt“, so die Vorsitzende der GEW NRW. „Ich frage mich, was noch passieren muss, damit die Bildungschancen junger Menschen und Chancengleichheit in der Bildung endlich zur Chefsache erklärt und entsprechend gehandelt wird!“

    63 Prozent der Lehrkräfte in Teilzeit können sich unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufstockung vorstellen. Das zeige das hohe Engagement der Lehrkräfte, so die Gewerkschafterin. Allerdings betont auch Çelik, dass die Bedingungen dafür stimmen müssten. Laut Studie geben viele an, dass sie nur aufstocken würden, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbessern, beispielsweise, wenn vom Deputationsmodell auf eine Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeit umgestellt würde. Çelik: „Das Unterrichten ist in Zeiten der Mangelverwaltung vielerorts fast zur Nebensache geworden. Lehrkräfte stopfen mittlerweile in allen Bereichen des Schullebens die „Lücken“, die durch fehlendes Personal immer größer werden. Vor allem reiben sich Lehrkräfte in Verwaltungstätigkeiten und Organisationsaufgaben auf. Mehr Menschen zum freiwilligen Aufstocken zu bewegen, wird nur gelingen, wenn die Bedingungen stimmen und die Arbeit zu stemmen ist. Dafür muss Entlastung her! Denn am Ende des Tages zählt nicht, was versprochen wird, sondern was an Entlastung vor Ort ankommt.“

  4. NRW bleib sozial! Freie Wohlfahrtspflege NRW ruft zur Kundgebung am 19.10.2023 vor dem Landtag auf (PM)

    Reduzierung von Öffnungszeiten, Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen: Die soziale Infrastruktur in NRW steht an einem Kipppunkt. Mit der Kampagne „NRW bleib sozial!“ fordert die Freie Wohlfahrtspflege NRW die Politik auf, sich für eine umfassende Verbesserung der Situation der sozialen Träger einzusetzen. Den Auftakt macht eine Kundgebung am 19. Oktober 2023 vor dem Landtag in Düsseldorf, regionale Aktivitäten folgen. Alle Informationen gibt es unter http://www.nrw-bleib-sozial.de

    „So geht es nicht mehr weiter, es ist fünf vor zwölf!“, so Christian Woltering, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW. „Die schwarze Null bricht uns das Genick. Wenn der Haushalt der Landesregierung für das nächste Jahr nicht stärker in den Sozialbereich investiert, wird die soziale Infrastruktur kaputtgespart. Sie muss jetzt dringend handeln, sonst droht der Wegfall zahlreicher sozialer Angebote.“ Die steigende Inflation hat dazu geführt, dass Sachkosten und Personalkosten für die Einrichtungen und Dienste in existenzbedrohender Weise angestiegen sind. Die öffentliche Finanzierung holt diese Kostensteigerung gar nicht oder nur sehr eingeschränkt nach.

    Stagnierende Titel im Landeshaushalt 2024: Faktisch bedeutet das Kürzungen für die Träger sozialer Angebote, wenn zugleich ihre Ausgaben für Energie oder Personal steigen. Hinzu kommen Kürzungen, etwa im Bereich der Finanzierung von Angeboten zur Integration von Arbeitslosen. Am 19. Oktober 2023 steht die Anhörung im Finanzausschuss auf der Agenda des Landtags. “Wir haben den Termin für unsere Auftakt-Veranstaltung nicht zufällig gewählt: Wir wollen mit der Politik ins Gespräch kommen, sie muss ihrer Verantwortung für ein soziales NRW endlich gerecht werden!“, so Woltering. Andernfalls drohe NRW seinen Status als das soziale Gewissen der Bundesrepublik zu verlieren.

    „Auch die Kommunen müssen ihre Verantwortung übernehmen. Solange die Städte, Gemeinden und Landkreise aber unter ihren Schuldenlasten ächzen, stehen vor Ort dringend benötigte freiwillige Leistungen auf der Kippe oder brechen ganz weg. Die Kommunen müssen wieder in die Lage versetzt werden, ihre Pflicht zu erfüllen. Gerade in den finanzschwachen Kommunen brauchen die Bürger*innen ein stabiles soziales Netz mehr denn je!“ Hinzu kommen massive Kürzungen für den Sozialbereich auf Bundesebene: Die Aussichten für das Soziale sind aktuell so düster, wie lange nicht, so die Einschätzung der Freien Wohlfahrtspflege NRW.

