FOTOSTRECKE: Eröffnung des neuen Quartierstreffs im Concordia-Haus am Borsigplatz sorgt für freudige Gesichter

Gleichsam mitten im Leben: Eröffnung des Quartierstreffs Concordia. Fotos: Thomas Engel
Gleichsam mitten im Leben: Eröffnung des „Quartierstreffs Concordia“ am Borsigplatz. Fotos: Thomas Engel

„Gute“ Quartiere möchte der Spar- und Bauverein eG Dortmund, wo seine bedeutenden Immobilien stehen. Waren die integrativen Motive der Wohnungsbaugenossenschaft bislang an kleineren Nachbarschaftstreffs abzulesen, eröffnet sich jetzt aus eigenem Bestand eine neue Dimension: im zentral am Borsigplatz gelegenen Concordia-Haus entsteht als neuer Quartierstreff in enger Kooperation mit Planerladen e.V. quasi ein Kulturzentrum. Dessen Strahlkraft auf das weitere Umfeld soll magnetisch wirken.

„Schwierige Nachbarschaften“ nahe dem Bestand einer Wohnungsbaugenossenschaft rund um den Borsigplatz

Das Concordia-Haus am Borsigplatz mit dem Quartier und der Westfalenhalle im Hintergrund. Foto: Alex Völkel
Der Schein trügt, „schwierige Nachbarschaften“ sind mitnichten ausgeschlossen.  Foto: Alex Völkel

Im Spätsommer sprach Spar- und Bau-Chef Franz-Bernd Große-Wilde in einem Interview mit Nordstadtblogger unter anderem über „schwierige Nachbarschaften“ durch Problemhäuser im Umfeld des eigenen Bestandes: „Wenn es in unmittelbarer Nachbarschaft zu unseren guten Häusern so eines gibt, dann färbt das ab, zieht es alles ein Stück weit mit runter“, lautete sein Verdikt.

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Speziell rund um den Borsigplatz verortet die Genossenschaft für Wohnungsbau soziale Spannungen. Ob es dort um Matratzenvermietung oder Duschen in Hinterhöfen geht, klar ist: Menschen, die gezwungen sind, unter solchen Bedingungen zu leben, werden die lokal sowieso vorhandenen Konfliktpotentiale nicht gerade entschärfen.

Was tun, wenn Du just an jenem Orte, zudem an prominenter Stelle direkt am Borsigplatz ein Schmuckkästchen besitzt – das historische Concordia-Haus – und dort Parterre an die 280 Quadratmeter frei werden? – Was Privatbesitz entschieden hätte, sei dahingestellt. Vielleicht die Vermietung an eine Bank oder Versicherung – soziale Keimfreiheit a priori garantiert?

Eigennutzung des freigewordenen Ladenlokals als Quartierstreff in Kooperation mit dem Planerladen

Das Concordia-Haus am Borsigplatz spielt eine zentrale Rolle in dem Projekt appARTment.ruhr
Das Concordia-Haus am Borsigplatz: ConcordiArt-Ladenlokal – les temps perdu.

Entstanden ist der Leerstand, weil das ehemalige ConcordiArt-Ladenlokal, das „Kreative Kaufhaus“, in der bestehenden Form mangels Umsatz nicht mehr weitergeführt werden kann. Der Verein hat nun einen Platz bei der Machbarschaft Borsig11, also quasi nebenan gefunden.

Auch für Spar- und Bau wäre die Neuvermietung an einen solventen Kunden vielleicht eine Option gewesen – wenngleich kaum gegen die Tendenz schließender Filialen durch das Online-Banking. Doch der gemeinnützige Verein hat sich für die Eigennutzung entschieden. In Kooperation mit dem Planerladen e.V. ist in den Räumlichkeiten nun ein Quartierstreff entstanden, gleichsam ein Zentrum für Vielfalt und Integration.

Dort soll prinzipiell die Möglichkeit bestehen, Nachbarschaft „organisch“ miteinander zu leben. „Schwierig“ im karikierten Sinne ist diese Konstellation sicher nicht. Als potentiell pulsierendes Leben von hoher Diversität birgt sie dennoch – auf den ersten Blick – ein etwas größeres Risiko als im Falle des Einzugs sozial adaptierter Anzug- oder KostümträgerInnen, die sich hier lediglich acht Stunden in ihren Büros aufgehalten hätten.

Ludwig Jörder: Es ist nicht allein das Engagement, sondern „das kostet auch eine Menge Geld“

Und es stellt sich zudem finanziell anders da, wie Bezirksbürgermeister Ludwig Jörder bei der offiziellen Eröffnung des Quartierstreffs ausdrücklich betont. Sein ganz besonderer Dank gälte daher dem Spar- und Bauverein, der sich als Eigentümer zu diesem Schritt entschlossen habe.

