Zunehmend immobil, weil arm: erneute Preiserhöhungen des VRR stoßen beim „Bündnis Sozialticket NRW“ auf klare Kritik

Mehr ÖPNV: GrundleistungsbezieherInnen wären gerne dabei – aber die Preise stimmen nicht. Foto: Klaus Hartmann
ÖPNV: BezieherInnen von Grundleistungen wären vermutlich liebend gern dabei – aber die Preise stimmen nicht. Foto: Klaus Hartmann

Mit Jahresbeginn hat der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) die Preise für seine Tickets im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) um durchschnittlich 1,9 Prozent angehoben; betroffen ist damit auch Dortmund über DSW21. Insbesondere der Anstieg beim vom Land rabattierten Nahverkehr für ein sog. SozialTicket um „nur“ 85 Cent auf monatlich 38,65 Euro stößt auf erhebliche Kritik. Denn der (nicht einmal schöne) Schein dieser wenigen Zahlen trügt. Es geht um viel mehr.

Sinkender Anteil der Anspruchsberechtigten nutzt Sozialticket – gegenwärtig sind es nur gut elf Prozent

In Dortmund gibt es 16.600 anspruchsberechtigte KundInnen, die das rabattierte (und auf die Kommune beschränkte) Nahverkehrsticket nutzen, Tendenz fallend. Im gesamten VRR waren es bis September 2018 mit rund 153.000 BesitzerInnen eines SozialTickets im Vergleich zum Vorjahr 8,6 Prozent weniger – was einen Einnahmeverlust von ca. 2 Millionen Euro nach sich zieht.

Begrenzte Mobilität für Einkommensschwache: der VRR Gesamtraum ist mit dem SozialTicket allein unerreichbar
Begrenzte Mobilität für Einkommensschwache: der VRR-Gesamtraum ist mit dem SozialTicket allein unerreichbar. Quelle: DSW21

Und, noch viel wichtiger: die aktuelle Nutzerquote entspricht lediglich einem Anteil von 11,3 Prozent des anspruchsberechtigten Personenkreises.

Dies bedeutet: nur ein kleiner Teil der BezieherInnen von Transferleistungen vom Jobcenter oder Sozialamt nutzt die Möglichkeiten, die das SozialTicket zweifellos bietet: mobiler zu sein und auf diese Weise die Chancen zur sozialen Teilhabe zu erhöhen. Was DSW21 aber nicht weiter zu beunruhigen scheint.

Von deren Seite hieß es in einer Pressemitteilung, die Erhöhung der Fahrpreise begründe sich neben „den gestiegenen Betriebsaufwendungen der Verkehrsunternehmen“ unter anderem mit „zusätzlichen Belastungen aus dem Tarifabschluss des Öffentlichen Dienstes“; sprich: Mitschuld der Gewerkschaften. An der daraus resultierenden allgemeinen Preisentwicklung, wird lapidar mitgeteilt, würden auch die SozialTicket-Kunden beteiligt.

Kosten für Ticket-Berechtigte sollen in Grundsicherung veranschlagte Ausgaben für „Verkehr“ nicht übersteigen

Widerstand regt sich vom Dortmunder Sozialforum und vom „Bündnis Sozialticket NRW“. Der Anfang letzten Jahres mit dem Ziel gegründete Zusammenschluss, u.a. Kürzungen von Landesmitteln für das Ticket zu verhindern, fordert, dass ein SozialTicket unter keinen Umständen mehr kosten dürfe, als bei der Zusammensetzung der Regelbedarfe an Ausgaben für „Verkehr“ für die Nutzung des ÖPNV vorgesehen sind.

