Stadtwerke-Konsortium verkauft den Essener Energieversorger

Der STEAG-Verkauf ist beschlossene Sache: DSW21 rechnet mit 600 bis 700 Millionen Euro

Das Stadtwerke-Konsortium KSBG hatte 2011 zunächst 51 Prozent und 2014 die restlichen Anteile an der STEAG übernommen. Jetzt werden beide Geschäftsbereiche an den spanischen Infrastruktur-Investor Asterion verkauft. Archivfoto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

DSW21 macht  – gemeinsam mit fünf weiteren Stadtwerken – Kasse mit dem Verkauf ihrer Beteiligung am Essener Energieunternehmen STEAG GmbH. Käufer ist der spanischen Infrastruktur-Investor Asterion Industrial Partners. Das Transaktionsvolumen beträgt rund 2,6 Milliarden Euro. Wieviel Geld genau davon der Kasse der Dortmunder Stadtwerke landet, wird sich erst nach dem Jahresabschluss zeigen. DSW21-Chefin Heike Heim rechnet mit 600 bis 700 Millionen Euro, wovon allerdings noch zahlreiche Verbindlichkeiten und Schulden getilgt werden müssen. Doch unter dem Strich könnte die hoch umstrittene und viel diskutierte Beteiligung letztendlich erfolgreich zu Geld gemacht werden.

STEAG-Anteil an Gesamtstromerzeugung in Deutschland beträgt fünf Prozent

Zur STEAG gehören die beiden Geschäftsbereiche STEAG Power GmbH und Iqony GmbH. Die STEAG Power betreibt an sechs Standorten in Deutschland Steinkohlekraftwerke. Ihr Anteil an der Gesamtstromerzeugung in Deutschland beträgt etwa fünf Prozent. 

Iqony bietet Lösungen für die Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung der Energieversorgung. Iqony setzt dabei auf regenerative Energien und Brückentechnologien, die in Zukunft auch klimaneutral eingesetzt werden können. Das Portfolio umfasst neben Solar, Wind, und Geothermie auch Wasserstofflösungen, Speichertechnologien, Engineering-Leistungen und moderne, perspektivisch mittels Wasserstoffeinsatz klimaneutrale Gaskraftwerke.

Das Steag-Kraftwerk in Lünen. Archivfoto: Karsten Wickern

Das Stadtwerke-Konsortium KSBG hatte 2011 zunächst 51 Prozent und 2014 die restlichen Anteile an der STEAG übernommen. Damals stand das Unternehmen vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Nach einer erfolgreichen Restrukturierung und Neuausrichtung der STEAG wäre aber auf die Eigentümer ein erheblicher weiterer Investitionsbedarf zugekommen. 

Angesichts dieser Entwicklung hatten sich die Eigentümer im Jahr 2022 entschieden, das Unternehmen zu verkaufen. In einem mehrmonatigen Bieterverfahren setzte sich nun Asterion mit dem wirtschaftlich besten Angebot durch. Zudem ist es erklärtes Ziel, die STEAG als Ganzes zu erhalten. In der Kohleverstromung leisten die Kraftwerke der STEAG weiterhin einen wesentlichen Beitrag zur Gewährleistung von Versorgungssicherheit in der Bundesrepublik und Europa. Für die in der Iqony gebündelten Zukunftstechnologien wird ein weiteres Wachstum erwartet. 

DSW21 ist mit 36 Prozent der größte kommunale Anteilseigner

„Mit Asterion ist für die bisherigen Anteilseigner und das Unternehmen die bestmögliche Lösung gefunden, damit sich beide Sparten des STEAG-Konzerns positiv weiterentwickeln können. Wir wünschen den Mannschaften von STEAG Power und Iqony von ganzem Herzen alles Gute und viel Erfolg auf ihrem weiteren Weg. Dass der STEAG-Konzern sich wandelt und für die Energiemärkte der Zukunft gut gerüstet ist, zeigen nicht zuletzt die aktuell sehr stabilen wirtschaftlichen Ergebnisse“, betonte Heike Heim, Vorstandsvorsitzende der Dortmunder Stadtwerke (DSW21) und Aufsichtsratsvorsitzende der KSBG.

Heike Heim ist Vorstandsvorsitzende von DSW21.
Heike Heim ist Vorstandsvorsitzende von DSW21. Foto: Christian Bohnenkamp

Die Dortmunder Stadtwerke sind mit einem Anteil von 36 Prozent der größte kommunale Anteilseigner. Mit dem Verkauf der STEAG als Ganzes sei die bestmögliche Lösung erreicht: „Wir als Stadtwerke hinter der KSBG haben die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass das dauerhafte Wachstum unsere Finanzkraft dauerhaft übersteigen würde.“ 

„Es war ein herausfordernder Prozess“, räumte Heim ein und erinnerte an die zahlreichen Veränderungen in den Rahmenbedingungen im Energiebereich, seitdem die Stadtwerke im Jahr 2010 die erste Tranche der STEAG gekauft hatten. „In den 13 Jahren gab es sehr große Unterschiede. So sei plötzlich der Atomausstieg vorgezogen worden und ein kompletter Kohleausstieg schien damals undenkbar. 

