Aus der Nordstadt gibt es an der Vorlage viel Kritik und Ablehnung

Die Stadt will einen neuen Masterplan „Kommunale Sicherheit“ auf den Weg bringen

„Kommunale Sicherheit 2.0 – Sicherheit – Gemeinsam – Gestalten“ soll der neue Masterplan heißen. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Der Rat soll am 9. Februar 2023 die Erstellung des Masterplans „Kommunale Sicherheit 2.0 – Sicherheit – Gemeinsam – Gestalten“ beschließen. Unter diesem Titel soll der Plan gemeinsam mit der Politik, den städtischen Organisationen sowie der Polizei, der Wissenschaft, den Vereinen und Verbänden, Institutionen und interessierten Partner:innen aus der Wirtschaft sowie den Einwohner:innen fortgeschrieben werden. Dass das Thema Sicherheit wichtig ist, ist bei den meisten Fraktionen unstrittig. Aber die ausgewählten Bausteine und Schwerpunkte sowie die Zusammensetzung des Lenkungsgremiums stoßen bei mehreren Fraktionen auf Kritik – so auch in der Bezirksvertretung der Nordstadt.

Masterplan als Momentaufnahme – Aktuelle Geschehnisse beeinflussen Fortschreibung

Der erste Masterplan Kommunale Sicherheit kam 2014 erstmals auf die Agenda. Doch es brauchte fast fünf Jahre, bis er 2019 veröffentlicht wurde. Im November 2022 hatte der Verwaltungsvorstand eine Fortschreibung beschlossen. Damit befassen sich nun die Gremien. Der Beschluss des Vorgängers „erfolgte in dem Wissen, dass der beschlossene Masterplan lediglich eine Momentaufnahme darstellt, der in einem dynamischen Dialogprozess entsteht und stetig weiterentwickelt werden muss“, betont die Verwaltung. 

Norbert Dahmen ist Dezernent für Sicherheit und Ordnung. Foto: Anja Cord für Nordstadtblogger.de

Im Mittelpunkt des ersten Prozesses stand bereits zu Anfang ein breit aufgestellter Dialogprozess in sämtlichen zentralen Themenfeldern der kommunalen Sicherheit in Dortmund mit Fachleuten, Organisationen und weiteren interessierten Teilen der Dortmunder Bevölkerung. 

„Hierbei zeigte sich von vornherein, dass Inhalte und Wesensmerkmale dessen, was kommunale Sicherheit in Dortmund ausmacht, keine statischen Größen, sondern einem steten Veränderungsprozess unterworfen sind“, betont die Verwaltungsspitze. 

„Unabhängig von Zielen, die sich heute in der rückwirkenden Betrachtung anders darstellen, haben vor allem die Corona-Pandemie, das Starkregenereignis vom 14. Juli 2021 und auch der Ukrainekrieg mit seinen Auswirkungen auf die Rohstoff- und Energieversorgung Handlungsbedürfnisse aufgezeigt, die der damalige Masterplan nicht umfasste“, wird die Fortschreibung begründet.  Dabei komme dem Bevölkerungsschutz ein höherer Stellenwert zu.

Kritik: Die Anliegen der Bürger:innen werden nicht ernst genommen

Marco Unterauer (Grüne) Leopold Achilles | Nordstadtblogger

In Teilen der Bezirksvertretung stoßen die Art der Ausgestaltung, die vorgegebenen Schwerpunkte und teils auch die zu beteiligenden Gruppen auf Kritik: So kritisiert Grünen-Fraktionssprecher Marco Unterauer, dass die Rolle der Polizei und ihr Vertrauensverlust in weiten Teilen der Nordstadt-Bevölkerung „viel zu dürftig dargestellt“ sei.

Auch das ebenfalls umstrittene Thema der Videobeobachtung werde zu wenig erläutert und berücksichtigt. Die Polizei müsse zudem viel mehr in das Vertrauen investieren.

Sonja Lemke (Fraktion Die Linke / Die Partei) fand in der Vorlage „viele fragwürdige Punkte“ – sie fragte sich, ob der Masterplan in die richtige Richtung laufe, zumal die Kriminalitätsstatistik rückläufig sei. Eigentlich sei ihre Fraktion für eine Ablehnung – doch wenn ein Masterplan auf den Weg gebracht werden solle, müsse der an verschiedenen Punkten geändert werden. 

