DGB informiert über neue Regeln und fordert Hilfen für Energiekrise

17 Prozent der Beschäftigten in Dortmund profitieren von der Mindestlohnerhöhung

Die Mindestlohnentwicklung in Deutschland seit seiner Einführung zum 1. Januar 2015 bis Oktober 2022.
Die Mindestlohnentwicklung in Deutschland seit seiner Einführung zum 1. Januar 2015 bis Oktober 2022

Eigentlich wäre es für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften ein Grund, die Sektkorken knallen zu lassen. Ab dem 1. Oktober 2022 wird der gesetzliche Mindestlohn bundesweit auf 12 Euro pro Stunde angehoben. Dafür haben sie jahrelang gekämpft. Doch die explodierenden Lebenshaltungs- und Energiekosten fressen den Zuverdienst wieder auf. Daher hat der DGB im Berufsverkehr am Hauptbahnhof über die Veränderungen informiert und auch die aktuellen Forderungen publik gemacht. Dazu gehört u.a. die Forderung nach einem Gaspreisdeckel.

48.000 Dortmunder Beschäftigte profitieren von Mindestlohnerhöhung

Bei allen aktuellen Herausforderungen: Die damals hoch umstrittene Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro zum 1. Januar 2015 war ein Erfolg. Während in den Folgejahren der Mindestlohn im Cent-Bereich anstieg, gibt es nun durch die SPD-geführte Ampel-Regierung einen kräftigen Schluck aus der Pulle: Während Anfang des Jahres der Mindestlohn noch bei 9,82 Euro lag, stieg er zum 1. Juli auf 10,45 Euro und ab Oktober auf 12 Euro. Ausgeschlossen davon sind weiterhin Auszubildende, Praktikant:innen und minderjährige Beschäftigte.

Grafik: DGB

Dieser deutliche Sprung hilft vielen Menschen in der aktuellen Lage: Allein in Dortmund profitieren über 48.000 Menschen, die derzeit noch einen geringeren Stundenlohn als 12 Euro beziehen. Diese Gruppe macht immerhin 17 Prozent der Dortmunder Beschäftigten aus und die Erhöhung bedeutet für sie teilweise eine deutlich höhere Entlohnung.

Diesen gewerkschaftlichen Erfolg hat der DGB am Morgen sichtbar gemacht und im Rahmen einer bundesweiten Pendler:innen-Aktion auch am Dortmunder Hauptbahnhof eine Verteilung organisiert. Dabei wurden nicht nur Informationen zum Mindestlohn, sondern auch aktuelle Tipps zum Bewältigen von Inflation und Preissteigerungen unters Volk gebracht.

Die Erfolge drohen durch Inflation und Kostensteigerungen zu verpuffen

Der DGB und seine Mitgliedgewerkschaften haben heute morgen zum Thema Mindestlohn und Energiekosten informiert.
Der DGB und seine Mitgliedgewerkschaften haben heute morgen zum Thema Mindestlohn und Energiekosten informiert. Foto: DGB Dortmund

Der Mindestlohn ist für den DGB ein Erfolgsmodell: „Vor allem Frauen profitieren, weil sie oft weniger verdienen. Besonders im Handel, in der Gastronomie, bei Lieferdiensten und im Gesundheits- und Sozialwesen führen die 12 Euro zu Verbesserungen“, betont die Dortmunder DGB-Vorsitzende Jutta Reiter. 

„Wir wissen aber auch, dass der Mindestlohn nach wie vor nicht bei allen Beschäftigten ankommt. Ausnahmen und Tricksereien der Arbeitgeber:innen sorgen auch vor Ort für vielfache Umgehung. Mit der Pendleraktion wollen wir daher Beschäftigte darüber informieren, was sie im Falle von Mindestlohn-Betrügereien unternehmen können“, so Reiter.

Dabei ist den Gewerkschafter:innen klar, dass der Mindestlohn nur eine Lohnuntergrenze darstellt, mit der viele Beschäftigte auch in Zukunft nicht ihre Alterssicherung sichern können. Vor allem, wo die Erfolge nun durch Inflation und Kostensteigerungen zu verpuffen drohen. Doch dem eigenen Einfluss, durch Sparmaßnahmen die Kosten zu senken, sei irgendwann eine Grenze gesetzt. 

