Kritische Prüfung: Beschäftigte haben Sorgen vor körperlichen Attacken

Polizei stellt zahlreiche gefälschte Impfausweise sicher und rät Apotheken zur Wachsamkeit

Christina Wallrabe, Mitarbeiterin in der Hafen-Apotheke im Dortmunder Norden, ist von einem „Kunden“ attackiert worden, als sie sich weigerte, den gefälschten Impfausweis zurückzugeben, als sie dessen Digitalisierung ablehnte.
Christina Wallrabe, Mitarbeiterin in der Hafen-Apotheke im Dortmunder Norden, ist von einem „Kunden“ attackiert worden, als sie sich weigerte, den gefälschten Impfausweis zurückzugeben, als sie dessen Digitalisierung ablehnte. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Die Einschränkungen für Ungeimpfte (Stichwort „G-Regelungen“) nehmen zu – die Begehrlichkeiten nach einem (gefälschten) Impfausweis offenbar auch. Die Dortmunder Polizei hat in der vergangenen Woche im Rahmen einer Durchsuchung in Dortmund zahlreiche gefälschte Impfausweise sichergestellt. Immer häufiger schlagen Apotheker:innen in Dortmund in den letzten Wochen Alarm und informieren die Polizei, weil sie den Verdacht haben, dass die Impfausweise gefälscht sind oder gefälscht sein könnten.

Polizei rät: „Vermeiden Sie bei Bedenken bitte unbedingt eine direkte Konfrontation“

Wieso Apotheken? Wer ein digitales Impfzertifikat braucht, kann dort seinen gelben Papierausweis sowie seinen Personalausweis vorlegen und sich die digitale Bescheinigung ausstellen lassen. Daher sind die Apotheke:rinnen angehalten, sich die vorgelegten Impfausweise sehr genau anzuschauen und die Angaben zu prüfen. Denn wenn erstmal ein digitales Zertifikat ausgestellt ist, ist eine Fälschung kaum mehr nachzuweisen.

Reihenweise Fälschungen - teils für die ganze Familie - kommen den Apotheker:innen unter.
Reihenweise Fälschungen – teils für die ganze Familie – kommen den Apotheker:innen unter. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Und gefälschte Ausweise sind zunehmend in Umlauf. Die Polizei bittet Apotheken-Angestellte daher, auch in Zukunft bei der Prüfung solcher Dokumente weiterhin größte Sensibilität walten zu lassen. „Sollten Sie einen Grund haben, die Echtheit eines Impfausweises anzuzweifeln, wenden Sie sich möglichst unbemerkt an den Notruf der Polizei. Prüfen Sie im Einzelfall auch, ob es Sinn macht, die Impfausweise direkt einzubehalten“, rät die Polizei. 

„Bringen Sie sich dabei allerdings nicht selbst in Gefahr. Vermeiden Sie bei Bedenken bitte unbedingt eine direkte Konfrontation“, heißt es weiter. Außerdem appelliert sie eindringlich, ihre Impfpässe nicht in den Sozialen Medien (Facebook, Instagram, Whats App-Status o.ä.) zu posten. „Häufig nutzen Urkundenfälscher die Chargennummern solcher Fotos, um ihre Impfausweise zu fälschen.“

„Entweder bleibt der Impfausweis hier oder wir rufen die Polizei“

Ein bis zwei Fälschungen am Tag fallen den Beschäftigten in der Hafenapotheke auf. Hier geht man mit dem Problem sehr offensiv um – so auch Christina Wallrabe. Dutzende Impfschwindler sind der Beschäftigten in den vergangen Monaten begegnet. Mal ist der Stempel der Impfstelle zu groß, mal die zweite Impfung laut Chargennummer vor der ersten erfolgt…