Sonja Lemke (Die Linke) Leopold Achilles | Nordstadtblogger

So kritisierte die Kommunalpolitikerin, dass die Anliegen der Bürger:innen nicht ernst genommen würden und Teile der Bevölkerung „übermäßiger Gewalt“ ausgesetzt seien. Auch die Videoüberwachung werde sehr kritisch gesehen: Wenn man weiter daran festhalte, müssten in einem neuen Masterplan auch die Verdrängungseffekte thematisiert werden. 

„Ich fänd gut, wenn wir das auf grundsätzlicher Ebene ablehnen – aber wenn er kommt, dann müssen wir aber Änderungen mit auf den Weg bringen“, sagte Lemke unter anderem mit Blick auf die Gleichsetzung bzw. gleiche Gewichtung von Rechts- und Linksextremismus, die der Rat zuletzt bei der Diskussion um die Fortschreibung des Aktionsplans gegen Rechtsextremismus kategorisch abgelehnt hatte.

BV kritisiert das Fehlen von Evaluation, Diversität und Kompetenzen

Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum
Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum (Grüne)

Auch Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum kritisierte die Vorlage. „Vom Aufbau her – nicht weil wir sagen, dass das Thema keine Relevanz hat.“ So gebe es eine große Diskrepanz zwischen subjektiver und objektiver Sicherheit: „Wir müssen sehen, wie wir ein besseres Sicherheitsgefühl hinbekommen. Daher müssen wir uns auch übergreifend an einen Tisch setzen. Da fangen meine Probleme an.“ 

Zudem setze der Masterplan 2.0  einen Plan 1.0 voraus. „Bevor man eine Struktur fortsetzt, hätte man sich mit erstem Plan auseinandersetzen und ihn evaluieren können. Wir hätte daraus lernen können. Schade, dass dies nicht angegangen wurde“, betonte die Bezirksbürgermeisterin der Nordstadt. 

Außerdem kritisierte sie die Zusammensetzung: Die Verwaltung schlägt vor, den Lenkungskreis aus Vertreter:innen der beteiligten Dezernate, der Sicherheits- und Justizbehörden und Vertreter:innen des Handels und der Wirtschaft zu bilden. „In der Zusammensetzung fehlen die freien Träger und die sozialen Träger, die auch wissen, wie Präventionsarbeit wirklich funktioniert. Sie sind nicht mit am Tisch  – da fehlt jede Menge Expertise“, so Rosenbaum. 

„Prostitution, Alkohol und Drogenkonsum und aggressives Betteln“ als ein Themenfeld

Auch bleibe die Vielfalt und Diversität, die die Dortmunder Stadtgesellschaft ausmache, unberücksichtigt, obwohl man sich dort „zusätzliche Expertise holen“ könne. Hier müsse nachgearbeitet werden – ebenso wie bei Videobeobachtung und dem Extremismusbereich. Zudem kritisierte sie, dass „Prostitution, Alkohol und Drogenkonsum und aggressives Betteln“ als ein Handlungsfeld gesehen werde. „Sexarbeiter:innen sind nicht per se ein Problem für die innere Sicherheit und Ordnung“, kritisierte Hannah Rosenbaum die Stigmatisierung.

Thomas Oppermann (SPD) Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„Ich kann das Meiste nachvollziehen“, sagte Thomas Oppermann (SPD) mit Blick auf die Kritikpunkte. Ihn störte das „Sammelsurium an Handlungsfeldern“: „Es ist sehr unglücklich, das mit Unterpunkten zu versehen. Beispiel Extremismus – diese teilweise auch unsinnigen Unterpunkte machen das Bild der Handlungsfelder enorm komplex“, sagte er mit Blick auf die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus. 

Zudem seien die Überschriften unglücklich, sagte er auch mit Bezug auf „Prostitution, Alkohol und Drogenkonsum und aggressives Betteln“ – dies seien sehr unterschiedliche Handlungsbereiche. Dennoch könne die SPD-Fraktion der Vorlage grundsätzlich zustimmen. „Wir würden uns aber dringend wünschen, dass Unterpunkte wegfallen bzw. einige Punkte ersetzt werden“, so Oppermann.

