Mindestlohn am Glühweinstand: DGB klärt Weihnachtsstadt-Beschäftigte in Dortmund über ihre Rechte auf

Die DGB-Berater*innen besuchten verschiedene Stände der Dortmunder Weihnachtsstadt und suchten das Gespräch mit den Mitarbeiter*innen, um sie über ihre Rechte aufzuklären. Fotos: Claus Stille

Von Claus Stille

Aus nah und fern strömen Menschen in der Vorweihnachtszeit wie jedes Jahr wieder auf den Dortmunder Weihnachtsmarkt bzw. in die Weihnachtsstadt. Es duftet nach gerösteten Mandeln und Glühwein. Nur wenige der Weihnachtsmarktbesucher*innen dürften sich in der festlichen Stimmung unterm Weihnachtsbaum Gedanken darüber machen, ob die in den Buden arbeitenden Menschen auch ordentlich entlohnt werden. Darum kümmert sich der DGB. Ein Team von „Faire Mobilität“ war in dieser Woche mit der Aufklärungskampagne „Arbeiten auf dem Weihnachtsmarkt: Der Mindestlohn gilt“ unterwegs.

BeraterInnen besuchten bundesweit neun Weihnachtsmärkte

Teamleiter der DGB-Beratungsstelle „Faire Mobilität“ in Dortmund,Szabolcs Sepsi.

Mit dem Beginn der Adventszeit starteten die „Faire-Mobilität-Beratungsstellen“ des DGB die Aufklärungskampagne: „Arbeiten auf dem Weihnachtsmarkt: Der Mindestlohn gilt!“. Seit dem  3. Dezember besuchen die BeraterInnen vom DGB bundesweit neun Märkte und informieren die Beschäftigten an den Marktständen über ihre Rechte, insbesondere über den gesetzlichen Mindestlohn von 9,19 Euro pro Stunde. 

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Am Dienstag und am Nikolaustag waren die GewerkschafterInnen in der Dortmunder Weihnachtsstadt unterwegs. Der Rundgang des Teams „Faire Mobilität“ wurde auch von einem Kamerateam des WDR, sowie Radioreporter Kay Bandermann begleitet. Die Gewerkschafter*innen suchten zusammen mit dem Teamleiter „Faire Mobilität“, Szabolcs Sepsi, bevorzugt Bratwurst- und Glühweinstände auf. 

Das Team kann sich in den Sprachen Polnisch, Rumänisch, Türkisch, Bulgarisch und Ungarisch ausdrücken. Was viele Menschen womöglich gar nicht wissen: 30 bis 40 Prozent der auf dem Weihnachtsmarkt Beschäftigten kommen aus dem Ausland. An den Ständen kamen sie mit den dort arbeitenden Menschen jeweils kurz ins Gespräch. Es wurden Informationsflyer von „Faire Mobilität“ verteilt. Diese sind in acht Sprachen verfügbar. Auch rote Brotdosen mit der Aufschrift „Faire Mobilität“ mit weiterem Informationsmaterial darin wurden weitergegeben. 

In der umsatzstärksten Zeit des Jahres werden viele Minijobber*innen eingesetzt;

Die Gewerkschafter*innen verteilten Infoflyer und Brotdosen.

Viele der Beschäftigten sind, wie während der Erntezeit in der Landwirtschaft, Saisonarbeiter*innen, die nur zur Adventszeit nach Deutschland kommen. In den letzten Jahren wandten sich, erzählten die Gewerkschafter*innen, immer wieder Beschäftigte, die für ihre Arbeit auf Weihnachtsmärkten zu wenig Lohn bekommen hatten, an gewerkschaftsnahe Beratungsstellen. 

Mit der diesjährigen Kampagne will „Faire Mobilität“ präventiv möglichst viele Beschäftigte erreichen, damit diese ihre Rechte kennenlernen und einfordern können. Die Weihnachtssaison gilt als umsatzstärkste Zeit für den Einzelhandel. Gerade im Weihnachtsgeschäft – und auf Weihnachtsmärkten – werden viele Minijobber*innen eingesetzt. 

Gerade in solchen oftmals prekären Jobs werden die Arbeitsbedingungen, etwa der Mindestlohn, nicht eingehalten. Das vom Bundesarbeitsministerium geförderte DGB-Projekt „Faire Mobilität“ klärt deshalb in mehreren Städten die Beschäftigten auf Weihnachtsmärkten über ihre Rechte auf.

„Alles perfekt“, sagten manche, aber der Blickkontakt ließ auf das Gegenteil schließen

Beim Smalltalk des Gewerkschafter*innen-Teams ging es an diesem Freitag freundlich zu. Die Beschäftigten reagierten zumeist aufgeschlossen auf die ihnen gestellten Fragen. Die meisten jedoch konnten natürlich nicht ganz frei sprechen – stand doch zumeist Chef oder Chefin unmittelbar neben ihnen. 

Wenn sie sagten, bei ihnen sei alles okay, verriet den Gewerkschafter*innen eine bestimmte Reaktion etwas anderes. Eine Gewerkschafterin sprach mit einer Rumänin, die bestätigt hatte, alles sei perfekt. Ein Augenkontakt ließ jedoch auf das Gegenteil schließen: Die Chefin stand in der Nähe. Die Gewerkschafterin: „Vielleicht meldet sie sich.“ Jedenfalls habe sie ihr bedeutet, dass man ihr helfen könne.

