Der langjährige Quartiersmanager stirbt nach schwerer Krankheit

Nachruf auf Martin Gansau: Er lebte und liebte die Nordstadt – und wird ihr genau so fehlen

Obwohl er kein Nordstädter war, war er eines ihrer bekanntesten Gesichter. Quartiersmanager Martin Gansau ist gestorben.
Obwohl er kein Nordstädter war, war er eines ihrer bekanntesten Gesichter. Quartiersmanager Martin Gansau ist gestorben. Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Martin Gansau kannte die Nordstadt wie kein anderer – fast 30 Jahre lang war er hier aktiv und für Menschen und Projekte im Einsatz. Seine ruhige, besonnene und bescheidene Art, gepaart mit enormem Wissen, war eine Bereicherung für alle. Er wird fehlen und zugleich hinterlässt er so viel.

Immer im Einsatz für die Menschen und ihre Anliegen

Über 20 Jahre war Martin Gansau für das Quartiersmanagement Nordstadt im Einsatz und bereits zuvor in verschiedenen Projekten und Vereinen in der Nordstadt aktiv. Im Juni 2023 verstarb er nach schwerer Krankheit im Alter von nur 59 Jahren.

Er war der Moderator für viele Veränderungsprozesse im Dortmunder Norden.
Er war der Moderator für viele Veränderungsprozesse im Dortmunder Norden.

Mit ihm verliert die Nordstadt einen steten Mitstreiter für die Menschen und ihre Belange in den drei Quartieren – und einen Fachmann, dessen Wissen weit über die Nordstadt hinaus gefragt war. Für viele war er das Gesicht des Quartiersmanagements, die Person, die immer einen Rat und eine Lösung hatte, die neue Impulse setzte, aber auch einfach nur zuhören konnte.

Es fällt schwer, alle Tätigkeiten von Martin Gansau aus den letzten drei Jahrzehnten zusammen zu fassen und zu würdigen. Zwei langjährige Mitstreiter und Begleiter seiner Arbeit haben dankenswerter Weise in den folgenden Zeilen gemeinsame Erinnerungen und Tätigkeiten formuliert. Pfarrer Friedrich Laker von der Ev. Lydia Gemeinde und Veit Hohfeld, Geschäftsführer Stadtteil-Schule e.V.

Solidarische Nachbarschaft und Jugendarbeit „Rund um den Hannibal“

Pfarrer Friedrich Laker (Ev. Lydia Gemeinde) erinnert sich an die Zeit von Mai 1995 bis Sommer 2002: „Martin arbeitete seit 1995 in der Nordstadt. Er war Diplompädagoge und zunächst bei der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen tätig. An diese zweijährige Maßnahme zur Verhinderung von Gewalt an Schulen schloss sich für ihn die Projektarbeit „Solidarische Nachbarschaft und Wohnumfeldverbesserung“ beim Verein „Rund um Hannibal und Heroldstraße“ an.

Ungewöhnliche Ruhe – Martin auf einem Ausflug.

Der Verein hatte sich 1996 gegründet und suchte einen Projektleiter. Martin stellte sich als ein absoluter Glücksfall heraus. Er hatte Erfahrung mit Jugendlichen aus Armutsverhältnissen, die im „schwierigen Umfeld“ lebten.

Am Hannibal-Wohnkomplex nahmen damals Vandalismus und Gewalterfahrungen unter Jugendlichen spürbar zu. Ein 1995 gegründeter Gesprächskreis mit der Schulleiterin der Grundschule Kleine Kielstraße, Sozialarbeiter:innen, katholischem und evangelischem Pfarrer sowie einem engagierten Geschäftsführer der LEG erkannte, dass die Jugendlichen einen guten Ort für Freizeitaktivitäten brauchten und gründete den Verein, in den Martin mit Leidenschaft und Herz in seine Arbeit für die Jugendlichen einstieg.

„Seine Ruhe, seine große Geduld und sein Weitblick haben mich beeindruckt“

Beeindruckend fand ich immer die Ruhe, die er ausstrahlte, seine große Geduld, den Überblick und Weitblick in der Führung von Mitarbeitenden sowie seine beeindruckende Teamfähigkeit. Der Verein konnte sich nichts Besseres wünschen. Als Vorstand konnten wir uns meist auf repräsentative Aufgaben konzentrieren.

Das Alltagsgeschäft leistete Martin mit allen anderen Mitarbeiter:innen. Es war ein großes Wagnis (und viele hielten uns damals für verrückt) einen Jugendtreff mitten im Hannibal-Komplex zu eröffnen. Einige prophezeiten, dass das nicht lange gut gehe und zu dauerhaften Konflikten führe.