Fehlende Analyse, was Polizei und Ordnungsamt überhaupt leisten können

Julia Rüding (Die Partei) Leopold Achilles | Nordstadtblogger

Julia Rüding (Fraktion Die Linke / Die Partei) hingegen wollte das Ansinnen ablehnen. „Wir erwarten erst eine Evaluation, dann eine Überarbeitung.“

Dass dies jetzt schon nötig sei, wurde von Hans-Georg Schwinn (Grüne) vorgebracht: Der Rat habe seinerzeit fünf Jahre gebraucht, bis er den ersten Masterplan 2019 beschlossen habe. „Dass drei Jahre später ein Update nötig ist, hat mich gewundert.“ Grundsätzlich müsse man den neuen Masterplan deutlicher ausformulieren. Es gehe nicht darum, die Polizei abzuschaffen, sondern das Verhältnis zwischen Polizei, Ordnungsamt und privaten Sicherheitsdiensten zu formulieren. 

Vielleicht stünden dann auch noch Sachen drin, die ihm als Grünem nicht gefielen. „Aber wir müssen das Sicherheitsgefühl verbessern“, so Schwinn. Vieles, was es an Unzulänglichkeiten gebe, sei der Personalnot bei der Polizei geschuldet. Daher müsse man das berücksichtigen und dann formulieren, was Polizei und Ordnungsamt leisten können und was nicht. „Genau das war die Schwäche des ersten Plans – der neue geht auch nicht darauf ein“, kritisiert der Nordstadt-Grüne.

Cornelia Wimmer (Die Linke) Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Schwinn plädierte dafür, der Verwaltung eine fundierte Rückmeldung vorzulegen – nur eine Mängelliste reiche nicht. Zudem bedauerte er, dass die Quartierslabore 2017 nicht flächendeckend stattgefunden hätten und die dennoch interessanten Ergebnisse nicht eingeflossen seien: „Das war durchaus interessant und gab auch gute Anregungen“, erinnerte er an das Quartierslabor im Quartier Borsigplatz-West.

Cornelia Wimmer (Fraktion Die Linke / Die Partei) wies den Vorwurf von CDU-Vertreter Dorian-Marius Vornweg – Grüne und Linke wollten die Polizei abschaffen – zurück. „Eine Abschaffung betreibe ich nicht. Es geht darum, dass die Interaktionen im Stadtteil häufiger schief gelaufen sind und anders laufen sollten.“ 

Mängelliste: Bezirksvertretung Nordstadt votiert mehrheitlich gegen Vorlage

Der Kommunale Ordnungsdienst des Ordnungsamtes ist ein zentraler Baustein des Masterplans. Foto: Stadt Dortmund

„Aber wenn wir den Masterplan einfach ablehnen, hat das keine Folgen für die Weiterentwicklung. Daher müssen wir die Probleme und Knackpunkte benennen, sonst geht das Verfahren in der auf den Weg gebrachten Weise weiter“, machte Wimmer deutlich. Auch sie kritisierte die fehlende Evaluation: „Das geht nicht und ist auch völlig unüblich.“ 

Doch eine Mängelliste wollte die BV zumindest nicht in der laufenden, sondern bis zur nächsten Sitzung aufsetzen, schlug Marco Unterauer vor. Dies kritisierte Thomas Oppermann, da der Masterplan schon in der nächsten Ratssitzung am 9. Februar beschlossen werden soll. „Dann muss man ein eindeutiges Votum machen und ablehnen.“ 

Lemke glaubte nicht, dass das dann schon beschlossen werde, da es auch in anderen Gremien noch Beratungsbedarf gebe. Sicherheitshalber stimmte die BV dennoch darüber ab: Elf anwesende Bezirksvertreter:innen von Grünen, Linken und Partei stimmten gegen die Vorlage, fünf von SPD und AfD dafür. Der CDU-Vertreter war bei der Abstimmung nicht mehr anwesend …

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Reaktionen

  1. GRÜNE üben Kritik am Masterplan Kommunale Sicherheit (PM)

    Im Ausschuss für öffentliche Ordnung haben die GRÜNEN mit einem eigenen Antrag erhebliche Bedenken am Verwaltungsvorschlag für einen neuen Masterplan Kommunale Sicherheit vorgebracht. Die GRÜNEN kritisieren die bislang vorgesehene Zusammensetzung des Lenkungskreises und den lückenhaften Beteiligungsprozess. Sie fordern eine Erweiterung der Handlungsfelder.

