Eine Fassade und zwei Grabsteine sind die letzten Zeugnisse

Kaufhaus Gebr. Kaufmann: Erinnerung an ein ehemaliges Highlight des Westenhellwegs

Nur die Fassade der oberen Etagen zeugen von der alten Pracht
Nur die Fassade der oberen Etagen zeugen von der einstigen Pracht des Kaufhauses Gebr. Kaufmann in der City. Klaus Winter | Nordstadtblogger

Von Klaus Winter

Der Westenhellweg ist Dortmunds Einkaufsstraße Nr. 1. Dass er diese Entwicklung nahm, ist nicht zuletzt der Verdienst jüdischer Kaufleute. Warenhäuser wie Sternberg & Co., Biermann & Heinemann, Rose & Co. und andere zogen zu ihrer Zeit die Kundschaft in Scharen an. Doch heute ist von den meisten dieser Häuser nichts mehr zu sehen, die Namen sind vergessen. Die Fassade des ehemaligen Kaufhauses Gebr. Kaufmann an der Kreuzung Westenhellweg /Hansastraße lässt aber – zumindest in den oberen Geschossen – noch einen Hauch alten Glanzes erkennen.

Kleine Anfänge im Bergischen Land

Die Wurzeln des Dortmunder Kaufhauses Gebr. Kaufmann lagen in Langenberg im Bergischen Land. Zwei Brüder gründeten dort 1825 an der Hauptstraße in einem Haus mit einer Straßenfront von fünf Metern eine Manufakturwarenhandlung.

Allmählich stellte sich bei den Brüdern Kaufmann der Erfolg ein. 1873 konnten sie ihren Handel in ein größeres Haus in Langenfeld verlegen. Der wachsende Geschäftsbetrieb machte die Anstellung der ersten Verkäufer notwendig. Inzwischen waren auch Salomon und Hermann Kaufmann, Söhne des älteren Bruders des Gründerpaares in das Unternehmen eingestiegen.

Salomon und Hermann Kaufmann (Dortmunder Zeitung, 25.09.1932)
Salomon und Hermann Kaufmann (Dortmunder Zeitung, 25.09.1932) KW

In Elberfeld, Bochum und anderen Städten wurden Filialen eröffnet. Zu Beginn der 1880er Jahre fassten Salomon und Hermann Kaufmann in Dortmund Fuß. Sie kauften 1881 das Haus Westenhellweg 46 und bauten es für ihre Zwecke um. Von 1881 bis 1903 führten die beiden Brüder das Geschäft mit stetig wachsendem Erfolg.

Zum 1. Januar 1904 verkauften die Brüder ihr Kaufhaus in Dortmund aus gesundheitlichen Gründen und zogen sich ins Privatleben zurück. Neue Eigentümer wurden Joseph Wertheim und Leopold Jonas.

Neue Inhaber waren gelernte Kaufleute

Joseph Wertheim war 1868 in Bentheim geboren worden. Nach Beendigung seiner Volksschulzeit absolvierte er eine kaufmännische Lehre in Altenkirchen (Westerwald). Einige Jahre später trat er in Koblenz in das dortige Geschäft von S. und H. Kaufmann ein, wurde trotz seiner Jugend rasch Substitut und dann Abteilungsleiter. Schließlich leitete er selbständig die Filiale in Barmen, bis er nach Dortmund wechselte.

Leopold (Leo) Jonas stammte aus Borken (Westfalen), wo er 1869 geboren worden war. Nach der Schulzeit und einer kaufmännische Lehren besuchte er eine Handelsschule in Düsseldorf. Danach war er etwa acht Jahre als Angestellter bei einer größeren Textilfirma tätig. 1894 eröffnete er in Paderborn ein eigenes Textilwarengeschäft.

Wertheim und Jonas bauten ihr Haus ständig aus

Geschäftshaus Gebr. Kaufmann, Neubau von 1915 (Dortmunder Zeitung, 08.11.1915)
Geschäftshaus Gebr. Kaufmann, Neubau von 1915 (Dortmunder Zeitung, 08.11.1915) Klaus Winter | Nordstadtblogger

Das Geschäftsführer-Duo Wertheim /Jonas bewies bei der Führung ihres Geschäftes eine außerordentlich gute Hand. Die Umsätze stiegen von Jahr zu Jahr. Das gestattete ihnen 1906 den Erwerb des Nachbargrundstücks Westenhellweg 44, den Abriss des bisherigen Geschäftslokals und einen großen Neubau, der 1907 eröffnet wurde.

Schon 1910 wurden mit den Besitzungen Westenhellweg 42 und 40 weitere Nachbargrundstücke erworben. Die Häuser wurden niedergelegt, um den Kaufhaus-Neubau von 1907 zu erweitern. 1915 fand die Neueröffnung statt.

Durch diese Vergrößerungen hielt das nach wie vor unter Gebr. Kaufmann firmierende Geschäft mit der großen Konkurrenz in unmittelbarer Nachbarschaft (Warenhaus Althoff) Schritt.