Christina Wallrabe, Mitarbeiterin in der Hafen-Apotheke im Dortmunder Norden, ist von einem „Kunden“ attackiert worden, als sie sich weigerte, den gefälschten Impfausweis zurückzugeben, als sie dessen Digitalisierung ablehnte.
Christina Wallrabe ist von einem „Kunden“ attackiert worden, als sie sich weigerte, den gefälschten Impfausweis zurückzugeben. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Sie hat die Besitzer:innen der mutmaßlich gefälschten Impfausweise zur Rede gestellt – und vor die Wahl: „Entweder bleibt der Impfausweis hier oder wir rufen die Polizei.“ Zumeist hätten die Betroffenen dann die Dokumente dagelassen und hätten eilig die Apotheke verlassen. Nicht so an einem Samstag: Leichtsinnigerweise habe sie sich vor die Theke begeben und dem Mann das Schild mit dem Hinweis, dass Fälschungen Straftaten seien, vor die Nase gehalten. 

Doch der dachte gar nicht daran, den Impfausweis dort zu lassen und drehte Christina Wallrabe den Arm auf den Rücken. „Wie im Polizeigriff“, berichtet Wallrabe im Gespräch mit Nordstadtblogger. Mit dem anderen – ausgestreckten Arm – versuchte sie, die Ausweiskopie und den Impfausweis auf Distanz zu halten. Ein anderer Apothekenkunde kam der Mitarbeiterin in Not zur Hilfe – der Täter floh. Ihn erwartet nun eine Anzeige – wie viele andere Inhaber:innen der mutmaßlich gefälschten Dokumente auch. 

Keine Konfrontation, aber: „Es steht mir ja frei, die Ausstellung zu verweigern“

Das sind Szenen, die Nicole Ausbüttel auf jeden Fall vermeiden will. Auch ihr kamen und kommen gefälschte Impfausweise zu Augen: „Es gibt immer wieder Menschen, die das versuchen. Doch oft ist es schwierig zu sagen, ob ein Ausweis gefälscht ist oder nicht“, verweist sie auf die schwierige Lage. 

Nicole Ausbüttel lehnt bei Zweifeln eine Digitalisierung ab - aber einziehen tut sie Impfausweise aus Sorge vor Konfrontationen nicht.
Nicole Ausbüttel lehnt bei Zweifeln eine Digitalisierung ab – aber sie zieht die Impfausweise aus Sorge vor Konfrontationen nicht ein. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„Wir sollen nach bestem Wissen und Gewissen prüfen und bescheinigen. Wenn es für uns nicht nachvollziehbar ist, lehnen wir das ab“, macht Ausbüttel deutlich. Ein Hilfsmittel: Apotheken sind angehalten, das zu bescheinigen, was geografisch in der Nähe liegt. Denn quer durch die Republik oder gar im Ausland anzurufen, um eine Impfbescheinigung auf Echtheit zu prüfen, das müsse sie nicht tun. So wie bei einer Bescheinigung, die angeblich in Nizza ausgestellt worden sei.

Bei heimischen Praxen oder Stellen fragten sie dann auch nach. Aber wenn ihnen ein Impfausweis komisch vorkommt, stellen sie kein Zertifikat aus: „Es steht mir ja frei, die Ausstellung zu verweigern. Gehen sie hin, wo sie es herhaben“, gibt sie den Impfpassinhaber:innen mit auf den Weg. Denn auch die Praxis, die geimpft habe, könne im Zweifel eine Bescheinigung erstellen.

Kritik an Betrugsversuchen: „Fälschungen sind fatal für die Pandemie“

„Aber Beschuldigen finde ich schwierig“, sagt sie mit Blick auf die unsichere Rechtslage, ob dies nun Urkundenfälschung ist oder nicht. „Die Gesundheit des Teams ist mir wichtiger. Ich bescheinige dann nicht, aber behalte den Ausweis auch nicht ein. Das Einziehen mache ich nur in Ausnahmefällen“, sagt die Apothekerin mit Blick auf mögliche Gefahren für Leib und Leben. Schon die Diskussionen seien mitunter langwierig und wenig erfreulich.

