Überleben im Winter in Dortmund: Vereine fordern bezahlbare Wohnungen für alle und bitten um Schlafsäcke für Obdachlose

Die Wohnungslosen-Initiativen Kana, Gast-Haus und bodo haken nach. Fotos: Alex Völkel
Die Wohnungslosen-Initiativen Kana, das Gast-Haus und bodo hakten vor dem Rathaus nach. Fotos: Alex Völkel

Von Susanne Schulte

Wenn es kalt wird in Dortmund, fürchten Menschen ohne Obdach um ihre Gesundheit. Da die Stadt viel zu wenig Wohnungen und Schlafplätze vorhält, planen die Ehrenamtlichen der freien Wohnungslosenhilfe, wie die des Gast-Hauses, für die Wintertage Überstunden ein. Katrin Lauterborn, Geschäftsführerin des Vereins, kündigte am Mittwochnachmittag während der Veranstaltung „Und wohin im Winter?“ vor dem Rathaus an, bei Minusgraden das Haus an der Rheinischen Straße über Nacht zu öffnen, damit Mensch und Tier in den Räumen in der ersten Etage warm durch die Nacht kommen. „Bei Minusgraden geht’s ums Überleben.“

Gast-Haus lädt bei Minus-Temperaturen über Nacht die Gäste ein – Hunde sind willkommen

Alexandra Gerhardt von Bod
Alexandra Gerhardt von Bodo

Dieser Fürsorgepflicht sollte eigentlich die Stadt nachkommen. Die sei auch in Gesprächen mit den Vereinen Gast-Haus, Bodo und der Suppenküche Kana, habe den Handlungsbedarf erkannt und auch ein Konzept festgelegt: allein die Umsetzung dauere und dauere.

Alexandra Gerhardt von Bodo berichtete dem Publikum vor der Rathaus-Treppe, dass die neue Männerübernachtungsstelle, die im Januar eröffnet werden soll, zwar 70 statt bislang 50 Schlafplätze biete, aber diese reichten nicht aus. Für die Frauenübernachtungsstelle sei noch kein neuer Standort gefunden.

Zwar seien die Beschäftigten des Jobcenters und des Sozialamtes regelmäßig im Gast-Haus, aber es fehlten vor allem dezentrale Aufenthaltsräume für Menschen ohne Obdach und natürlich bezahlbare Wohnungen.

2.322 Menschen in Dortmund brauchen eine eigene Wohnung und nicht nur eine Notunterkunft

Katrin Lauterborn vom Gast-Haus und Bastian Pütter von Bodo.
Katrin Lauterborn vom Gast-Haus und Bastian Pütter von Bodo.

Hier hatte zu Beginn der Veranstaltung Bastian Pütter von Bodo viele Zahlen genannt, die die „krisenhafte Zuspitzung der Wohnungslosigkeit“ belegen. Waren im letzten Jahr 248 Menschen von der Stadt eine Notunterkunft zugewiesen worden, lebten heute 874 in Wohnungen und Sammelunterkünften, über die die Kommune verfügen kann.

116 Personen der so Untergebrachten wohnten einst im zwangsgeräumten Hannibal. „Die Stadt hat mittlerweile hunderte von Wohnungen angemietet, damit die Menschen nicht hier vorne liegen“, sagte Pütter und wies auf den überdachten Platz vor dem Rathaus. Dazu kämen die Flüchtlinge, die auch auf Wohnungen warteten, sowie die Frauen und Männer ohne Obdach, die von den Initiativen betreut würden.

So kommt er auf die Zahl von 2.322 Menschen, die ohne eigene Wohnung leben müssten. Die Stadt habe zwar zwischenzeitlich entschieden, bei jedem Neubauprojekt müsse ein Viertel als Sozialwohnungen zu vermieten sein, „doch die Wohnungen, die die Stadt seit 2015 baut, werden nächstes Jahr erst fertig“.