Joseph Wertheim starb kurz vor dem großen Jubiläum

Wertheim und Jonas erwarben nach und nach auch die Grundstücke Westenhellweg 48 bis 56 und Mönchenwordt 2. Trotz der inzwischen ausgebrochen Wirtschaftskrise hatte sich die Geschäftsführung aufgrund des noch immer steigenden Kundenzuspruchs dazu entschlossen, ihre Räumlichkeiten nochmals zu vergrößern. Den Abschluss dieser Arbeiten erlebte Joseph Wertheim jedoch nicht mehr. Er starb nach langer Krankheit am 24. Dezember 1931 in den Städtischen Krankenanstalten.

Im Jahre 1932 war die Erweiterung des Geschäftshauses vollendet. Es besaß nun eine Verkaufsfläche von 5.400 Quadratmetern, drei Lichthöfe, die Tageslicht ins Innere leiteten, und mehr als 500 Angestellte. Rechtzeitig zum 50jährigen Bestehen des Unternehmens in Dortmund wurde das Haus mit einem großen Jubiläumsverkauf eröffnet.

Leo Jonas war prominentes Mitglied der Synagogengemeinde

Westenhellweg mit dem Geschäftshaus Gebr. Kaufmann im Lichterglanz, 1928 (Slg. Klaus Winter)
Westenhellweg mit dem Geschäftshaus Gebr. Kaufmann im Lichterglanz, 1928 (Slg. Klaus Winter) Klaus Winter | Nordstadtblogger

Die neue Pracht war nicht von Dauer. Schon wenige Monate nach dem großen Firmenjubiläum ergriffen die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland, und die Judenverfolgung begann. Schwere Zeiten brachen auch für das Kaufhaus Gebr. Kaufmann an.

Leo Jonas stand nicht nur als erfolgreicher – und vermögender – Kaufmann im Blickpunkt der Nationalsozialisten. Er war auch eine in der Synagogengemeinde Dortmund bekannte Persönlichkeit.

1914/15 war Jonas in die Repräsentantenversammlung der Synagogengemeinde gewählt worden. Mitte der 1920er Jahre übernahm er den Vorsitz in diesem Gremium. 1933/34 wurde er zum Vorsitzenden des Gemeindevorstands gewählt. Er engagierte er sich auch im Verein für jüdische Krankenpflege in Westfalen e. V., in dem er ab 1924 die Aufgaben des Vorsitzenden des Vereins übernahm.

Mit wenigen Handkoffern in die USA geflohen

Leopold Jonas verlor sein Kaufhaus, an dem die Witwe des Joseph Wertheim zur Hälfte beteiligt war, im Jahre 1936 durch Arisierung. Im Oktober 1938 floh er mit seiner zweiten Ehefrau, nur mit einigen Handkoffern ausgestattet, in die USA.

Mangels Sprachkenntnissen konnte der 70jährige in New York nicht mehr Fuß fassen. Seine Ehefrau eröffnete mit Hilfe von Verwandten einen kleinen Hutladen, in dem Leo Jonas mitarbeitete.

Familiengrab Jonas befindet sich auf dem Ostfriedhof

Grabmal der Familie Leo Jonas auf dem Ostfriedhof, heute
Grabmal der Familie Leo Jonas auf dem Dortmunder Ostfriedhof, heute. Klaus Winter | Nordstadtblogger

1950 kehrte Leo Jonas noch einmal nach Dortmund zurück, um im Rahmen der Wiedergutmachungsverfahren zu retten, was noch zu retten war. Doch das Kaufhaus Gebr. Kaufmann an der Straßenkreuzung Westenhellweg /Hansastraße war im Kriegsverlauf stark zerstört worden.

Leo Jonas verstarb 1951 in New York. Das Familiengrab auf dem Ostfriedhof hat sich erhalten. Bestattet wurden hier seine erste Ehefrau und die einzige Tochter. Weitere Inschriften erinnern an den auf der Flucht in Panama unter unbekannten Umständen 1940 verstorbenen Sohn und an Leo Jonas selber. Wer die Inschrift in Auftrag gegeben hat, ist nicht feststellbar.

Die Witwe Josephine Wertheim wurde deportiert

Grabmal der Familie Joseph Wertheim auf dem Dortmunder Hauptfriedhof, heute. Klaus Winter

Die Witwe Josephine Wertheim geb. Nathan verzog nach der Arisierung des Kaufhauses Gebr. Kaufmann nach Berlin. Von dort wurde sie nach dem „Osten“ deportiert.

Das Grab ihres 1931 verstorbenen Ehemannes befindet sich auf dem Hauptfriedhof. Auf dem Grabmal ist auch der Name Josephine Wertheim geb. Nathan mit dem Sterbedatum 31.12.1944 zu lesen.

Hintergrund:

  • Der Historische Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e. V. (gegr. 1871) ist Träger des Projekts „Jüdische Identität, jüdisches Leben und jüdische Friedhöfe in Dortmund“.
  • Ausgehend von einer wissenschaftlich fundierten Bestandsaufnahme aller historischen jüdischen Friedhöfe im Stadtgebiet sollen neue Erkenntnisse über das Leben und Wirken jüdischer Mitbürger gewonnen und dokumentiert werden.
  • Das Projekt wird gefördert mit Mitteln aus dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen („Heimatzeugnis“).
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