Großes Interesse besteht an der neuen Impfstelle in der Berswordthalle - wo man ohne Termin zur Impfung kommen kann.
Aktuell gibt es ein großes Interesse an Impfungen – ein Grund sind die „2G“-Restriktionen für Ungeimpfte. Foto: Anja Cord für Nordstadtblogger.de

Zudem seien auch Apotheken nicht unfehlbar: „Wir haben uns auch schon geirrt, wo der Impfausweis in Ordnung war“, räumt sie ein. „Ich fechte diese Unausgegorenheit nicht aus, aber wir arbeiten nach Recht und Ordnung“, macht Nicola Ausbüttel deutlich. Dennoch macht sie keinen hehl daraus, was sie von solchen Betrugsversuchen hält: „Fälschungen sind fatal für die Pandemie.“

Das sehen auch die Kolleg:innen aus der Hafen-Apotheke so: Christina Wallrabe will weiter restriktiv sein – trotz der schlechten Erfahrung mit der Attacke gegen ihre Person. Eine Woche war sie deshalb krank geschrieben. Doch nachlassen will sie nicht: Denn ihre Tochter hat als Krankenschwester auf einer Covid-Intensivstation gearbeitet. Daher kennt sie die Bedeutung des Impfens…

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Reaktionen

  1. 56 Strafanzeigen mit 115 gefälschten Impfausweisen: Polizei warnt vor den Folgen einer Urkundenfälschung (PM)

    Apotheken und vereinzelt auch Arztpraxen zeigten im November 2021 der Polizei in Dortmund 56 Urkundenfälschungen an, bei denen Täterverdächtige mit gefälschten Impfnachweisen versuchten, einen QR-Code zum Beispiel für die Corona-Warn-App zu erhalten. Die für diese App eingescannten QR-Codes sind die personalisierten Nachweise für eine Coronaschutzimpfung, die bei Einlasskontrollen vorzuzeigen sind.

    Gegenstand der 56 Ermittlungsverfahren sind u.a. 115 gefälschte Impfnachweise und -ausweise, bei denen Apotheken und Ärzte einen Fälschungs-Verdacht schöpften. Das im Umgang mit Dokumenten und Menschen sehr erfahrene Personal erkannte in diesen Fällen die Fälschungs-Merkmale, überprüfte die in den Impfausweisen vermerkten Informationen an verschiedenen Stellen und verständigte bei begründetem Verdacht die Polizei.

    Da in den Impfbüchern immer auch die Personalien der Ausweisinhaber stehen, ist in zahlreichen Fällen eine Identifizierung der Tatverdächtigen leicht und damit das Entdeckungsrisiko hoch. Mögliche juristische Konsequenzen können nach Anklagen wegen Urkundenfälschung durch die Staatsanwaltschaft in den Verurteilungen vor Gericht zu empfindlichen Geldstrafen führen. Bei einem nicht vorbestraften Ersttäter sind zum Beispiel 30 bis 60 Tagessätze möglich. Damit kann eine Geldstrafe schnell auch ein Monatsgehalt übersteigen. § 267 des Strafgesetzbuches sieht darüber hinaus Freiheitsstrafen vor (bis zu fünf Jahre).

    Aufmerksam sind nicht nur Apotheken und Arztpraxen, sondern auch andere Bürgerinnen und Bürger. Sie gaben der Polizei Hinweise auf den Online-Handel mit gefälschten Impfnachweisen und -ausweisen, was ebenfalls ein Ermittlungsverfahren nach sich zog.

    Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange dankt den Apothekern und Arztpraxen für die Anzeigebereitschaft: „Denn wer einen Impfnachweis fälscht oder vorlegt, begeht nicht nur eine Straftat, sondern gefährdet in der aktuellen Lage die eigene Gesundheit und auch das Leben anderer Menschen. Fest steht: Die Pandemie können wir nur gemeinsam bewältigen. Für alle, die einen Nachweis für eine Impfung gegen Covid19 erhalten möchten, habe ich einen wertvollen Tipp: Übernehmen auch Sie Verantwortung. Zeigen Sie Solidarität – lassen Sie sich impfen. Das schützt nicht nur vor einer eigenen schweren Erkrankung und trägt zum Infektionsschutz bei, sondern führt kostenlos zu einem QR-Code, der vollkommen legal den Impfschutz nachweist.“

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