„Wohnen ist ein Menschenrecht! – für bezahlbaren Wohnraum!“: Diskussion von „Arm in Arm“ in Dortmund

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„Arm in Arm“ lud zu „Wohnen ist Menschenrecht“ – Referenten und Organisatoren. Foto: Stephan Schuetze

Von Gerd Wüsthoff

Unter dem Motto „Wohnen ist ein Menschenrecht! – für bezahlbaren Wohnraum!“ hatte das Netzwerk „arm in Arm Dortmund“ zu einer Diskussionsveranstaltung in das Wichernhaus eingeladen. Der sich immer weiter verengende Wohnungsmarkt, die sehr geringe Leerstandsquote von 1,8 Prozent und steigenden Mieten bringen immer mehr Familien und finanziell Schwache in Dortmund, wie auch bundesweit, in Bedrängnis. Die Veranstaltergemeinschaft wollte daher Handlungsansätze aufzeigen, wie zukünftig bezahlbarer Wohnraum geschaffen und erhalten werden kann, machte DGB-Chefin Jutta Reiter als Vorsitzende von „Arm in Arm“ deutlich.

In der Verwaltung sieht man die Stadt Dortmund nicht als Wohungsunternehmen

Arm in Arm Aktion - Wohnen ist Menschenrecht, aktueller Wohnungsmarktbericht Dortmund mit den drei städtischen Projekten
Arm in Arm – Wohnen ist Menschenrecht, aktueller Wohnungsmarktbericht Dortmund mit den drei städtischen Projekten auf dem Titel

Der Abend war mehr eine Informationsveranstaltung als ein Diskussionsforum. Jedoch wurden die Anwesenden umfänglich von Thomas Böhm, Amtsleiter für Wohnen und Stadterneuerung, und Ludger Wilde, Dezernent für Umwelt, Planen und Wohnen, darüber informiert, was genau die Stadt Dortmund unternimmt, um die Situation in Dortmund nicht zu sehr eskalieren zu lassen.

„Auch wenn die Stadt kein Wohnungsbau Unternehmen ist, haben wir mit unseren Wohnbau-Projekten Möglichkeiten aufzeigen wollen“, erklärt Wilde in seinem Vortrag.

Böhm, wie auch Wilde wiesen in ihren Beiträgen darauf hin, dass in Dortmund 2017 2,049 neue Wohnungen bezugsfertig wurden, und dass man diese Zahl für 2018 übertreffen werde.

Weiter berichtetensie, dass Dortmund über das Land NRW, 30 Millionen Euro zur Verfügung habe, um den Wohnungsmarkt in der Stadt zu fördern. Wie auch bei Neubauprojekten eine Quote von 25 Prozent gefordert wird, die sozial verträgliche Mieten offerieren.

Der Tenor des Vortrages von Tobias Scholz, Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V., lag verstärkt auf dem Aspekt der Sozialverträglichkeit von Mieten, wie auch auf den Angemessenheitsgrenzen, die dringend beim „Jobcenter“ neu festgelegt werden müssten.

Denn diese würden rasch durch Modernisierungsumlagen auf die alte Miete überschritten. Dies führe zur meist erfolglosen Suche nach „angemessenem (bezahlbarem und bezuschussbarem) Wohnraum“, so Scholz.

Kinderreiche Familien haben kaum noch Chancen zumutbaren, bezahlbaren Wohnraum zu finden

An der Steinstraße in der Nordstadt in ist die Zentrale von Agentur für Arbeit und Jobcenter in Dortmund.
An der Steinstraße in der Nordstadt in ist die Zentrale von Agentur für Arbeit und Jobcenter in Dortmund.

Die weiteren ReferentInne des Abends, Martin Grebe (Mieterverein Dortmund), Elfi Herweg (Wendepunkt im Frauenzentrum Huckarde) und Marco Krieg (Mieter-Initiative Dortmund) brachten neben Familien mit Kindern, wie bei den Vorrednern, einen weiteren immer wieder weniger beachteten Aspekt im Wohnungsmarkt zur Sprache: Behinderte (im Englischen viel besser: „Challenged People“) und Wohnungslose.

