9 statt 3,7 Millionen Euro: Das integrative Vorhaben wird immer teurer

Einblicke und Ausblicke auf den künftigen „Heimathafen“ in der Nordstadt

Beim Heimathafen gibt es baulich viele Probleme. Foto: Alex Völkel
Beim Heimathafen gibt es baulich viele Probleme – der BDA hatte zu einer Veranstaltung geladen. Fotos (6): Alex Völkel

Der Umbau der Speicherstraße ist in vollem Gange – und auch im künftigen „Heimathafen“ nimmt der Umbau Gestalt an. Lange war es still um das Vorhaben – das lag allerdings mehr an den schwierigen baulichen Rahmenbedingungen. Der Bund deutscher Architekt*innen (BDA)  – der das Projekt angestoßen hat und auch mit der Durchführung befasst ist – gab jetzt Einblicke in Vorhaben und Planungsstand. 

Frühstens Ende 2022 wird der „Heimathafen“ in der Speicherstraße fertig

Ziel war der Erhalt der historischen Gebäude und die Überführung in eine neue Nutzung. Das alte Lagerhaus soll in ein ganzheitliches, integratives Beratungs- und Bildungshaus umgebaut werden. Das alte Gebäude an der Speicherstraße 15 – früher Sitz eines Kolonialwarenhandels – stand lange Zeit leer. 

Ab Ende 2022, so die derzeitige Zeitplanung, sollen es Menschen aus aller Welt mit Leben füllen: Als „Heimathafen Nordstadt“ wird es ein ganzheitliches, integratives Beratungs- und Bildungshaus und somit zu einer zentralen Anlaufstelle für Zugewanderte, Flüchtlinge und Menschen aus der dicht besiedelten Nordstadt. Projektverantwortlich ist die Stadt Dortmund Projektträger die Stiftung Soziale Stadt und die GrünBau gGmbH.

Der „Heimathafen“, den der BDA zusammen mit der Stadt und der Stiftung Soziale Stadt ehrenamtlich entwickelte und plante, zündete als Initial für ein neues buntes Quartier am Ende des Dortmund-Ems-Kanals. Der Backsteinbau mit altem Pferdestall und originellem Dachstuhl wird künftig multifunktional nutzbar sein.

Von Ausbildungsgastronomie über Sprach- und Integrationskurse bis zur Pop School

„Hafen für Alle“ - beim Heimathafen ist das gegeben: Es ist ein inklusives und gemeinwohlorientiertes Projekt. Foto: Alex Völkel
„Hafen für Alle“ – beim Heimathafen ist das gegeben: Es ist ein inklusives und gemeinwohlorientiertes Projekt.

Neben speziellen Förderangeboten (z. B. Sprach- und Integrationskursen, Jobcoaching, Beratung oder Musikunterricht) gibt es auch offene Begegnungsräume und kulturelle Angebote für Angehörige aller Nationalitäten. Alle Aktivitäten verfolgen gemeinnützige Zwecke und werden von gemeinwohlorientierten Trägern angeboten. 

Schon während der Bauphase und später im Betrieb unter anderem mit einer Lerngastronomie sind neue Beschäftigungsangebote für Langzeitarbeitslose zentraler Bestandteil des Projekts. Der Keller soll später von Bands der Pop School gerockt werden, die multifunktionalen Räume im Erdgeschoss sollen auch für Konzerte genutzt werden können, berichtet Andreas Koch, Vorstand der Stiftung Soziale Stadt und Geschäftsführer von Grünbau.

Doch mit baulichen Fortschritten mussten sich die Beteiligten vor allem mit immer größeren Schwierigkeiten und damit verbundenen Kostensteigerungen auseinandersetzen. Schon in der Planungsphase stiegen die Kosten auf fast sechs Millionen Euro – ursprünglich hatte der Rat grünes Licht zu den geplanten 3,7 Millionen Euro gegeben, die zu 90 Prozent von EU, Bund und Land refinanziert werden. Die Stadt muss „nur“ zehn Prozent Eigenanteil erbringen. 

Die Kosten sind von 3,7 auf aktuell rund neun Millionen Euro angestiegen

Noch liegt der Gebäudekomplex des „Heimathafens“ in Dornröschenschlaf. Das soll sich bald ändern.
Der „Heimathafen“ ist eine riesige Baustelle. (Archivbild)

Mittlerweile liegen die Kosten bei fast neun Millionen Euro, räumt Susanne Linnebach, Leiterin des Amtes für Stadterneuerung, bei der Veranstaltung in der Speicherstraße ein. Einhelliger Tenor aller Beteiligten: Eigentlich war es gut, dass man die Herausforderungen und Probleme vorher nicht hatte absehen können – dann wäre das Gebäude wahrscheinlich dem Abrissbagger anheim gefallen.

Denn ursprünglich sahen die Planungen vor, die gesamte Südseite der südlichen Speicherstraße abzuräumen und Neubauten zu errichten, erinnerte Architekt Björn Schreiter.

Doch im Rahmen des Beteiligungsprojektes IDEE Nordstadt brachte der BDA den Erhalt des historischen Gebäudes ins Spiel. Ein „ehrgeiziges wie herausforderndes Projekt“, wie Marcus Patrias und Gunnar Ramsfjel vom BDA einräumen. 