    „Ein Masterplan für alle“

    Dem Lenkungskreis für einen neuen Masterplan Kommunale Sicherheit sollen nach dem Vorschlag der Verwaltung neben Vertreter*innen der beteiligten Dezernate, Sicherheits- und Justizbehörden lediglich Handel und Wirtschaft angehören. Benno Beckmann (GRÜNES Ratsmitglied) stellt hierzu fest: „Es ist ein Ungleichgewicht, dass soziale Akteur*innen und gesellschaftliche Communities bei der Diskussion um die strategische Ausrichtung der kommunalen Sicherheit außen vorgehalten werden, wohingegen Handel und Wirtschaft einen privilegierten Zugang erhalten sollen. So wird der Masterplan in der Stadtgesellschaft keine Akzeptanz finden. Wir GRÜNE werden die vorgeschlagene einseitige Besetzung des Lenkungskreises nicht mittragen. Wir brauchen einen Masterplan Sicherheit für alle, keinen Masterplan Sicherheit für Handel und Wirtschaft.“ Beckmann weiter: ”Laut Vorlage soll der Lenkungskreis fachlich breiter aufgestellt werden und stärker kommunale Erkenntnisse unter dem Blickwinkel von Diversität, Integration und Inklusion berücksichtigen. Dies wird nur möglich sein, wenn auch Personen eingebunden werden, die diese Perspektiven konkret einbringen können.”

    Handlungsfelder breiter aufstellen

    “Des Weiteren kritisieren wir GRÜNE, dass die Verwaltung zahlreiche Gefahrenfelder wie zum Beispiel häusliche Gewalt, Queerfeindlichkeit und Gewalt gegen Frauen ausblendet. Stattdessen eröffnet sie erneut die Debatte um einen in Dortmund nicht relevanten Linksextremismus. Der Rat hatte gerade erst bei der Novellierung des Aktionsplans gegen Rassismus und Antisemitismus festgestellt, dass insbesondere Rechtsextremismus ein Problem für die Sicherheit in Dortmund ist“, erklärt Beckmann.

    Beteiligung ist wichtig

    Für die Stadtgesellschaft muss aus GRÜNER Sicht zum Thema kommunalen Sicherheit ein breiter Konsens angestrebt werden. Dazu ist ein umfassender Beteiligungsprozess wichtig und notwendig.

    „Die Bezirksvertretungen als Sprachrohr der Menschen in den Stadtbezirken kommen im Verwaltungsvorschlag zu kurz. Neben den Quartierslaboren mit ausgewählten Dortmunder*innen, müssen auch die gewählten Bezirksvertreter*innen in geeigneter Form ihre Expertise in den Masterplanprozess einbringen können.“

  2. Personalgewinnung im Kommunalen Ordnungsdienst (PM SPD)

    Die SPD-Ratsfraktion begrüßt die Pläne der Verwaltung, die Arbeit im Kommunalen Ordnungsdienst attraktiver zu machen.

    „Den Kommunalen Ordnungsdienst zeichnet ein besonderes Anforderungsprofil aus, das sich von klassischen Bereichen einer Stadtverwaltung unterscheidet. Daher ist es aus unserer Sicht unverzichtbar, diese Aufgaben auch entsprechend zu entlohnen und die Arbeit attraktiver zu gestalten. Nur so können wir langfristig genügend Personal gewinnen und auch halten.“, erklärt Norbert Schilff, stellv. Vorsitzender im Personalausschuss.

    Neben den finanziellen Zulagen sollen bessere Aufstiegsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst, eine optimale persönliche Schutzausrüstung und nicht zuletzt moderne Dienstgeräte und Software die schwierige Arbeit der Einsatzkräfte erleichtern.

    Dirk Goosmann, ordnungspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion ergänzt: „Wir sind froh darüber, dass die ersten Teilnehmenden ihre Ausbildung „ Fachkräfte für Sicherheit und Ordnung“ beenden konnten. So können im Jahr 2023 13 zusätzliche frisch ausgebildete Beschäftigte im Ordnungsamt die seit langem vakanten Stellen besetzen. Die SPD-Ratsfraktion hatte sich immer für die Einrichtung dieses Ausbildungsganges eingesetzt. Nur so kann es gelingen, die Arbeit des KOD auszuweiten und für mehr Schutz und Sicherheit in unserer Stadt zu sorgen. Das Ziel muss sein, die Stellen dauerhaft so zu besetzen, dass auch in allen Stadtbezirken Einsätze stattfinden können.“

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