Auch viele Beschäftigte können Heizkosten-Übernahme beantragen

Strom- und Gassperrungen sind in Dortmund keine Seltenheit. Fotos: Alex Völkel
Viele Haushalte sind kaum mehr in der Lage, für ihre Energiekosten aufzukommen. Archivfoto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

„Wir wollen darüber informieren, welche Beratungsangebote es gibt, die rund um das Thema Wohnen und Energie Hilfestellung bieten können und welche Möglichkeiten es darüber hinausgibt, Unterstützung zu finden“, ergänzt Gewerkschaftssekretär Klaus Waschulewski.

„Spätestens die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2022 werden viele Menschen nicht mehr zahlen können. In Dortmund wird damit gerechnet, dass bis zu 60.000 Menschen davon betroffen sein werden“, warnt Jutta Reiter. 

„Vielen Beschäftigten ist nicht bewusst, dass auch für sie ein grundsätzlicher Anspruch zur Heizkosten-Übernahme durch den Staat besteht. Wir haben dazu auf unserer Homepage Informationen und Links zusammengestellt, die den Menschen den Weg zur Unterstützung erleichtern können“, so die DGB-Chefin.

„Wir dürfen die Energiekrise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten austragen“

Auch in den Betrieben ist die Verunsicherung der Beschäftigten spürbar: Die Gewerkschaften setzen daher neben der Aufklärung über die Entlastungspakete des Bundes vor allem bei ihren Tarifverhandlungen darauf, die Einkommenssituation der Beschäftigten zu verbessern: durch spürbare Erhöhungen in den Entgeltverhandlungen soll langfristig das Einkommen gesichert und der Inflation begegnet werden.

Der DGB und seine Mitgliedgewerkschaften haben heute morgen zum Thema Mindestlohn und Energiekosten informiert.
Der DGB und seine Mitgliedgewerkschaften haben heute morgen zum Thema Mindestlohn und Energiekosten informiert. Foto: DGB Dortmund

Klar ist für den DGB: Einen Verzicht von Seiten der Beschäftigten kann und wird es auch und gerade in der aktuellen Lage nicht geben: „Wir dürfen die Energiekrise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten austragen. Sie brauchen einen gerechten Anteil am Produktivitätszuwachs“, betont Jutta Reiter. 

Langfristig gingen alle Fortschritte nur über Tarifbindungen und den Einsatz der Beschäftigten für bessere Löhne und Gehälter. Dies hätten mehrere Branchen vorgemacht – von der Eisen- und Stahlindustrie bis zur Reinigungsbranche. „Die Tarifentwicklung konnte sich sehen lassen, das hatten wir lange nicht mehr“, so Reiter. 

Gerade die Reinigungsbranche hätte sich in den vergangenen Jahren stark für höhere Tariflöhne eingesetzt und schon vor der Erhöhung des Mindestlohn mehr als 13 Euro erstritten – ein Erfolg für die zuständige IG BAU. Damit lagen die Reinigungskräfte mittlerweile auf dem Niveau der unteren Lohngruppen in der Verwaltung. „Die Beschäftigten in der Verwaltung mussten erkennen, dass man sich Lohnsteigerungen erkämpfen muss“, so Reiter.

DGB fordert Energiepreisdeckel und einen Härtefallfonds vom Land

An höheren Tariflöhnen und einer stärkeren Tarifbindung gehe kein Weg vorbei: „Hätten wir eine Tarifbindung in einer Höhe wie früher, hätten wir jetzt Löhne, wo man sich um diese ganzen Dinge nicht hätte kümmern müssen. Mit einem gutem Facharbeiterlohn kann man solche Krisen besser abfedern, als wenn Menschen nur den Mindestlohn bekommen“, macht die DGB-Chefin deutlich. 

Jutta Reiter -und Klaus Waschulewski stellten die Veränderungen und Forderungen des DGB vor.
Jutta Reiter -und Klaus Waschulewski stellten die Veränderungen und Forderungen des DGB vor. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Die aktuelle politische Diskussion um den Umgang mit der Gaspreisentwicklung sieht Jutta Reiter positiv: „Wir begrüßen ausdrücklich die Aufgabe der geplanten Gasumlage und die Überlegungen zu einem Energiepreisdeckel. In Ergänzung zu den Entlastungspaketen des Bundes fordern wir darüber hinaus von der Landesregierung die Einrichtung eines Härtefallfonds in Höhe von 100 Millionen Euro, damit Menschen in besonderen Notlagen schnell und unkompliziert Unterstützung bekommen können.“

„In der Corona-Pandemie war der Staat handlungsfähig und hat ganz viel abfedern können. Wie das jetzt sein wird, weiß ich nicht. Aber wenn man jetzt an der Schuldenbremse festhält, kommen wir nicht weiter“, kritisiert Reiter die Lindner’sche Fixierung auf die „Schwarze Null“. Der DGB begrüßt zwar die Einführung des Bürgergeldes. Das falle jedoch viel zu gering aus. Der Anstieg auf 508 Euro sei kaum mehr als ein Inflationsausgleich. Der DGB schließt sich der Forderung der Sozialverbände nach einer Erhöhung auf 674 Euro an.