Tatsächlich gab es auch schwierige Phasen mit Drogengebrauch und Gewalterfahrungen. Diese hielten aber nicht lange an. Mehr und mehr wurde der Jugendtreff zu einem Aushängeschild und Vorbild für viele andere Jugendeinrichtungen in Dortmund.

„Martin hatte stets den Blick für den einzelnen Jugendlichen und gab keinen auf“

Dabei hatte Martin immer den Blick für den einzelnen Jugendlichen und gab keinen auf, so mühsam es war. Oftmals war er selbst dabei, diese persönlich zu betreuen, Hausaufgabenhilfe zu leisten, sie zu beraten und auf Ämter zu begleiten. Dass der Verein schon bald Auszeichnungen auch vom Land NRW erhielt, war vor allem sein Verdienst.

Ein leiser Lautsprecher für die Nordstadt...
Ein leiser Lautsprecher für die Nordstadt…

Als Said Boujakoub die Fußballmannschaft TUS Hannibal gründen konnte, war das ebenso wesentlich der geduldigen Unterstützung und seiner empathischen Unterstützung zu verdanken. Said selbst war als Jugendlicher im Jugendtreff des Vereins „groß“ geworden.

Bei einer anderen Problematik, der Straßenprostitution in der Nordstadt, gab es hoch spannende Nachbarschaftsabende, auf denen sich die aggressive Stimmung änderte, als der Verein die Prostituierten selbst mit einlud und in Gesprächen zusammen nach einer gemeinsamen Lösung gesucht wurde. Martin stellte sich hier als sehr geduldiger und besonnener Moderator heraus. Eben in vielfacher Hinsicht ein Glücksfall für den Verein. Ich kann mich an keinen ernsthaften Konflikt mit ihm erinnern. Bei Meinungsverschiedenheiten blieb Martin immer absolut fair.

Für das Quartiersmanagement schickten wir unser „bestes Pferd“ ins Rennen

Im Sommer 2002 wurde dann das Quartiersmanagement Nordstadt ins Leben gerufen. Durch die bis dahin bereits sehr bekannte und vorbildliche Arbeit des Vereins war es keine Überraschung, dass ihm als einer von zwei Vereinen im Bezirk Nordmarkt die Verantwortung für die Trägerschaft übergeben wurde.

Immer ansprechbar und Mittler zwischen Politik, verwaltung, Behörden und Bewohner:innen.
Immer ansprechbar und Mittler zwischen Politik, Verwaltung, Behörden und Bewohner:innen.

Selbstverständlich schickte der Verein sein bestes „Pferd“ in dieses Rennen: Martin. Er wurde einer der fünf ersten Quartiersmanager. Und er war derjenige, der am längsten dabei blieb und schließlich auch hier eine leitende Funktion übernahm. Auch dies hatte seinen Grund.

Mir bleiben viele sehr gute Erinnerungen an einen engagierten Mitstreiter für bessere Wohn- und Lebensbedingungen der Bewohner:innen der Nordstadt, vor allem aber der Jugendlichen, für die Martins Herz besonders schlug. Danke, Martin!“

Neue Dynamik für die Nordstadt prägt auch das eigene Leben

Die Arbeit des Quartiersmanagements brachte eine neue Dynamik in die Nordstadt – und somit auch ins Leben von Martin Gansau. Er sollte nun mehr denn je zu einem der zentralen Denker und Lenker des Stadtteils werden. Veit Hohfeld (Geschäftsführer Stadtteil-Schule e.V.) erinnert sich an die Zeit von 2002 bis 2023:

Martin Gansau war das bekannteste Gesicht und das Herz des Quartiersmangement.
Martin Gansau war das bekannteste Gesicht und das Herz des Quartiersmangements (Bild von 2014).

„Von 2002 bis 2010 war Martin Gansau als Quartiersmanager im Quartier Nordmarkt aktiv. Aus den damaligen Mitteln für Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf wurden die drei Quartiere Hafen, Nordmarkt und Borsigplatz in unterschiedlichen Trägerkonstellationen mit Quartiersmanager:innen beauftragt, die Wohn- und Lebenssituation der Nordstadtbewohner:innen zu verbessern. Auch hier erwies sich Martin, der als gelernter Diplom-Pädagoge in eine andere Rolle schlüpfte, als Glücksgriff.

Als im Jahr 2010 das Quartiersmanagement als Ganzes ausgeschrieben wurde und in die Trägerschaft des Sozialen Zentrums und der Stadtteil-Schule fiel, war es keine Frage, wer die Leitung über die drei Quartiere übernahm. Als mittlerweile „alter Hase“ war Martin immer ein zuverlässiger Ansprechpartner im Bereich der Quartiersarbeit und engagierte sich sowohl bei seinem neuen Arbeitgeber als auch in der Vereinsarbeit.