Die STEAG-Beteiligung war „eine reine Achterbahnfahrt“

„Die Gründe zu Kaufen haben sich ins Gegenteil verkehrt“, machte Heim deutlich. So war seinerzeit die Steinkohle explizit von der Politik gefordert und gefördert worden, weil sie energieffizienter und weniger klimaschädlich als Braunkohle sei. „Es waren eine ganze Reihe Zeitenwenden – sie nicht spurlos an den Gesellschaftern vorbeigegangen. Vor allem sei aber die STEAG-Mannschaft durch einen harten Restruktuierungs-Prozess gefordert gewesen. „Das Unternehmen steht heute ganz anders da“, so die DSW21-Chefin.

Die Zentrale der Steag in Essen. Foto: Alex Völkel
Die Zentrale der Steag in Essen. Archivfoto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

„Der Tag, an der der Aufsichtsrat einstimmig für den Verkauf entschieden hat, war ein guter Tag für die Stadt und für die Steag“, zieht Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal ein vorläufiges Fazit. „Rückblickend kann man sagen, das war eine reine Achterbahnfahrt, auch mit den anderen Anteilseignern.“ Während diese in den Krisenzeiten kein weiteres Geld nachschießen und lieber heute als morgen aus dem Steag-Deal hätten aussteigen wollen, hatte Dortmund Kurs gehalten. 

Sowohl der Kauf als auch die Aufstockung der Beteiligung waren politisch umstritten – es gab sehr kontroverse Diskussionen in den Gremien des Dortmunder Rates. „Dortmund hat die ganze Zeit ausgezeichnet, dass wir zum STEAG-Konzern stehen. Wir wollten nicht Hals über Kopf raus und investierte Werte verbrennen“, so Westphal. Stattdessen habe man „mit kühlem Kopf überlegt, was man noch am Markt gestalten könnte. Allein in der Zeit hat sich der Markt drei Mal gedreht.“ 

Von der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu sprudelnden Gewinnen

2020 lag ein Sanierungsgutachten vor, weil die Zahlungsunfähigkeit der STEAG drohte. „Da gab es einige, die nicht schnell genug rauswollten. Wir sind heute froh, dass wir daran festgehalten haben und haben Ruhe in der Anteilseignerschaft“, so Dortmunds OB. 

Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal
Dortmunds OB Thomas Westphal Foto: Anja Cord für Nordstadtblogger.de

Er machte allerdings auch keinen Hehl daraus, dass die Folgen des Ukraine-Kriegs und die damit verbundene Energiewende der STEAG und ihren Steinkohle-Kraftwerken massiv in die Karten gespielt hatte. Die Erlöse sprudelten wie nie. Das gab letztendlich auch den Ausschlag für den Investor, das Unternehmen mit der grünen und der schwarzen Sparte zu übernehmen.

Die entgültigen Zahlen und die Erlöse werden erst nach dem Jahresabschluss für 2023 vorliegen. Und auch dann werden die wahrscheinlichen Verkaufserlöse von 2,6 Milliarden Euro nicht in voller Höhe auf den Konten der Gesellschafter landen. Denn sowohl die Beteiligungsgesellschaft als auch die einzelnen Stadtwerke haben die milliardenschwere Investition mit Unterstützung von Banken realisiert. Diese wollen nun ebenfalls ausgezahlt werden. Außerdem gibt es weitere Verbindlichkeiten – alleine die Pensionsrückstellungen belaufen sich auf rund 1,2 Milliarden Euro. 

Fließen die Erlöse in Investitionen in die Mobilitäts- und Energiewende?

DSW21-Finanzvorstand Jörg Jacoby
DSW21-Finanzvorstand Jörg Jacoby Foto: DSW21

Allerdings bleibt „ein Rest, der an Gesellschafter verteilt werden kann“. Doch auch darüber gibt es noch Diskussionen, da an verschiedenen Stellen noch Gewerbe- und Körperschaftssteuern entstehen. „Wir erwarten 600 bis 700 Millionen Euro, die als Liquiditätszufluss nach Dortmund kommen“, rechnet DSW21-Finanzvorstand Jörg Jacoby, der den Steag-Kauf von Anfang an begleitet hatte. 