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Mit 38,65 Euro sind Sie dabei – für einen Monat und nicht über die Grenzen der Stadt hinaus.
Für 38,65 Euro – einen Monat ÖPNV; und bitte nicht über die Grenzen der Stadt hinaus verirren

Das sind im Jahr 2019 für die Betroffenen ganze 27,85 Euro monatlich – errechnet zudem in nicht unbestrittener Manier mit Stichproben zum allgemeinen Konsumverhalten, aus dem anteilsmäßig spezielle Ausgaben – hier für Verkehr – isoliert wurden und daher jeweils prozentual zum Insgesamt des Regelbedarfs für LeistungsbezieherInnen von ALG II dargestellt werden können.

Dieser angebliche „Bedarf“ muss jenes Güterensemble repräsentieren, das ein Mensch benötigt, damit etwa Art. 2 des Grundgesetzes – das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, Leben und körperliche Unversehrtheit – gewahrt bleibt. Er beträgt seit dem 1. Januar dieses Jahres 424 Euro für Alleinstehende und bezeichnet nach Auffassung der bundesrepublikanischen Eliten jene Summe, mit der ein menschenwürdiges Leben geführt werden kann.

Wollen Einkommensschwache mobil bleiben, müssen sie bei lebensnotwendigen Ausgaben sparen

Enwicklung der Regelsätze für Grundleistungen nach Hartz IV von ihrer Erfindung bis heute. Quelle: Wiki
Enwicklung der Regelsätze für Grundleistungen nach Hartz IV von ihrer Erfindung bis heute. Quelle: Wiki

Wenn nun aber das neue SozialTicket seit dem 1. Januar 38,65 Euro kostet, bedeutet dies nichts anderes, als dass einkommensschwache Menschen einen überproportional großen Teil der ihnen sowieso nur knapp zur Verfügung stehenden Mittel für die Erhaltung von Mobilität ausgeben müssten – was wiederum heißt: es fehlte etwas für lebensnotwendige Ausgaben an anderen Stellen.

Aber dies ist nur ein kleiner Ausschnitt eines komplexeren Problemzusammenhangs. Das „Bündnis Sozialticket NRW“ verweist darauf, dass die jetzige Preiserhöhung die sechste innerhalb von fünf Jahren darstelle. Bis zum 31. Dezember 2014 kostete das Ticket 29,90 Euro; von da ab stieg der Preis sukzessive auf die seit ein paar Tagen geforderten gut 38 Euro – erhöhte sich folglich in dieser Zeit um sage und schreibe 29,3 Prozent. D.h.: das SozialTicket wurde in fünf Jahren – gerechnet ab Januar 2014 um knapp 1/3 teurer.

Das sind wenige Fakten, nur ein Segment, sich im Weiteren allerdings nicht wirklich besser darstellend. Es wird vielmehr noch schlimmer. Denn im gleichen Zeitraum stieg zwar auch der Hartz IV-Regelbedarf an: von 391 Euro beim Eckregelsatz (Alleinstehende) im Jahr 2014 auf „satte“ 424 Euro seit dem 1. Januar dieses Jahres – gegenüber dem Vorjahr immerhin ein Mehr von 8 Euro.

2014-2019: infaltionsbereinigtes Einkommen durch Hartz-IV sinkt vermutlich – Pauperismus verfestigt sich

Das heißt aber, gerechnet auf den gleichen Zeitraum von fünf Jahren zwischen 2014 und 2019: es gab eine nominelle Erhöhung der Bezüge insgesamt für Hartz-IV-BezieherInnen von lediglich 8,4 Prozent. Inflationsbereinigt bedeutet dies nach den vorliegenden Daten seit 2014 und mit Prognose einer Inflationsrate von 2 Prozent für die Bundesrepublik in 2019, dass diese Anhebung der Hartz-4-Sätze vom Kaufkraftverlust satt geschluckt werden wird.

Mit anderen Worten: währenddessen bundesdeutsche Unternehmen im betrachteten Zeitraum von 2014-2019 bekanntlich Rekordumsätze und -gewinne einfuhren, wurde jenen Menschen, die auf Hartz-IV angewiesen waren, von der großen Koalition wegen eines fehlenden politischen Willens zur Solidarität dringend benötigte Einkommensquellen faktisch gekürzt.

Dergestalt verdeutlichen eine Reihe von Kennziffern (etwa zur steigenden Anzahl von Wohnungslosen) eine unübersehbare, kaum mehr zu beschönigende Tendenz in diesem Land: Arme werden immer ärmer – ein sich vertiefender Pauperismus macht sich breit: ökonomisch wie sozial, vielfach leider auch kulturell, siehe Rechtspopulismus.

Mit dem Sieg des Neoliberalismus entsteht der leise Verdacht, dass Armut politisch gewollt ist

Zum Welttag der Armut am 17. Oktober 2014 halten Aktive der Dortmunder Kana-Suppenküche am Europabrunnen auf der Kleppingstrasse eine Mahnwache. Sie machen mit ihrer Aktion auch auf die Situation der Wohnungslosen in Dortmund aufmerksam.
Keine umwerfend neue Idee: Armut und Reichtum bedingen einander: zum Welttag der Armut 2014 – Mahnwache von AktivistInnen der Dortmunder Kana-Suppenküche am Europabrunnen.

Nüchterner formuliert: bei einer sozialstaatlichen Politik im Bereich der Grundsicherung, deren regulative Bestimmungen sich neben periodisch auftretenden, haushaltspolitisch motivierten Kürzungen vor allem durch arbeitsmarkt- und lohnpolitischen Disziplinierungseifer auszeichnen – für eine solche Politik ist die Festlegung von Regelsätzen für Hartz-IV-BeansprucherInnen allein Mittel zu diesem ihren Zweck: zugunsten eines Wirtschaftsstandortes, dessen Blüte an so vielen Menschen achtlos vorüberzieht.

Da geht es nicht mehr um Daseinsvorsorge oder gar um ein Leben in Würde; der Pauperismus – die generationenübergreifende, quasi nachhaltige Ausgrenzung deprivilegierter Schichten mit Vererbbarkeitsgarantie – wird nicht einmal mehr nur billigend in Kauf genommen – sondern erscheint zunehmend gewollt. Warum?

Um zu zeigen, wer teilt und herrscht: die unsichtbare Hand Gottes, der Markt – und wer auf ihm ggf. verliert, ist da kein Gehorsam gegenüber seinen sozialdarwinistischen Regeln – Seit dem Zusammenbruch des „real existierenden Sozialismus“ braucht sich der Neoliberalismus nicht mehr hinter sozialstaatlichen Phraseologien oder (zuweilen auch) Taten zu verstecken, sondern schafft siegesgewiss über entbändigte Marktmechanismen unheilvolle Fakten.

Raumbarrieren durch teure Mobilität verhindern Entfaltung von Persönlichkeit und erhöhen Verarmungsrisiken

Währenddessen liberale Linke und Humanismus freundlich die Reste des neoliberalistisch bis sozialdarwinistischen Treibens aufkehren und sich mit viel Engagement und Ehrenamt um den gefährdeten gesellschaftlichen Zusammenhalt bekümmern.

Was hat das mit den Fahrpreiserhöhungen der DSW21 für das SozialTicket zu tun? Nun, bei Mobilitätsbedarf und gleichzeitig existierenden Raumbarrieren durch Eingrenzung von Möglichkeiten zur Mobilität für Einkommensschwache erhöht sich das Verarmungsrisiko im weitesten Sinne erheblich. Deren Erscheinungsformen sind vielfältig.

Ob nun durch Haftersatzstrafen wegen wiederholten Schwarzfahrens oder medialer Konsumfixiertheit, weil sich Wege auf jene zwischen Handy und Fernseher verkürzen, genuin soziale Teilhabe dagegen als Begegnung zwischen Menschen aus Fleisch und Blut mit allen einhergehenden Lern- und Erfahrungsprozessen zum Privileg wird. Usf. – Bezahlbare Verkehre für sozial Geschwächte wirkten dem ersichtlich entgegen.