Ein alter Hase macht das Herz für die Nordstadt zur Marke

2012 hatte das Quartiersmanagement (QM) aus Mitteln der Stadterneuerung den Auftrag das Image der Nordstadt aufzubessern. Aus dieser Initiative heraus entstand das uns allen sehr bekannte Nordstadt-Herz. Impulsgeber für dieses außergewöhnliche Branding war Martin, der mit vollem Einsatz die Kampagne unterstützte. Sehr gern erinnere ich mich an die Produktion der Ausstellung und des Buches „Wir Echt Nordstadt“ – 106 Gruppenportraits von Menschen, die in irgendeiner Form etwas mit der Nordstadt zu tun haben.

„Echt Nordstadt“ - das Herz war „sein“ Ding und machte es zur Marke...
„Echt Nordstadt“ – das Herz war „sein“ Ding und machte es zur Marke…

Gemeinsam mit der damaligen Kollegin Heike Schulz (heute Heike Junk) entwickelte Martin die Idee und das Konzept für dieses Projekt, Heike: „Martin hat nicht nur die Nordstadt stets mit allem, was er hatte, gestärkt, sondern auch die Menschen um ihn herum. Er war ein einzigartiger Kollege und Büroleiter, dem ich persönlich viel zu verdanken habe.“

Das noch junge Team des Quartiersmanagements führte Martin als Leitungskraft mit ruhiger Hand, besonnen und mit sehr großem Sachverstand auch durch unruhige Zeiten. Die nicht immer sichere Weiterbeschäftigung nahm Martin als besondere Herausforderung an und entwickelte gemeinsam mit dem Team neue Ideen.

Auf Martin Gansau konnte man sich stets verlassen

Als sich die Trägerschaft des QM im Jahr 2015 änderte, das Planungsbüro StadtRaumKonzept war neuer Partner der Stadtteil-Schule, veränderte sich auch die Aufgabenstellung der Kolleginnen und Kollegen.

Martin Gansau war auch einer Motoren des Buchprojekts, welches die Stadtteilschule mit Nordstadtblogger auf den Weg brachte.
Martin Gansau war auch einer Motoren des Buchprojekts, welches die Stadtteilschule mit Nordstadtblogger auf den Weg brachte.

Martin nahm auch in der neuen Konstellation seine Führungsrolle an und managte das Quartiersmanagement in gewohnter Weise sehr souverän. Wenn er auf der Bühne stand, bereitet es mir immer viel Vergnügen, ihm in seiner unaufgeregten Art zuzuschauen und seinen souverän vorgetragenen Ausführungen zuzuhören.

Immer wenn es von meiner Seite aus Fragen zu inhaltlichen oder organisatorischen Angelegenheiten gab, bekam ich von den Kolleg:innen zu hören: „Frag Martin, der weiß das“. Auf Martin konnte ich mich stets verlassen, oft war er mir Ratgeber auch außerhalb des Quartiersmanagements. Mit seinem Fokus auf die Menschen, seinen Impulsen für den Verein Stadtteil-Schule e.V. werde ich ihn sehr vermissen.“

Seine Impulse leben durch die Projekte und in den Herzen der Menschen weiter

Nicht nur Friedrich Laker, Veit Hohfeld, das Team vom Quartiersmanagement und die Nordstadtblogger-Redaktion – viele, viele weitere Menschen werden Martin Gansau ebenfalls vermissen – als Kollegen, als Freund, als Menschen.

Seine ruhige besonnene Art, seine Offenheit für die Probleme und Belange anderer werden fehlen, genauso wie seine Impulse und Ideen für die Nordstadt. Aber in den Projekten, den Menschen und ihren Herzen wie Gedanken wird er weiter leben. Er war Echt Nordstadt. Danke, Martin Gansau.

Redaktionelle Mitarbeit: Didi Stahlschmidt

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Reaktionen

  1. Ingo St.

    So habe ich ihn auch kennen und schätzen gelernt.
    Die Projektidee des Vereins rund um Hannibal und Heroldstraße wurde gerne aus Düsseldorf und Dortmund finanziert. Das Stadtteilprojekt war der Prototyp der sozialen Stadterneuerung aus dem Stadtteil heraus mit Unterstützung der Hauptamtlichen mit ihren institutionellen Aufgaben.
    5 Jahre Anschub und Verstetigung bis heute inkl. seiner Anpassungen.

  2. Antje P.

    Mit Bestürzen habe ich erst heute erfahren, dass Martin verstorben ist. Ein guter Geist, den ich kennenlernen durfte, der in der Nordstadt mit Ruhe, Besonnenheit und immer mit Herz so viel geschaffen und organisiert hat. Ich habe viele Jahre gerne mit ihm zusammen gearbeitet. Ich wünsche der Familie viel Kraft und alles Gute.

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