„Der Schlafsack ist kein Ersatz fürs Bett“ – Spenden nimmt die Suppenküche in der Mallinckrodtstraße an

Bernd Büscher von der Suppenküche Kana
Bernd Büscher von der Suppenküche Kana.

Bernd Büscher von der Suppenküche Kana kocht und verteilt mit seinen MitstreiterInnen warme Mittagessen und, so sie gespendet werden, wärmende Schlafsäcke. „Der Schlafsack ist kein Ersatz für ein Bett, er wird nass und geht kaputt“, baute er gleich möglichen Überlegungen vor, warum die Nachfrage nie gedeckt sei.

Wie alle anderen auch, fordert er, dass die Kommune, oder genauer: die Stadtwerke, nachts die U-Bahnhöfe öffne, damit die Männer und Frauen dort übernachten können. In Bochum sei das schon Winter-Alltag. Auch Hamburg wurde als Beispiel erwähnt. In dezentral aufgestellten Containern könnten 1.000 Menschen in kalten Nächten Zuflucht finden, so Pütter.

Wie die anderen Initiativen es bereits machen und auch ausweiten wollen, so plant auch die katholische Kirche mit der Caritas die aufsuchende Arbeit zu ergänzen. Pfarrer Michael Vogt erzählte, man habe Geld für einen Bulli gesammelt, um die Menschen ohne Bett abends und nachts zu besuchen, warme Getränke, Decken und Gespräche anzubieten. Ehrenamtliche bildeten sich bereits fort, damit diese Einsätze für Besuchte und BesucherInnen so angenehm wie möglich würden.

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Reaktionen

  1. Marco Bülow (SPD-MdB – Pressemitteilung)

    Marco Bülow erklärt zum internationalen Tag zur Beseitigung der Armut:

    „Immer noch leben weltweit viele Menschen in extremer Armut und das Vermögen ist immer ungleicher verteilt. Die Zahl der Superreichen steigt und die Schere wird immer größer. Auch Deutschland, eines der weltweit reichsten Länder, lässt immer noch zu obszön viel Armut zu. Das ist ein Skandal. Nur die oberen 10 Prozent profitieren wirklich vom Wohlstand. Sie besitzen 60% des Gesamtvermögens, während sich die Armut unten verfestigt.

    Immer mehr alte Menschen, Alleinerziehende, Kinder und Jugendliche sind von Armut bedroht. Viele von ihnen sind von Wohnungslosigkeit betroffen, die Kapazitäten von Ehrenamtlichen und Initiativen werden zunehmend überlastet. Darauf machen heute die Kana-Suppenküche, das Gast-Haus statt Bank und bodo e.V. aus
    meinem Wahlkreis in Dortmund aufmerksam und stellten am Rathaus ihre Konzepte und Forderungen gegen Armut vor.

    Ich unterstütze diesen Protest ausdrücklich und ich fordere einen Masterplan mit klaren Zielzahlen zur Reduzierung der Armut in allen Bereichen. Mit einigen anderen Autor*innen habe ich ebenfalls Forderungen zur Bekämpfung von Armut in einem Sozialwende-Papier aufgestellt:

    (https://www.marco-buelow.de/wpcontent/uploads/PDFs/Aktuelles/Sozialwende-jetzt.pdf).

    Es ist Zeit endlich zu handeln, diese Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit umzusetzen und so eine soziale Wende einzuleiten.“

  2. soja

    ok. Ganz einfach: Dortmund soll den ganzen Winter über auf die fliegenden Bilder am U Turm verzichten, somit werden 1,3 Millionen Euro flüssig für Obdachlose! Davon kann man zahlreiche warme Traglufthallen aufstellen, lecker Essen kochen und Kulturprogramm finanzieren und sogar bleibenden, warmen Wohnraum installieren!
    Aber Angeber-Prestige U Tuerme, die in jedem Dortmund Tatort blinken müssen, sind ja wichtiger als Menschen.

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