Doch als Gewinn landet die Summe nicht in den Büchern. „Der Wert der Beteiligungen und der Gesellschafterdarlehen müssen zurückgeführt werden. Wir müssen das Thema STEAG bilanziell neutralisieren“, so der Finanzvorstand. Auch Heike Heim und Thomas Westphal bemühten sich, die Begehrlichkeiten insbesondere im Dortmunder Stadtrat klein zu halten. Die grün-schwarze Projektpartnerschaft hatte schon eine Wunschliste vorgestellt, was man mit den Erlösen alles finanzieren könne.

„Es gibt eine Summe zwischen 600 bis 700 Millionen Euro – das ist die erste Schätzung. Das wäre Cash und noch kein Gewinn. Wir wollen alle Schulden und sonstige Verpflichtungen aus dem STEAG-Kauf neutral stellen“, rechnet heim vor. „Das kann man vor die Klammer ziehen. Damit so geht eine teilweise Entschuldung der DSW einher. Dann bleibt hoffentlich ein positiver Betrag.“ 

Investitionen „in bestem Einvernehmen mit der Stadt“ geplant

Diesen wolle man „in bestem Einvernehmen mit der Stadt investieren“ – der „starke Fokus“ liege dabei vor allem auf der Mobilitäts- und Energiewende. Denn mit dem Ziel einer Klimaneutralität 2035 stünden immense Investitionen in die Fahrzeugflotte und Infrastruktur, aber auch die Strom- und Wärmenetze an. „Trotz dieser erheblichen Summe – wir sind damit zufrieden und glücklich – gibt es aber keine Spielräume für ein „wünsch dir was“. Wir sollten genau überlegen, wofür wir unsere Mittel einsetzen.“

Die Zentrale der Steag in Essen. Foto: Alex Völkel
Die Zentrale der Steag in Essen. Archivfoto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Das fordert auch der OB als Aufsichtsratschef von DSW21: „Natürlich ist das nicht wenig Geld. Aber auch nicht so viel, dass alles, was man sich vorstellen kann, davon finanziert werden kann. Der in Rede stehende Verkaufserlös entspreche gerade dem Jahresbudget des Dortmunder Sozialamtes. „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel, um eine große Liste vorweihnachtlicher Freude aufstellen. Die eigenen Verbindlichkeiten abzudecken sei völlig richtig. „ÖPNV und Energieversorgung sind das Kerngeschäft und das sollte im Mittelpunkt stehen“, stellte Westphal klar.

„Die Verteilung ist Aufgabe der Gesellschaft und der Gesellschafter. Das ist im Kern eine unternehmerische Aufgabe und wird mit dem Rat abgestimmt. Aber das ein Ergebnis eines unternehmerisches Prozesses und kein unerwarteter Geldsegen. „Darüber wird man sich im Aufsichtsrat und im Rat verständigen müssen. Das machen wir bei allen Jahresabschlüssen der Töchter so“, betont Westphal.

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Reaktionen

  1. Erfolgreiche Privatisierung der STEAG – Erlöse nur für Investitionen nutzen (PM FDP/Bürgerliste)

    Zum Verkauf der STEAG an den spanischen Investor Asterion erklärt der Fraktionsvorsitzende von FDP/Bürgerliste im Dortmunder Stadtrat, Michael Kauch:

    „Als FDP/Bürgerliste freuen wir uns über die erfolgreiche Privatisierung der STEAG. Die STEAG hat eine gute Zukunft und Dortmund bekommt nennenswerte Netto-Erlöse. Diese dürfen aus unserer Sicht nur für zusätzliche Investitionen ausgegeben werden, nicht um Löcher im städtischen Haushalt zu stopfen.

    Mit dem Verkauf haben die Stadtwerke ein finanzielles Abenteuer beendet, das böse hätte ausgehen können. Zum positiven Ergebnis haben sowohl die Energiekrise im Zuge des Ukraine-Krieges als auch eine kluge Sanierungsstrategie beigetragen.

    Die Privatisierung setzt eine Forderung der FDP bei der Kommunalwahl 2020 um. Wir hatten nachdrücklich den Verkauf der Dortmunder Anteile an der STEAG gefordert. Bereits im Dezember 2020 beschloss der Rat dann auf Antrag von Grünen, CDU und FDP/Bürgerliste, ein Treuhandmodell für die Sanierung und den Verkauf der STEAG voranzutreiben. Dieser Prozess ist für Beschäftigte wie Anteilseigner erfolgreich abgeschlossen. Das sollte Motivation sein, jetzt auch die RWE-Beteiligung zu verkaufen.“

  2. Nils Dickel

    Danke Stadt Essen,

    DSW und andere Kommunen/ kommunale Unternehmen haben Reibach gemacht,und die Menschen in Essen Zahlen jetzt überteuerte Fernwärme Preise. Hoffe das Kartellamt kümmert sich möglichst bald.

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