So wurde  – zumindest zeitlich – das einstige „Pionierprojekt“ von anderen Baustellen und Neubauten überholt. Doch dem großen Stadtumbau-Projekt bleibt ein historisches Gebäude erhalten. Es wird zwischen den ambitionierten Neubauten – direkt nebenan wird die neue Akademie für Digitalität und Theater entstehen – den „alten Hafencharme“ verströmen. 

„Gegenpol zur Luxussanierung“ – doch viel Historisches wird nicht bleiben

Talkten: (v.l.) Marcus Patrias (BDA), Projektleiterin Georgis Rexin, Architekt Gunnar Ramsfjell (BDA), Simone Melenk (BDA), Architekt Björn Schreiter (BDA), Susanne Linnebach (Leiterin Amt für Stadterneuerung) und Andreas Koch (Stiftung Soziale Stadt und Geschäftsführer der GrünBau gGmbh).
(v.l.) Marcus Patrias (BDA), Georgis Rexin, Gunnar Ramsfjell (BDA), Simone Melenk (BDA), Björn Schreiter (BDA), Susanne Linnebach (Stadterneuerung) und Andreas Koch (Stiftung Soziale Stadt und GrünBau).

Doch so wirklich viel altes wird nicht übrig bleiben können. Es werde einen „Gegenpol zur Luxussanierung“ bilden, so Schreiter – wobei das umgebaute Gebäude künftig auch Neubaustandard aufweisen wird. Vieles muss aufwändig erneuert werden, weil die Bausubstanz des um 1900 errichteten Gebäudes viel schlechter war als zunächst erhofft bzw. erwartet.

Ein großes Problem: Das alte Gebäude steht mit den Füßen im Wasser. Würde man bei einem Neubau eine Wanne einsetzen, geht dies bei einem Bestandgsebäude nicht. Entsprechend aufwändig muss die Abdichtung in den Innenräumen sein, macht Bauleiterin Georgis Rexin deutlich.

Auch der Vorläufer der heute üblichen Stahlbeton-Konstruktion hat das Jahrhundert nicht gut überstanden. Tragende Teile in den Wänden und Decken müssen erneuert werden, was die Kosten ebenfalls stark nach oben treibt. Zumindest die Fassade mit den markanten roten Backsteinen am Kutschenhaus soll erhalten bleiben.

Eine kleine Freiluft-Fotoausstellung ist noch länger am Bauzaun zu sehen

Nordstadtblogger Klaus Hartmann wirkte an der Ausstellung mit. Foto: Alex Völkel
Klaus Hartmann wirkte an der Ausstellung mit.

Wie das Gebäude einst aussah und wie derzeit, davon konnten sich die 30 Gäste bei der Corona-konformen Veranstaltung auf der Straße vor dem künftigen Heimathafen ein Bild machen. Eine Besichtigung der Baustelle war nicht möglich.  

Doch auch im Nachgang lohnt ein Besuch der (Freiluft-)Ausstellung mit Bildern am Bauzaun – die fotografischen Stillleben von Architekt Björn Schreiter und Fotograf und Nordstadtblogger Klaus Hartmann sowie die historischen Postkarten aus der Sammlung von Nordstadtblogger Klaus Winter bleiben noch bis Mitte Juli hängen. 

Unterstütze uns auf Steady
Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. Dorian Marius Vornweg

    Für rund 9 Millionen Euro hätte sich sicherlich auch ein ansehnlicher Neubau für die künftigen Nutzungen des Heimathafens realisieren lassen. Soviel Geld offenbar aus reiner Liebhaberei in einem mittelprächtigen Haufen baufälliger Steine zu versenken kann allerdings durchaus als ein starkes Stück bezeichnet werden. Die Projektbeteiligten leisten sich diesen Luxus eines „Gegenpols zur Luxussanierung“ aber augenscheinlich bereitwillig und gerne – womöglich halten sie ja irgendwo auf einem idyllischen, hoffentlich Demeter-zertifizierten Bauernhof einen Dukatenesel versteckt.

  2. AndiDO

    Reißt mans ab kommen wieder die anderen Wutbürger aus ihren Löchern und jammern was von historischer Substanz die ständig zerstört wird.

    Wie mans macht, für den Wutbürger ist sowieso alles falsch.

  3. DEWFan

    @AndiDO: exakt so ist es! Wobei auch ich eher zu den „Wutbürgern“ gehöre, die Abrisse historischer Gebäude beklagen, die man hätte noch schön renovieren oder wenigstens entkernen können. Das wir in Dortmund nicht mehr das älteste steinernde Rathaus Deutschlands besitzen oder die Bochumer Innenstadt eine Dystopie für alle Nicht-Autofaher darstellt, ist genau dieser Abreißeritis im Nachkriegs-Ruhrgebiet zuzuschreiben.

    Ihr Vorkommentierer #1 belegt genau dieses Problem der Ruhrpott-Mentalität: der Ruhri kennt von allem den Preis und von nichts den wert 😉

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert