Rechtsextremer Duisburger pflegt enge Kontakte zu Dortmunder Nazis

Der jüngste Angriff auf das Taranta Babu, ein kurzer Prozess und die Frage nach dem Motiv

Mehrere Scheiben wurden von den Tätern beschädigt bzw. eingeschlagen.
Mehrere Scheiben des „Taranto Babu“ wurden von den Tätern beschädigt bzw. eingeschlagen. Leopold Achilles | Nordstadtblogger

Von Paulina Bermùdez und Julius Obhues

Im vergangenen Herbst kam es zu einer Sachbeschädigung am links-alternativen Literaturort „Tatanta Babu“. Gäste des Kulturortes konnten einen der beiden Täter noch vor Ort stellen. Nach einer kurzen Verhandlung folgte in der vergangenen Woche das Urteil: 80 Tagessätze à 40 Euro. Die Frage nach dem Motiv des Täters blieb offen, obwohl dieser von der Polizei als rechtsextrem eingestuft wird und enge Kontakte zu bundesweit bekannten Dortmunder Neonazis pflegt.

Angriff auf einen links-alternativen Kulturort: Gäste stellen vermummten Täter

Aus Solidarität mit dem Taranta Babu wurde letztes Jahr ein Fest veranstaltet. Paulina Bermúdez | Nordstadtblogger

In der Nacht zum 26. Oktober zerstörten zwei maskierte Personen mit Backsteinen die großen Schaufensterscheiben am Buchladen des „Taranta Babu“ und schlugen anschließend zwei kleinere Fenster an der Café-Tür des linken Literaturorts ein. 

Gäste und Personal, die sich an dem späten Abend wider Erwarten der Täter noch im Café aufhielten, reagierten umgehend und nahmen die Verfolgung auf. Einer der beiden vermummten Täter stolperte, fiel und wurde so gestellt. Der zweite Täter konnte entkommen. 

Am Morgen nach dem Angriff folgten zudem zwei Drohanrufe. Da das „Taranta Babu“ bereits in der Vergangenheit das Ziel von rechtsextremen Angriffen geworden war, übernahm der polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen. Im vergangenen Herbst erfolgten zudem weitere Angriffe auf andere Dortmunder Kulturorte. 

Täter wird von der Dortmunder Polizei als rechtsextrem eingestuft

Anfang letzter Woche wurde der Angriff nun vor dem Amtsgericht Dortmund verhandelt. Bei dem Täter handelt es sich um den Duisburger Dennis A., der in der Vergangenheit noch nicht straffällig geworden war. Und trotzdem ist A. kein unbeschriebenes Blatt: Er pflegt Kontakte zur Dortmunder Neonazi-Szene.

Dennis A. (r.) und Steven Feldmann. Screenshot: Instagram 14. Juli 2023

„A. ist seit längerer Zeit fester Bestandteil des extrem rechten und gewaltbereiten Umfelds um Steven Feldmann und pflegt enge, freundschaftliche Beziehungen in die Szene“, bewertet die Dortmunder Mean Streets Antifa (MSA), die A. schon länger auf dem Radar hat.

Ein Beleg für das enge Verhältnis des Duisburgers zur Dortmunder Neonazi-Szene ist ein Post des bundesweit bekannte Gewalttäters Steven Feldmann, der an A.’s Geburtstag ein Foto von sich mit A. veröffentlichte und A. seinen „Liebling“ nannte.

Auch besuchte Feldmann gemeinsam mit dem seit kurzem in der Dortmunder Nazi-Szene beheimateten Lennard K, der an den gewaltvollen Angriffen auf wohnungslose Personen im Brückstraßenviertel beteiligt war, Dennis A. in Duisburg. 

Die Dortmunder Mean-Streets Antifa gibt auch an, dass A. in der Vergangenheit auch einschlägige Events besucht habe, wie das illegale Dortmunder Kampfsportevent „Schlagabtausch“ – kurz „SA“. Die Dortmunder Polizei erklärt auf Anfrage, dass sie Dennis A. als rechtsextrem einstufe und Kennverhältnisse zur Dortmunder Neonazi-Szene bestünden.

Rechtsextremist greift linken Kulturort an – Gericht kann kein Motiv feststellen

Im Prozess, der vor dem Dortmunder Amtsgericht verhandelt wurde, schwieg Dennis A. zunächst. Erst auf den Hinweis der Richterin, dass sich ein Geständnis positiv auf das Strafmaß auswirke und die Beweislast erdrückend sei, zog er sich mit seinem Rechtsbeistand zurück. Anschließend bekannte sich A. über seinen Anwalt zu der Tat. Dadurch wurde lediglich der Geschädigte zu dem entstandenen Schaden befragt, aber keine weiteren Zeug:innen mehr vernommen.

Dennis A. (m.) mit Lennard K. (r.) und Steven Feldmann Screenshot Instagram 1. August 2023

Zu den Motiven wollte der Rechtsextremist nichts sagen, was das Gericht ohne Nachfrage akzeptierte. Auch die politische Gesinnung des Duisburgers wurde im Prozess nicht aufgegriffen – trotz seiner Nähe zu gewaltbereiten, mehrfach vorbestraften Neonazis. Ebenso wenig wurden die Drohanrufe am Tag nach dem Angriff, in denen die Täter drohten „Es ist noch nicht vorbei!“ weder von der Richterin, noch von der Amtsanwältin im Prozess thematisiert. Zu dem Mittäter machte Dennis A. ebenfalls keine Angaben.

Das Verhalten des Gerichts sorgte für Unverständnis bei den auf der Zuschauertribüne sitzenden Unterstützer:innen des „Taranta Babu“. Viele hielten es für fragwürdig, weshalb ein in Duisburg wohnender Mann mitten in der Nacht maskiert und mit Ziegelsteinen bewaffnet die Scheiben eines überregional bekannten linksalternativen Kulturcafés einwarf – aus spontaner Lust auf eine Sachbeschädigung, ohne tiefergehendes Motiv?

Doch ohne all diese Fragen zu klären, folgte die Richterin der Forderung der Staatsanwaltschaft: Aufgrund der Sachbeschädigung verurteilte das Gericht den Angeklagte zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 40 Euro. Begründet wurde das Urteil damit, dass Dennis A. zuvor nicht straffällig in Erscheinung getreten war. Die Verhandlung dauerte etwa 45 Minuten.

„Die fehlende Einordnung der politischen Einstellung und Verflechtungen A.’s in die Nazi-Szene grenzt für uns an Ignoranz“, bemerkt die Mean Streets Antifa in Bezug auf den Umgang des Gerichts mit dem Verurteilten. Das Amtsgericht erklärt auf Anfrage, dass ihnen die „für eine politisch motivierte Tat sprechenden Indizien“ nicht ausgereicht hätten. Zudem bestünden für die polizeiliche Einschätzung des Verurteilten andere Maßstäbe als für die Überzeugungsbildung des Gerichts.

Opferberatung „BackUp NRW“ wünscht sich mehr Beachtung der Tatmotivationen

„Wir beobachten häufig, dass rechte, rassistische oder antisemitische Tatmotive in Prozessen kaum oder wenig thematisiert werden“, erklärt BackUp NRW, die Beratungsstelle für Betroffene rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Sie findet, dass die Beweggründe einer Straftat immer eine Rolle spielen sollten.

Die Jahresbilanz 2022 von BackUp NRW und der OBR zu rechts motivierten Straftaten. Grafik: „BackUp NRW

Die Frage nach dem „Warum?“ sei besonders wichtig für die Betroffenen von rechter Gewalt, um die Geschehnisse verarbeiten zu können, führt BackUp weiter aus. Zudem sei es bedeutsam für die Geschädigten, dass rechte Tatmotive anerkannt und benannt würden, damit sie sich ernst genommen und geachtet fühlten.

Nichtbeachtung der Tatmotivation wirke sich auch auf die Erfassung von Fällen aus, informiert BackUp. Ausschlaggebend für die Einordnung der Tat sei für die Beratungsstelle vor allem die Perspektive der Opfer: „Betroffene kennen ihre Realität am Besten, die wollen wir ihnen nicht absprechen.“ Da sich die Kriterien für die Einordnung einer politisch motivierten Straftat zwischen staatlichen Institutionen und Opferberatungsstellen unterscheide, gebe es in Bezug auf Jahresbilanzen und Fallzahlen Diskrepanzen, so BackUp NRW.

Staatsanwaltschaft stuft den Fall als politisch-motiviert ein

Die Staatsanwaltschaft Dortmund sieht den Grund der fehlenden Thematisierung des Tatmotivs in dem Geständnis des Angeklagten. Denn dieses sei als glaubhaft eingestuft worden, wodurch keine weitere Beweisaufnahme erfolgt sei und somit auch keine weiteren Zeug:innen vernommen wurden.

Die Jahresbilanz der Polizei zu rechten Straftaten 2022 in Dortmund. BackUp NRW verzeichnete 26 Delikte. Polizei Dortmund

Auch die Staatsanwaltschaft erachte die Motivlage als wichtig, allerdings sei die Hauptaufgabe der Staatsanwaltschaft den Straftatbestand nachzuweisen, was im Fall von Dennis A. erfolgreich war, informiert der stellvertretende Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund, Tobias Wendt.

In der Akte, die der Staatsanwaltschaft zu Dennis A. vorlag, hätten sich aber durchaus die Berichte der Polizei, des Staatsschutzes und ein Presseartikel befunden. Zudem sei die Sonderabteilung für politische Straftaten für den Fall zuständig gewesen.

Allerdings sei die Dezernentin, die die Anklage geschrieben hatte, nicht im Prozess anwesend, weshalb der Fall von einer Amtsanwältin übernommen wurde, so Wendt. Ob das Verfahren in die Statistik rechtsextremistischer Straftaten einfließen würde, konnte die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage nicht beantworten.

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