Wenn Infaltionsraten zum Narrativ werden – weil in Lebenswelten andere Erfahrungen gemacht werden

Das VRR-Sozialticket kostet seit dem 01.10.2017 schon 37,80 Euro.
Das VRR-Sozialticket kostet seit dem ersten Januar bereits 38,65 Euro, Ende der Spirale offen. Ein Interesse, Preise zu senken, ist nicht feststellbar, im Gegenteil.

Dass wegen der ständigen Preiserhöhungen im ÖPNV in den letzten Jahren der Absatz von SozialTickets stagniert, überrascht das „Bündnis Sozialticket NRW“ übrigens wenig. Neben dem schlichten und beschämenden Umstand, dass sie immer mehr Menschen aus ärmlichen Verhältnissen ein Ticket für den ÖPNV nicht mehr werden leisten können, drängt sich eine psychologische Erklärung auf.

Wenn Du tagtäglich die Erfahrung machst, dass vieles um Dich herum, was Du benötigst, teurer wird, streichst Du irgendwann Deinen Bedürfnishorizont entnervt zusammen, musst es tun. Was dem Abbau dieses Genervt-Seins nicht unbedingt förderlich ist: auf der Basis von irreführenden Berechnungen mit Bezugnahme auf den berüchtigten, weil schichtenspezifisch dekonstruierbaren „Warenkorb“ oder Verbraucherpreisindex behaupten die politischen Narrative des Systems nämlich, dass die Inflationsrate niedrig sei.

Nur leider widerspricht dies Deinen eigenen Erfahrungen; die Preise für Deine Grundbedürfnismittel – und dazu gehören in einer modernen Gesellschaft auch Institutionen der Mobilität – steigen wie durch Zauberhand viel stärker an. Und Du kommst Dir – wenn sich die Preisschraube für das SozialTicket immer weiter dreht, obwohl diesmal ausnahmsweise nur um besagte 85 Cent – doch sehr veräppelt vor.

Wissenschaftlich fundierte Zweifel daran, wie ein „Regelbedarf“ zur Grundsicherung ermittelt wird

Und war da nicht noch was mit der Umwelt, die durch den ÖPNV geschont werden soll? Warum dessen Nutzung für jene, die wenig haben, also noch erschweren? – Aber damit nicht genug. Etwas fundamentaleres stimmt zudem nicht, und das ist die Bestimmung des sog. Regelbedarfs, auf dessen Grundlage die Hartz-IV-Sätze bestimmt werden.

Die funktioniert genauso wenig „objektiv“ wie bei Zusammenstellung eines vorgeblich repräsentativen „Warenkorbs“ zur Errechnung der „Inflationsrate“, sondern ist vielmehr politisch motiviert. Solche normativen Einschläge werden von einer ganzen Reihe von Studien belegt (s.u.).

So kommen u.a. die Autoren einer Untersuchung im Auftrag der Hans Böckler Stiftung von 2014 zu dem Ergebnis, dass es fundierte Zweifel an der Vereinbarkeit des derzeit gültigen Regelbedarfsermittlungsgesetzes (RBEG) mit den Bestimmungen des Grundgesetzes bzw. entsprechenden Forderungen des Bundesverfassungsgerichtes gibt, wonach Existenzsicherung der Einzelnen gewährleistet sein muss.

„Bündnis Sozialticket NRW“ fordert vom Land Ausweitung der finanziellen Unterstützung

Das Aufstehen gegen Armut ist erlernbar; auch Erwachsene sind dagegen nicht gefeit.
Das Aufstehen gegen Armut ist erlernbar; auch Erwachsene wären dagegen nicht gefeit.

Hartz-IV kann dies offenbar nicht leisten – dennoch leben in der Bundesrepublik Millionen von Menschen gezwungenermaßen in und mit diesem System, durch das – siehe etwa die konstante Langzeitarbeitslosigkeit – ein Lebensstandard verfestigt wird, durch den weder Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht, noch soziale Ausgrenzung verhindert werden kann – im Gegenteil.