Angesichts der Krisenauswirkungen auf alle Lebensbereiche bringen sich der DGB und seine Gewerkschaften an verschiedenen Stellen bei Aktivitäten ein, um auf die Auswirkungen der Kostenexplosion für die Dortmunder Bürgerinnen und Bürger zu reagieren: sei es bei einem bundesweiten Aktionstag des Bündnisses „Mietenstopp“ in Zusammenarbeit mit dem lokalen Bündnis „arm_in_Arm“ am 8.Oktober, bei Aktivitäten des Dortmunder Sozialforums am 14. Oktober oder anlässlich der Verdi-Initiative „Solidarisch durch die Krise“, die am 22.Oktober zu einer Veranstaltung in Düsseldorf aufruft.

Infomaterialien des DGB als PDF zum Download:

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Reaktionen

  1. Hochschulen NRW: ver.di kritisiert Lohndumping bei Studierenden (PM)

    Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft kritisiert das Lohndumping bei Beschäftigten (Studierende mit und ohne Bachelor-Abschluss) an den Hochschulen in NRW. Die Mehrheit der Hochschulen zahlt hier nur den gesetzlichen Mindestlohn und knapp darüber. Dies zeigt eine aktuelle Umfrage und Auswertung von ver.di. Arbeitnehmer*innen im Niedriglohnsektor zu beschäftigten entwertet die Leistungen in Lehre und Forschung.

    Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 01.10.2022 müssen 28 von 30 Hochschulen ihre Gehälter für diese Berufsgruppen auf den gesetzlichen Mindestlohn von 12,00 Euro erhöhen. „Studentisch Beschäftigte sind keine Hilfskräfte, sondern unersetzlich für den Betrieb von Lehre und Forschung.“, so Dirk Hansen, ver.di-Gewerkschaftssekretär für Bildung und Wissenschaft NRW. Eine Entlohnung auf Mindestlohnniveau ist aus Sicht der Gewerkschaft inakzeptabel.

    Besonders prekär ist die Situation für Hochschulbeschäftigte mit Bachelor-Abschluss, die sich zugleich auch bei ihrem eigenen Arbeitgeber durch das Fortführen des Studiums (Diplom, Master) weiter qualifizieren. Ihr Stundenlohn beträgt an den Universitäten ab Oktober 2022 durchschnittlich nur 13,72 Euro. Dies sind rund vier Euro weniger als berufliche Tätigkeiten mit einem Bachelor-Abschluss im öffentlichen Dienst. Die Hochschulen begründen dies damit, dass bei dieser Beschäftigtengruppe das Studium an der jeweiligen Hochschule im Vordergrund stehe und dies die Zahlung von Niedriglöhnen rechtfertige. ver.di kritisiert diese Vorgehensweise der Hochschulen und fordert eine bessere Zahlung.

    „Bachelorabsolvent*innen verfügen über ein vollwertiges dreijähriges Studium. Hochschulen, die dies nicht finanziell honorieren, werten den Bachelor-Abschluss ab, bestrafen den Willen zur Fortbildung und betreiben Lohndumping.“, so Hansen.

    ver.di fordert die Arbeitgeber auf, diesen unhaltbaren Zustand zu beenden. Sie müssen ihren Einfluss im Arbeitgeberverband deutscher Länder geltend machen, damit für studentisch Beschäftigte und sog. wissenschaftliche Hilfskräfte ein Tarifvertrag abgeschlossen wird. Nur auf diesem Weg sei eine faire und transparente Lohngestaltung möglich.

  2. Mehr Lohn und mehr Respekt für 46 000 Beschäftigte In Dortmund – SPD-Arbeitsgemeinschaft feiert den 12 Euro Mindestlohn (PM)

    Zum 1.Oktober 2022 steigt der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro. Dieser Schritt bedeutet für über 46 000 Beschäftigten in Dortmund eine reale Lohnerhöhung wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) im Dezember 2021 mitteilte.