    Initiiert wurde die Kampagne von der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Den Aufruf in Gänze, Grafiken zum Download und alle weiteren Informationen bündelt die Internetseite http://www.nrw-bleib-sozial.de

    Hintergrundinfo: Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW

    In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, der Paritätische, das Deutsche Rote Kreuz, die Diakonischen Werke und die Jüdischen Gemeinden mit ihren 16 Spitzenverbänden zusammengeschlossen. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bietet sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote.
    http://www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de

  5. Offener Ganztag: Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW fordert Standards, statt Flickenteppich (PM)

    Im Herbst 2021 beschloss die Bundesregierung das „Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter“. Ab August 2026 haben demnach zunächst alle Grundschulkinder der ersten Klassenstufen einen Anspruch darauf, ganztägig gefördert zu werden. Der Anspruch wird in den Folgejahren um je einen Klassenjahrgang ausgeweitet. Die Bundesländer stehen seitdem vor der Aufgabe, zur konkreten Umsetzung des Rechtsanspruchs Ausführungsgesetze zu erlassen. Für NRW ist ein entsprechender Referentenentwurf in den nächsten Monaten zu erwarten.

    „Das Fehlen jeglicher Standards wäre in anderen Feldern pädagogischer Arbeit undenkbar.“

    Für Elternverbände, Fachkräfte und Träger der Offenen Ganztagsschulen war das zu erwartende Ausführungsgesetz lange mit der Hoffnung auf personelle und räumliche Mindeststandards verbunden. Denn bisher beruht der Offene Ganztag in NRW nur auf einem Erlass, der im Hinblick auf Räume, Personalschlüssel, Gruppengrößen oder die fachliche Qualifizierung der Mitarbeitenden keinerlei Vorgaben macht. „Das Fehlen von Standards wäre in anderen Feldern der pädagogischen Arbeit mit Kindern – etwa den Hilfen zur Erziehung oder den Kindertagesstätten – völlig undenkbar“ kritisiert Tim Rietzke von der Freien Wohlfahrtspflege in NRW. „Von einer einheitlichen hohen fachlichen Qualität des Offenen Ganztags kann in NRW also keine Rede sein.“ Weiter konkretisiert Rietzke: „In der Praxis führt der Verzicht auf personelle und qualitative Standards in Offenen Ganztagsschulen teils zu unhaltbaren Situationen, in denen zum Beispiel eine Mitarbeiterin 50 Kinder und mehr beaufsichtigen muss.“

    Hoffnung auf Verbesserung der OGS hat sich getrübt

    Die von vielen Menschen in NRW geteilte Hoffnung auf eine qualitative Verbesserung der Offenen Ganztagsschulen im Zuge des Rechtsanspruchs hat sich inzwischen getrübt. In einem Interview mit der WAZ am 02.12.2023 wirbt Schulministerin Feller im Hinblick auf den Rechtsanspruch „dafür, dass wir uns ehrlich machen und keine Personalschlüssel, Gruppengrößen und Betreuungszeiten vorschreiben, die wir bei dem gegenwärtigen Fachkräftemangel ohnehin nicht werden einhalten können.“ Ähnlich äußert sich die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände in NRW: In einem aktuell veröffentlichten Positionspapier zur Umsetzung des Rechtsanspruchs fordert sie, „dass zunächst bis zum 31.07.2030 auf die Setzung weiterer Standards verzichtet wird“.

    „Als Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in NRW wissen wir einerseits um die unzureichenden baulichen Gegebenheiten in Grundschulen und den Fachkräftemangel, der die Einführung von Standards im Offenen Ganztag erheblich erschwert. Andererseits sollten diese Herausforderungen nicht dazu führen, damit den Verzicht auf Standards im Offenen Ganztag zu legitimieren“ kritisiert Rietzke die Aussagen.

    Nicht nur Betreuung, sondern wichtiger Bildungsort

    Die Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Offenen Ganztagsschulen in NRW ist in Teilzeit beschäftigt. Viele Mitarbeitende würden Aufstockungen der wöchentlichen Stundenzahl annehmen. Sie hätten dann mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung ihrer Angebote, für Gespräche mit Eltern und Lehrerkräften, könnten sich bei Personalausfällen besser gegenseitig vertreten und könnten mehr dem politischen gewollten Bildungsauftrag gerecht werden: Damit die OGS nicht nur als Betreuung, sondern vielmehr als wichtiger Bildungsort wahrgenommen wird. Nicht zuletzt könnte auf dieser Grundlage im Sinne des Kinderschutzes ein verbindlicher Personalschlüssel eingeführt werden. Die Qualität der Offenen Ganztagsschulen in NRW könnte so erheblich verbessert werden, auch ohne neues Personal einstellen zu müssen. Voraussetzung hierfür wäre allerdings der politische Wille, mehr Geld in Offene Ganztagsschulen zu investieren.

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