Es erhellt sich: bei der aufscheinenden Debatte um die individuell zu tragenden Kosten für das Sozialticket anlässlich einer – für sich genommen – recht moderaten Preissteigerung geht es um viel mehr, nämlich um die sich verbreitende, zur Normalität werdende Armut und um den gesellschaftlichen Umgang mit ihr in einem reichen Land: darum, nicht wegzuschauen, sondern etwas zu tun.

Denn mit der Armut stehen jene Ansprüche zur Disposition, die eine Gesellschaft, will sie tolerant und frei sein, es bleiben, an sich stellen und bewahren muss: nach Solidarität. – Die ist konkret, kann verstehen; wenn etwa das „Bündnis Sozialticket NRW“ daraufhin hinweist: die Mobilitätsbedürfnisse, auch bei Menschen mit geringem Einkommen, endeten nicht an der Stadtgrenze. Daher müsse das Ticket deutlich billiger angeboten werden, um den Erwerb von zumindest einigen Zusatztickets zu ermöglichen.

Und sie ist politisch: denn das wäre ohne ausreichende Hilfe des Landes kaum realisierbar, so das Bündnis. – Kann sich schließlich ärgern, sollte vielleicht auch wütend werden: denn auch im kommenden Jahr solle es bei einem Zuschussrahmen von lediglich 40 Millionen Euro für die Sozialtickets in NRW bleiben – angeblich mit Billigung der großen Verkehrsverbünde.

Weitere Informationen:

  • Ergänzung zur VRR-Drucksache M/IX/2018/0490, „Tarifangelegenheiten“, S. 1, als PDF-Datei im Internet, hier:
  • WSI Mitteilungen: 10/2010: Zur Debatte um den Mobilitätsbedarf in der Regelsatzdiskussion, hier:
  • Vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, 2017, eine kritische Diskussion zur Regelsatzberechnung seitens der Bundesregierung überhaupt, hier:
  • Irene Becker/Reinhard Schüssler, Das Grundsicherungsniveau: Ergebnis der Verteilungsentwickung und normativer Setzungen (Hans Böckler Stiftung, 2014), hier:

 

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Reaktionen

  1. H. Müller

    Die Verkehrsbetriebe haben doch gar kein Interesse an einer vermehrten Nutzung – dafür bräuchte man doch erst mal ausreichend Fahrzeuge und Personal.
    Abgesehen davon gehen die Fahrpläne meilenweit an den Arbeitszeiten prekär Beschäftigter und von Schichtarbeitern vorbei. Solche Menschen müssen sowieso darauf gefasst sein zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren da vor der Frühschicht oder nach dem Spätdienst gar nichts fährt oder eine Durchquerung des Stadtgebiets mal locker zweieinhalb Stunden dauern kann.
    Vielleicht sollte man sich eingestehen das die Dortmunder Busse und Bahnen für ein eher mittelständiges Publikum fahren das genauso gut das eigene Auto nutzen könnte. Der Fahrbetrieb lässt wenig Ernsthaftigkeit gegenüber dem Kunden erkennen.

  2. Regelbedarfsermittlungsgesetz (für Hartz IV-Regelsätze): Anstehende Entscheidung im Bundesrat – offener Brief des Bündnisses Sozialticket NRW an Ministerpräsident Laschet

    Regelbedarfsermittlungsgesetz (für Hartz IV-Regelsätze): Anstehende Entscheidung im Bundesrat –
    offener Brief des Bündnisses Sozialticket NRW an Ministerpräsident Laschet

    Bleiben Sie standhaft, Herr Laschet!

    Der Bundesrat hatte deutlichen Ärger erkennen lassen, als ihm im Oktober (2020) erstmals der Gesetz­ entwurf
    der Bundesregierung für ein neues Regelbedarfsermittlungsgesetz vorgelegt wurde. Von all seinen früheren Vorschlägen zur Verbesserung der Methodik und für eine größere Wirklichkeitsnähe einzelner Ausgabepositionen sei in dem neuen Gesetz kaum etwas berücksichtigt.