    „Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeit hat gemeinsam mit den Gewerkschaften über Jahre für eine deutliche Erhöhung des Mindestlohnes gekämpft. Die SPD hat die gesetzlichen Grundlagen für den Mindestlohn vor Jahren geschaffen, und jetzt erfolgt die von der SPD versprochene Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro. Das ist für die Arbeitsgemeinschaft für Arbeit eine reale Erfolgsgeschichte.“ erklärt Ulrich Piechota AfA Vorsitzender in Dortmund und stellvertretender AfA Bundesvorsitzender und weiter „aber natürlich stellt der Mindestlohn immer nur eine absolute Lohn-Untergrenze dar. Deshalb kämpfen wir in der SPD auch in Zukunft weiter für eine starke Tarifbindung. Nur mit Tarifverträgen können wir flächendeckend für gute Arbeit in Deutschland und Dortmund sorgen.“

    Die Erhöhung des Mindestlohns ist eine Frage des Respekts und der Anerkennung. Wer Woche für Woche gute Leistungen bringt, muss auch davon leben können. Steigende Preise und die wachsende Unsicherheit betreffen vor allem Menschen mit kleinem Einkommen. Auch wenn die Erhöhung des Mindestlohns die aktuelle Preissteigerungswelle nicht auffangen kann, bedeutet sie für über 6 Millionen Beschäftigte in Deutschland eine wichtige Entlastung.

  3. Die Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld wurden verlängert (PM)

    Die Bundesregierung hat die Verlängerung der Zugangserleichterungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld bis Ende des Jahres beschlossen.

    Bis zum 31. Dezember 2022 ist es weiterhin ausreichend ist, wenn in Betrieben mindestens 10 Prozent der Beschäftigten einen Arbeitsausfall von mehr als 10 Prozent haben. Zudem wird auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden verzichtet. Diese Zugangserleichterungen umfassen auch Betriebe, die ab dem 1. Oktober 2022 neu oder nach einer mindestens dreimonatigen Unterbrechung erneut Kurzarbeit anzeigen müssen.

    Unverändert bleibt: Die Sozialversicherungsbeiträge werden für die ausgefallenen Arbeitsstunden bis maximal Juli 2023 zur Hälfte erstattet, wenn die Kurzarbeit mit einer beruflichen Weiterbildung verbunden wird, die bestimme Voraussetzungen erfüllt.

    Die wichtigsten Informationen zum Kurzarbeitergeld und zur Qualifizierung während Kurzarbeit sind auf den Seiten der Bundesagentur für Arbeit zusammengestellt:

    https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/informationen-fuer-unternehmen-zum-kurzarbeitergeld

    https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/foerderung-von-weiterbildung

  4. Entscheidung der Mindestlohnkommission fehlt der Respekt vor den Beschäftigten (PM)

    Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeit verurteilt die Entscheidung der Mindestlohnkommission den Mindestlohn in den kommenden zwei Jahren, nur um jeweils 41 Cent zu erhöhen. Dies entspricht einer prozentualen Anhebung um 3,4 Prozent im ersten Jahr und 3,3 Prozent im zweiten Jahr.

    „Die Arbeitgebervertreter in der Mindestlohnkommission reihen sich mit dieser Entscheidung, in die sture Haltung der Arbeitgeberverbände ein, die in den diesjährigen Tarifrunden den Beschäftigten keine fairen Angebote gemacht haben.“ So Ulrich Piechota Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit und weiter „Den Arbeitgebern fehlt jeglicher Respekt vor den Menschen, die mit ihrem geringen Einkommen kaum in der Lage sind, den augenblicklichen Preissteigerungen begegnen zu können. Der Kaufkraftverlust für sechs Millionen Mindestlohnbeschäftigten setzt sich somit weiter fort.“

    In allen Branchen sind Tarifsteigerungen in diesem Jahr oft nur durch massive Warnstreiks der Beschäftigten zustande gekommen. Bedauerlicherweise sind die fast 6 Millionen Beschäftigten, die gezwungen sind für einen Mindestlohn zu arbeiten nicht in der Lage einen Arbeitskampf zu führen. Diesen Tatbestand nutzen die Arbeitgebervertreter schamlos aus.

    Im konservativen Sprachgebrauch heißt es oft „Leistung muss sich lohnen“. Die Arbeitgebervertreter in der Mindestlohnkommission sind mit ihrer Entscheidung weit davon entfernt dieser Aussage eine Grundlage zu geben und tragen weiter dazu bei, den sozialen Frieden in der Gesellschaft zu gefährden.

    Für die Arbeitsgemeinschaft für Arbeit ist eine Reform des Mindestlohngesetzes unumgänglich.

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