In einem angespannten Wohnungsmarkt hätten Familien mit Kindern kaum noch eine Chance, zumutbaren, bewohnbaren und bezahlbaren Wohnraum zu finden. Auch wenn dies kein neues Problem ist, so hat sich die Lage in den letzten Jahren zunehmend verschärft. Dieses gelte ganz besonders für Alleinerziehende betont Herweg. „Das Jobcenter hat dick und fett seinen Namen auf den Mietbescheinigungen stehen, das ist besonders Heute diskriminierend“, sagt Herweg bewegt. „Hier muss Abhilfe geschaffen werden!“

Kinderreiche Familien, zusätzlich vielleicht noch mit geringem Einkommen, oder auf Transferleistungen angewiesen, würden vielfach schlicht abgewiesen. Genauso würden Wohnungslose, resozialisierte, ehemalige Kriminelle und Behinderte nicht als Mieter akzeptiert. Wie auch solche, die sich aus einer Betreuung (Wohnheim) heraus im Markt um eine Wohnung bewerben.

MieterInnen sind für Kapitalgesellschaften nur Mittel zur Renditeerzielung

Wohnraum sei im Zuge des in den späten 1990er Jahren eingeführten Neoliberalismus zur reinen Ware verkommen, die nun den Gesetzen des freien Marktes unterlägen.

„Wenn mehr gebaut wird, werden sich auch die Mieten verbilligen“, wird immer wieder von Vertretern der Wohnungswirtschaft postuliert. „Warum müssen aber Renditen von acht und mehr Prozent erzielt werden? Wobei weniger in der Nullzinsphase schon ausreichen würden?“, stellt Reiter provozierend dar.

Kommentar

Im Haifischbecken des frühkapitalistischen Neoliberalismus

Fakt ist, das Investoren und zumeist börsennotierte Wohnungsgesellschaften in hochwertige und Luxusimmobilien (Betongold) investieren. Die auf Adam Smith zurückgehende Idee, dass der freie Markt alles regelt, durch die von ihm propagierte „unsichtbare Hand“, die es nicht gab oder je geben wird, funktioniert nicht. Der aktuelle Wohnungsmarkt ist den freien Kräften des neoliberalen Investitionskapitals ausgesetzt, das die sozialen Komponenten auf der Suche nach größtmöglichen Renditen außer Acht lässt.

2018 steht dem sozialen Wohnungsbau für Neubauten und Sanierungen 30 Millionen Euro zur Verfügung. Foto: NSB-Archiv
2018 steht dem sozialen Wohnungsbau für Neubauten und Sanierungen 30 Millionen Euro zur Verfügung.

Bis Mitte der 1980er Jahre hatte sich der Wohnungsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland stabilisiert. Der Wiederaufbau von Wohnraum nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg war abgeschlossen, wie auch der Zuzug, mit dem notwendigen Wohnraum, von ausländischen Arbeitskräften gedeckt worden war. Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten kam es zu einer neuerlichen Verknappung im Wohnungsmarkt.

Jeder der Beteiligten im Wohnungsmarkt waren einhellig der Meinung, dass es keinen weiteren Sozial-Wohungsbau mehr bedürfe, weil sich die Wirtschaftslage und die zukünftige Entwicklung sich dieser erübrige. Man fuhr die Förderungen massiv zurück. Man ließ sich auch nicht durch kurzfristige Spitzen nach dem Mauerfall beirren und segelte mit vollen Segeln in das Haifischbecken des Neoliberalismus. Die Soziale Marktwirtschaft wurde gegen die freien Kräfte des Marktes, was mehr dem des Frühkapitalismus ähnelt, ausgetauscht.

In diesem Markt hat das Kapital das Sagen und soziale Standards werden vergessen zum Wohle von Quartals-Denken im Shareholder Value Sinn. Kapital hat keine sozial-ethischen Normen. Sozial Schwache fallen dabei hinten rüber und haben immer weniger Chancen zur Teilhabe am Markt und dem allgemeinen Sozialleben.

Die aktuelle Wohnraumverknappung ist dabei dem zyklischen Marktverhalten und bei Nullzinsen dem Rendite suchenden Kapital geschuldet. Luxussanierungen, am Bedarf der Mieter vorbei, Luxuswohnungen anstelle von sozial verträglichem Wohnraum bedienen nur einen Teilmarkt nicht aber den gesamten Markt. Was benötigt wird sind Investoren mit sozialer Verantwortung. Jeder „Goldene Löffel“ kommt mit Bedingungen – soziale Verantwortung.  

Gerd Wüsthoff

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