Zwar sei immer vom Engagement die Rede, so der BV-Chef Innenstadt-Nord, aber „das kostet auch eine Menge Geld. Das ist keineswegs selbstverständlich, ganz im Gegenteil, das ist eine Riesenausnahme“, hält er sich nicht mit Anerkennung zurück.

Es ist nicht der erste Nachbarschaftstreff, den die Dortmunder Genossenschaft, die in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen feiert, unterhält. Kleinere Anlauforte haben sich bereits etabliert: im „Althoffblock“ (seit 2000 in Kooperation mit der Caritas Dortmund) und seit 2009 (zusammen mit dem Planerladen) im „Spähenfelde“.

Stabilisierung bunter Quartiere: durch Begegnungsstätten für unterschiedlichste Menschen

Ob Aufbau von Nachbarschafts- oder Quartierstreff – zentraler Gedanke einer solchen Konzeption ist: es sollen Gegenentwürfe zum anonymen Leben in der Großstadt entstehen, die durch die Möglichkeit, sich dort als NachbarInnen begegnen, letztendlich ein gutes Miteinander sichern.

In neuem Gewand: das Concordia-Haus beherbergt jetzt den Quartierstreff
In neuem Gewand: das Concordia-Haus beherbergt jetzt den Quartierstreff

Die Sozialpsychologie kann dieses Motiv empirisch stützen: Menschen, die sich kennen, haben weniger Vorurteile, gehen friedlicher miteinander um.

Das weiß auch der Bezirksbürgermeister, wenn er zu den potentiellen Folgen der beschlossenen Umnutzung von Teilen des altehrwürdigen Concordia-Hauses knapp feststellt: „Eine solche Einrichtung ist von enormer Bedeutung für die Stabilisierung unserer Quartiere“.

So betrachtet, zweiter Blick: das sich jetzt in zarten Anfängen realisierende Vorhaben von Spar- und Bau erscheint überhaupt nicht mehr als Risikoentscheidung. Sondern entpuppt sich vielmehr als kluge, sozialstrategische Investition in Zukunft, ob visionär oder, etwas bescheidener, realpolitisch gefasst.

Von Realpolitik zur Vision: vom friedlich-solidarischen Multi-Kulti-Zusammenleben zu Synergieeffekten

Als Vision ist es die eines bunt-zusammengewürfelten Quartiers, das nicht mehr ein „gewisses Konfliktpotential“ wegen der dort gelebten Diversität von Lebensentwürfen und Kulturen beherbergt, sondern wo diese ungemeine Vielfalt synergetisch wirkt: es blüht.

Als Realpolitik ist es das Wirken auf die dafür unabdingbaren Voraussetzungen hin: auf die Entstehung einer lokalen Kultur, in der ein friedliches, solidarisches Zusammenleben gute, gewachsene, daher gesicherte Normalität geworden ist.

Das ist ein langwieriger Prozess, nie abschließbar, auch wegen der Fluktuation im Quartier. Doch in multikulturellen Konstellationen vermutlich „alternativlos“, soll es nicht in die rechten Fahrwasser einschlägiger Politagitatoren gehen.

Sympathische Menschen mit Spaß an Kommunikation sollen am Borsigplatz für Atmosphäre sorgen

Sichtlich mit Spaß bei der Sache: Franz-Bernd Große-Wilde
Sichtlich mit Spaß dabei: Franz-Bernd Große-Wilde

„Multikulti“ hat jedenfalls während der Eröffnung des Quartierstreffs auf relativ engem Raum im Concordia-Haus schon mal geklappt; das speziell interkulturelle Gespräch ist sicherlich noch ausbaufähig. Mit Blick in die bunte Runde erklärt Franz-Bernd Große-Wilde für den Spar- und Bauverein die Ziele hinter dem Projekt:

„So stellen wir es uns für die Zukunft eigentlich immer vor: dass hier möglichst viele unterschiedliche, sympathische Leute zusammenkommen und gemeinsam Quartierstreffkultur mit Spaß an der Kommunikation betreiben und damit dem ganzen Quartier am Borsigplatz Leben und Atmosphäre geben“.

Dass die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft sich im Concordia-Haus für eine Kooperation mit dem Planerladen e.V. entschieden hat, ist kein Zufall. Sie hat sich in der Siedlung Spähenfelde seit Jahren bewährt und verstetigt sich jetzt um ein weiteres gemeinsames Unternehmen.