    Die Konferenz der Sozialminister der Länder hatte deshalb dem Bundesrat einstimmig empfohlen, von der Regierung eine ganze Reihe von Nachbesserungen im Zuge der anstehenden Beratungen zu verlangen. Außerdem müsse das Bundesarbeitsministerium per Beschluss dazu bewegt werden, bis zum Sommer 2022 weitergehende Lösungsansätze für besonders problematische Aspekte, insbesondere eine vernünftige Fassung der Kinderbedarfe, zu entwickeln und vorzutragen. So wurde es auch vom Bundesrat beschlossen. (1)

    Mittlerweile sind wir 6 Wochen weiter, und im Bundestag ist der Gesetzentwurf bereits durch. Abgesehen von einer Aktualisierung der Leistungssätze anhand der jüngsten Lohn- und Preisentwicklung sowie einer Aufblähung des Gesetzes um zahlreiche weitere Artikel, mit Regelungen zu gänzlich anderen Sachverhalten, ist der Wortlaut in den hier interessierenden Passagen (Artikel 1-3) jedoch der alte geblieben.

    Obwohl die Kritik des Bundesrats von sämtlichen Wohlfahrts- und Sozialverbänden geteilt wird (2), hat die Regierung komplett auf stur geschaltet. Es bleibt bei den Fehlern und Schwächen der bisherigen Regelsatz­ berechnung. Angefangen bei der Definition der Referenzgruppen über den Einbezug verdeckter Armut in die Statistik bis hin zur realitätsfremden Behandlung bestimmter Ausgaben wie langlebige Gebrauchsgüter, Gesundheitskosten oder Energiekosten. Besonders ins Gewicht fallen erneut die vielen willkürlichen Kürzungen, die sich nach Berechnungen des Paritätischen auf 160 Euro im Monat summieren und damit die Regelsätze gewaltig nach unten drücken.

    Die spannende Frage ist jetzt: Wie reagiert der Bundesrat auf die Blockade? Nimmt er den Fehde­ handschuh auf und verweigert seine Zustimmung oder lässt er das Vorhaben am Ende womöglich doch ohne Änderungen passieren? (Das Gesetz bedarf der Zustimmung der Länder, sonst kommt es nicht zustande. Und die betreffende Sitzung ist bereits diesen Freitag, am 27.11.).

    Wir hoffen sehr, dass der Bundesrat bei seiner kritischen Haltung zu der Vorlage bleibt und den Vermittlungs­ ausschuss anruft. Auch, wenn das bedeuten sollte, dass die geplante Anhebung der Regelsätze nach SGB II, SGB XII und AsylBlG zum nächsten 1. Januar zunächst verschoben oder diese – ersatzweise – auf Grundlage des alten Bedarfsermittlungsgesetzes bestimmt werden müssten.

    Das Sozialticket-Bündnis von NRW hat deshalb letzte Woche den Ministerpräsidenten und die zustän­ digen Fachminister von NRW angeschrieben, um sie zum Durchhalten zu bewegen. Die Mängel der Vorlage seien bekannt – und nicht behoben.

    Der Brief schließt mit den Worten: „Sorgen Sie zusammen mit den Vertreter*innen der anderen Bundes­ länder dafür, dass die die Regelbedarfsermittlung betreffenden Artikel 1-3 des vorliegenden Gesetzentwurfs (3) am 27.11. vom Bundesrat abgelehnt werden.“

    1 s. Bundesrats-Drucks. 486/20 (B) v. 9. Oktober 2020
    2 s. beispielsweise die Stellungnahme des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes v. 21.7.2020, im Netz unter https://www.der-paritaetische.de/fachinfo/stellungnahmen-und-positionen/paritaetische-stellungnahme-zum-entwurf-eines-regelbedarfsermittlungsgesetzes-2021
    3 s. Bundesrats-Drucks. 654/20 in Verbindung mit den Bundestags-Drucksachen 19/22750 u. 19/23549
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