Er übernahm eine hochschul- und regionalpolitisch brisante Aufgabe

Nachruf auf Paul Velsinger: Der dritte Rektor der „UniDo“ ist im Alter von 84 Jahren gestorben

Prof. Paul Velsinger war dritter Rektor der Dortmunder Universität.
Prof. Paul Velsinger war der dritte Rektor der Dortmunder Universität – er leitete sie elf Jahre. Archivfoto: Jürgen Huhn für die Uni Dortmund

Ein Gastbeitrag von Klaus Commer

Die Universität Dortmund ist knapp zehn Jahre alt, als Paul Velsinger zu Beginn des Wintersemesters 1978 zu ihrem dritten Rektor gewählt wird. Er bleibt es bis zum 30.April 1990, mehr als elf Jahre also. Wenn man so will: Die Uni Dortmund hat mit der Wahl von Rektor Prof. Dr. Paul Velsinger ihre Grundschul-Jahre hinter sich gebracht. Er leitete und begleitete sie auf ihrem Bildungsgang durch die Sekundarstufen und das Abitur bis in die endgültige Hochschulreife.

Velsingers Professur war auf den bereits abzeichnenden Strukturwandel an der Ruhr zugeschnitten

Der gelernte Volkswirtschaftler war kein Kind des Ruhrpotts, sondern geprägt von seiner Heimat Haldern am Niederrhein und vom Schulbesuch im katholischen Sauerland. Nach dem Studium in Münster kam er 1972 als Hochschullehrer an die Dortmunder Fakultät für Raumplanung.

Hier übernahm er die Professor für Volkswirtschaft mit dem Schwerpunkt Raumwirtschaftspolitik. Diese Fachrichtung war auf den sich bereits abzeichnenden Strukturwandel an der Ruhr zugeschnitten. Kohleförderung, Verhüttung von Stahl, nicht mal das Brauwesen waren – mehr als 100 Jahre nach der Gründung der RWTH Aachen – im Konzept der zweiten TH des Landes erkennbar.

Zu ihrer Eröffnung – im Dezember 1968 auf dem Campus in Eichlinghofen und Barop – kam Ministerpräsident Kühn (SPD) samt Bundespräsident Lübke, um die Saat seines Vorgängers Meyers (CDU) zu ernten. Der hatte die 1962 beschlossene TH schon 1965 in eine Universität umgetauft: Das sollte die Wunden der Dortmunder heilen, denen mit Bochum die erste Volluniversität im Revier vor die Nase gesetzt war.

Er wurde Rektor nach dem Kurswechsel der Landesregierung

Kühns Landesregierung verwarf das universitäre Konzept jedoch bald und richtete etliche „Gesamthochschulen“ ein, um im Revier den Strukturwandel mit massiv erweiterten Bildungschancen anzugehen. Nur: In Dortmund verweigerte sich die Universität der vorgeschlagenen „Elefantenhochzeit“ ihrer noch schmalen Uni mit der größten Pädagogischen Hochschule der Republik sowie einer reputierlichen Fachhochschule.

Gründungsrektor Martin Schmeißer war bereits zurückgetreten, als Paul Velsinger am 1. Oktober 1978 auf den erfolglosen zweiten Uni-Rektor Erich te Kaat folgte. Er übernahm eine hochschul- und regionalpolitisch brisante Aufgabe und löste sie mit der bisher längsten Amtszeit eines Dortmunder Rektors in mehr als elf Jahren.

Die Landesregierung forderte nach 18 Monaten zum 1. April 1980 die Zusammenführung der Universität mit der Pädagogischen Hochschule Ruhr. Diese brachte weniger Geld und deutlich mehr Studierende mit. Die Lehramts-Fächer der PH Ruhr waren weitaus schlechter ausgestattet als die entsprechenden Institute des „technisch-naturwissenschaftlichen Kerns“ der Universität.

Es bedurfte beharrlicher Überzeugungsarbeit, auch mit knappen Mitteln ein umfassenderes Konzept der Uni Dortmund zu erarbeiten und die beiden sehr unterschiedlich ausgestatteten Hochschulen zusammenzubringen.

Sein Erfolgsrezept: Kräfte einbinden

Als zweites besonderes Verdienst Velsingers zeigt sich dabei die Einbindung des Potentials der Universität in die Dortmunder Region und ihren Strukturwandel. So zählte er zu den ersten, die die Idee eines Technologieparks auf dem Dortmunder Campus entwickelten und gemeinsam mit der Stadt, der Gesellschaft der Freunde der Universität und der Industrie- und Handelskammer voran brachten. Die Region ehrte den Rektor aus der Raumplanung unter anderem mit dem „Eisernen Reinoldus“.

Nach seinem Erfolgsrezept befragt, nannte Velsinger selbst seine Gabe, Gespräche zwischen den Trägern unterschiedlicher Interessen anzuregen sowie Mitarbeiter einzubinden, die nicht in jedem Fall seiner Meinung sein mussten, sich aber engagiert mit ihm für die gemeinsamen Ziele einsetzten.

Da mochten sich Verfassungsschützer wundern, dass Velsinger als Volkswirt wiederholt Mitarbeiter einstellte, die sie gern aus dem Hochschuldienst ausgeschlossen hätten. Velsinger hielt sie für hochqualifizierte Bewerber und stellte sie ein. Da mochte die Landesregierung Velsinger dankbar sein, dass er die Hochschulfusion in Dortmund realisiert hatte: Sie mußte sich auch seine Kritik der Hochschul-Sparpolitik anhören, als er wenige Monate später mit 7.000 Studierenden zum Protest auf den Dortmunder Marktplatz zog.

Velsinger pflegte in seinern Rektoraten immer wieder Prorektoren einzubinden, die er zum Ausbau von Schwerpunkten der Forschung und Lehre und zur Profilbildung in den Bereichen der jungen Uni wie der differenzierten Lehrerausbildung als Verbündete brauchte. Die Universität gewann rasch Profil, etwa durch Schwerpunkte in der Physik oder im Maschinenbau, durch Infrastruktur wie die H-Bahn zwischen dem Campus Nord und Süd. Oder durch Netzwerke, Service-Einrichtungen oder kulturelle Beiträge.

Engagement in Umweltfragen

Nicht erst nach dem Abschied vom Rektoramt hat Velsinger Aufgaben angepackt, die über die Universität und über Dortmund hinaus führten. Fort- und Weiterbildungen im Emsland mit Kollegen früherer Arbeitsstätten konnten das sein.

Aber auch die Mitgliedschaft im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung “Globale Umweltveränderungen” (WBGU), wo er sich an Analysen der weltweiten Umweltgefährdung beteiligte. Oder die Mitarbeit in sozialen Instituten der Erzdiözese Paderborn. Velsingers Motivation, sich solchen Arbeitssektoren zuzuwenden, war durch die gemeinsame Studienzeit mit dem späteren Umweltminister Klaus Töpfer sowie durch die Arbeit seines Bruders Padre Nicolao in sozialen Brennpunkten Brasiliens geprägt.

Am 18. Oktober 2007 beschloss die Universität Dortmund, sich wieder „Technische Universität Dortmund” zu nennen, so wie sie 1962 getauft war. Es hieß, damit solle der eigentliche Markenkern der Universität wieder herausgestellt werden. Die Alternative “Menschliche Universität Dortmund” stand nicht zur Debatte.


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