Ein Mitarbeiter, mit dem Teamleiter Szabolcs Sepsi sprach, hatte erklärt, er arbeite zwar zwölf Stunden, aber nur acht Stunden würden nach Mindestlohn abgerechnet. Sepsi riet dem Mann, der angab ohnehin bald die Arbeitsstelle wechseln zu wollen, Einspruch einzulegen, oder eine Beratungsstelle aufzusuchen. 

Forderungen an den Arbeitgeber könnten innerhalb von drei Jahren noch geltend gemacht werden. Man müsse halt nur wissen, wie viele Stunden man gearbeitet hat. Bei der Dokumentation sollten auch die Pausen aufgeführt werden. Weshalb es gut sei, sich das zu notieren. Die meisten Probleme in Sachen Mindestlohn – das habe man schon beim Rundgang am Dienstag festgestellt – gebe es tatsächlich bei Imbissständen und Essensbuden.

Wichtig ist, die individuellen Arbeitszeiten zu dokumentieren

Mit über hundert Menschen, so Sepsi gegenüber Nordstadtblogger, habe man an zwei Tagen in dieser Woche in der Dortmunder Weihnachtsstadt gesprochen. Viele Beschäftigte hätten ihnen gesagt, dass sie den Mindestlohn oder mehr pro Stunde bekommen. Aber es habe auch einige gegeben, die sagten, dass sie mit weniger als dem Mindestlohn abgespeist würden. 

Läge eine Dokumentation der Arbeitszeiten vor, könne die Gewerkschaft die Menschen auch unterstützen, damit sie ihre Einsprüche geltend machen könnten. Sicherlich sei es schwer sich den Mühen des Einspruchs zu unterziehen. Aber die letzten Jahre hätten gezeigt, dass einige Menschen das gemacht haben. Es habe auch einige gegeben, die Erfolg damit hatten und Nachzahlungen erhalten haben.

Sepsi räumte ein, dass es für diejenigen, welche unmittelbar nach der saisonalen Beschäftigung in ihre Heimatländer zurückkehrten schwierig sei. Denn von dort aus einen Prozess zu führen sei nicht einfach. Weshalb es der Großteil der Menschen sicher nicht machen würde. Die Wenigen, die einen Einspruch wagten, hätten durchaus Erfolg gehabt. 

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell: „Die Aktionen in neun Großstädten haben durchaus Erfolge gezeitigt.“ 

Stefan Körzell ist Mitglied im Bundesvorstand des DGB.

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, der die Aktion am Nikolaustag in der Weihnachtsstadt begleitete, sagte, die Aktionen in neun deutschen Großstädten hätten durchaus Erfolge gezeitigt. Immer mehr Menschen seien durch diese erreicht und so über ihre Rechte informiert worden. 

Körzell, der der Mindestlohnkommission angehört, habe registriert, dass sich CDA- (Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft) Vorsitzender Karl-Josef Laumann, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen, durchaus einen Mindestlohn in Höhe von 12 Euro vorstellen könne. Das war beim letzten Bundesparteitag der CDU. Weshalb Körzell an dessen Adresse gerichtet geäußert hat: „Er könne ja selbst im bevölkerungsreichsten Bundesland einen Vergabemindestlohn von 12 Euro durchsetzen“. 

Zum 1. Januar werden die Mitglieder für die nächsten fünf Jahre neu berufen, dann müsste auch über die Spielregeln wieder verhandelt werden. Die Evaluierung des Mindestlohngesetzes „sollte vom Gesetzgeber genutzt werden, um das Niveau auf 12 Euro anzuheben“, hatte Stefan Körzell im November dieses Jahres einer Zeitung gesagt. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung weiß aber, dass für eine Rente oberhalb der Grundsicherung sogar eher 13 Euro nötig wären.

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Weitere Informationen:

Beratungsstellen für Beschäftigte aus Mittel- und Osteuropa gibt es in Düsseldorf und Dortmund:

Geholfen werden kann bei folgenden Themen:

  • unbezahlte Überstunden
  • Urlaub
  • Auszahlung des versprochenen Lohns
  • Mindestlohn
  • gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen
  • Krankheit und Unfälle am Arbeitsplatz
  • Die Beratung ist kostenlos und erfolgt auch anonym.

Grundrechte, die alle EU-Arbeitnehmer*innen in Deutschland haben:

  • Ihr Arbeitgeber muss ihnen ein Exemplar des Arbeitsvertrages aushändigen.
  • Sie haben Anspruch auf einen gesetzlichen Mindestlohn, in der Regel liegt dieser bei mindestens                 9,19 Euro brutto pro Stunde.
  • ArbeitnehmerInnen müssen in Deutschland eine Krankenversicherungskarte bekommen.
  • Sie haben Anspruch auf mindestens  4 Wochen bezahlten Urlaub im Jahr.
  • Aus wenn Sie krank sind muss der Arbeitgeber weiter Ihren Lohn bezahlen.

Hintergrund:

Laut Bundesagentur für Arbeit arbeiten in NRW insgesamt 1.788.672 Beschäftigte in Minijobs, dabei 1.182.485 ausschließlich geringfügig und 606.187 im Nebenjob geringfügig beschäftigt.

Bundesweit gab es im September 2019 insgesamt 7.560.900 geringfügig Beschäftigte (4.529.200 ausschließlich, 3.031.700 im Nebenjob). 2015 waren es insgesamt noch 7,38 Mio.

In den letzten Jahren wandten sich immer wieder Beschäftigte, die für ihre Arbeit auf Weihnachtsmärkten zu wenig Lohn bekommen hatten, an gewerkschaftsnahe Beratungsstellen.

Zum Thema auf Nordstadtblogger.de:

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