Von potentiellen Luftschlössern zur realisierten Idee: Planerladen wird Umsetzung organisieren

(v.l.:) Selda İlter-Şirin, Tülin Kabis-Staubach, Fatime Şahin und Wiebke Schaper
(v.l.:) Selda İlter-Şirin, Tülin Kabis-Staubach, Fatime Şahin und Wiebke Schaper

Die Architektin Tülin Kabis-Staubach aus dem Vorstand des Planerladens weiß den Schritt der Genossenschaft zu schätzen: Kreativität, gute Konzepte, Ideen – da könne es vieles geben. Das brächte aber herzlich wenig, gäbe es keine Möglichkeit, davon auch tatsächlich etwas umzusetzen.

Naheliegenderweise wird diese Aufgabe zukünftig dem Planerladen zukommen. Denn – wie andere aus Professionalisierung und Institutionalisierung der Neuen Sozialen Bewegungen hervorgegangen Organisationen – hat sich der gemeinnützige Verein in Dortmund über Jahrzehnte bei der Integrationsarbeit im und für den Stadtteil einen Namen erarbeitet.

Die Leiterinnen der Einrichtung stellt demnach der Planerladen selbst; das sind: Selda İlter-Şirin, Fatime Şahin und Wiebke Schaper; die beiden letzteren werden als Ansprechpartnerinnen regelmäßig vor Ort sein und sind dort auch telefonisch zu erreichen (s.u.).

Dem Stadtteil ein persönliches Gewicht geben: Hoffnung auf Magnetwirkungen bei den Akteuren

Allen Beteiligten ist klar, was Franz-Bernd Große-Wilde ausspricht: „Für uns ist das kein reiner Nachbarschaftstreff, sondern es soll wirklich ein Quartierstreffpunkt werden“. Denn hier bestünde das Potential, das Quartier von seiner zentralsten Stelle aus zu prägen.

Die erhoffte Wirkung: „Letztlich wird das dem ganzen Stadtteil ein persönliches Gesicht geben“, so der Vorstandsvorsitzende von Spar- und Bau und hofft dabei auf Sekundäreffekte: dass „das Quartier als Magnet“ Anziehungskraft entwickelt.

Das operative Zentrum ist von der Idee her die Aktivität in dem – ja was? Wohl am ehesten, zumindest idealtypisch, ist es ein Kultur- und Integrationszentrum mit prospektiver Strahlkraft über das Quartier hinaus. Damit das überhaupt funktionieren kann, gibt es freilich eine basale Bedingung: es muss von den BewohnerInnen angenommen werden – als „ihr“ Zentrum.

Quartierstreff, das Programm: Grundlage ist eine Befragung der BewohnerInnen am Borsigplatz

Mit den besten Wünschen aus dem Althoffblock, vom ältesten Nachbarschaftstreff von Spar- und Bau
Mit den besten Wünschen aus dem Althoffblock, vom ältesten Nachbarschaftstreff bei Spar- und Bau

Ohne patriarchalische Perspektive hilft da kein gutes Zureden, sondern nur die Nachfrage bei den NachbarInnen selbst: wo besteht Bedarf? Was man nicht gewollt habe, erklärt Tülin Kabis-Staubach: sich am Schreibtisch zu überlegen, was die Menschen bräuchten.

Daher – wie seinerzeit im Spähenfelde – wurde im Vorfeld eine Befragung der BewohnerInnen des Quartiers durchgeführt. Daraus sei das aktuelle Programm entstanden. Potentielle TeilnehmerInnen dürfen sich – schon jetzt, teilweise demnächst – freuen auf, unter anderem:

Angebote für grundsätzlich alle Altersgruppen; Kleinkinder von 0 bis 6 können Sprachwelten mit (neuerdings zertifiziertem) Vorlesen kennenlernen; für Grundschulkinder gibt es Hausaufgabenhilfen in den gängigen Fächern; Sprach-und Integrationskurse werden für Erwachsene sowohl mit als auch ohne Kinderbetreuung angeboten.

Jugendliche wie SeniorInnen können Computerkurse belegen; gleiches gilt für Tanz und Bewegung. Oder wie wär’s mit Kalligraphie für Kinder oder Frauen? Und die Männer?! – Die dürfen immer montags mit den Blagen für einen Guten Zweck von 16-19 Uhr backen! Dazu gibt viele Kulturveranstaltungen, auch eine Kooperation mit dem Theater Dortmund wurde nach guten Erfahrungen mit Berlin in die Wege geleitet. Und, und, und …

Weitere Informationen:

  • Übersicht/Kontakt „Quartierstreff Concordia“, hier:
  • Aktuelle Angebote im Quartierstreff 2018, hier:
  • Infos zu den Spar- und Bau-Nachbarschaftstreffs „Althoffblock“ und „Spähenfelde“, hier:

 

 

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