Wenn das Vergessen zur Krankheit wird: Seit 30 Jahren arbeitet die Alzheimer-Selbsthilfe ehrenamtlich in Dortmund

Der neu gewählte Vorstand (v.li.): Angelika Mehring (Kassiererin), Kerstin Jung, Beate Katarrs, (alle Beisitzerinnen), Marlis Langkeit (2.Vorsitzende), Markus Schimpft (Schriftführer), Mirko Pelzer (1. Vorsitzender), Johanna Kossmann (Beiseitzerin). Es fehlt: Ulrike Klepczynski
Der neu gewählte Vorstand (v.li.): Angelika Mehring (Kassiererin), Kerstin Jung, Beate Baars, (alle Beisitzerinnen), Marlis Langkeit (2.Vorsitzende), Markus Schmidt (Schriftführer), Mirko Pelzer (1. Vorsitzender), Johanna Kossmann, Maxi Eifler (Beisitzerinnen). Es fehlt: Ulrike Klepczynski

Wenn das Vergessen zur Krankheit wird, wird die Situation für Angehörige, Freunde und Nachbarn zu einer Herausforderung und mitunter zur extremen Belastung. Weil es quasi keine Hilfen gab, hat sich vor 30 Jahren eine Selbsthilfegruppe von Menschen gegründet, die an Demenz erkrankte Menschen zu Hause betreuen. Ein Jahr später – 1990 – ist daraus die Alzheimer Gesellschaft Dortmund e.V. entstanden. Deren Vorstand hat sich jetzt neu formiert und will mit etablierten und neuen Angeboten ins Jubiläumsjahr gehen.

Aus einer Selbsthilfegruppe wurde nach nur einem Jahr ein Verein

Manche der Menschen aus der ersten Stunde sind noch heute dabei – aus Angehörigen sind Aktivposten im Verein geworden, die sich den verschiedensten Herausforderungen stellen. „Als wir 1989 die Selbsthilfe-Gruppe gegründet haben, gab es einen riesigen Zulauf. Es gab damals noch nicht viele Hilfsangebote“, erinnert sich Angelika Mehring, heute Kassiererin des Vereins. „Damals gab es noch keine Öffentlichkeit“, ergänzt Maxi Eifler. 

Durch ihre Mutter hatte sie erlebt, wie wenig Senioren-Einrichtungen damals auf Demenz vorbereitet waren. Die Angehörigen organisierten sich, um den Beratungsbedarf nachzukommen. „Das waren so viele Leute, dass die Dortmunder Alzheimer-Gesellschaft draus wurde“, berichtet das Vorstandsmitglied.

„Die Arbeit verändert sich, weil die Ansprüche und die Entlastungsbedarfe immer größer geworden sind. Daher wurden die Angebote immer breiter aufgestellt“, verdeutlicht Mirko Pelzer, der als Vorsitzender des Vereins wiedergewählt wurde. Möglich wurde das unter anderem durch die Pflegeversicherung, die zur Finanzierung der Angebote wichtig ist. 

Zahlreiche Gruppen- und Infoangebote entwickelt

Eines der ersten Angebote war der Betreuungsnachmittag am Donnerstag. Am „Langen Donnerstag“ wurden demenziell erkrankte Angehörige betreut, um den pflegenden Angehörigen stundenweise Freiräume zu geben. 

Weitere Gruppenangebote kamen hinzu: der Freizeit-Treff im Eugen-Krautscheid-Haus für Menschen mit beginnender Demenz, der Gesprächskreis für Menschen mit beginnender Demenz und ihrer Angehörige oder der Gesprächskreis für Angehörige von Alzheimer-Kranken. 

Zudem gibt es Fachvorträge zu aktuellen Themen, Gruppenbetreuung von Alzheimer-Kranken sowie die stundenweise Betreuung von Alzheimer-Kranken im häuslichen Bereich. Zudem gibt es regelmäßige Ausflüge und Weihnachtsfeiern. Ein wichtiges Angebot ist die betreute Urlaubsreise – für viele Angehörige und Erkrankte die einzige Urlaubs- und Entspannungsmöglichkeit.

Die Betreuung von erkrankten Angehörigen führt zur sozialen Isolation

Seit 2013 gibt es immer mehr Menschen in der Frühphase der Demenz und auch jüngere Erkrankte. „Wir bezeichnen die Treffen als Freizeittreff und bewusst nicht als Demenzgruppe. Und das stimmt ja auch. Es hat viel mit Freizeit zu tun – es ist eine Aktivgruppe“, erklärt die 2. Vorsitzende Marlis Langkeit.

Der Fokus der Arbeit liegt auf den Angehörigen – sie sind massiv von der Erkrankung des Angehörigen oder Partners betroffen. „Auch unser Freundeskreis hat sich verändert und ausgedünnt. Aber die, die geblieben sind, sind die richtigen Freunde“, beschreibt Johanna Kossmann das Problem, dass pflegende Angehörige selbst sozial isoliert werden, weil sie sich quasi rund um die Ihr um die Betreuung des Erkrankten kümmern müssen.  

Daher verwundert es nicht, dass im Freizeittreff viele Freundschaften entstanden sind. Die Angehörigen treffen sich, telefonieren, tauschen sich aus. „Das ist extrem viel wert. Wenn jemand zu Hause wen betreut, ist er selbst auch schnell isoliert. Wenn man Leute mit gleichem Schicksal trifft, ist es eine große Hilfe und verbindet“, weiß das Vorstandsmitglied. 

Auch nach dem Tod des gepflegten Partners geht die Arbeit weiter

Doch auch auch nach dem Tod des erkrankten Partners ist die Arbeit des Vereins nicht beendet: „Nach dem Sterben gibt es die Verwaisten-Gruppe. Wir fangen die Menschen auf und begleiten sie. Da gibt es spezielle Angebote“, berichtet Johanna Kossmann. 

Sie kam – wie die meisten Vorstandsmitglieder – als betroffene Angehörige zum Verein. Manche engagieren sich jetzt schon seit drei Jahrzehnten.Trotz der teils belastenden Erfahrungen haben sie viel zu lachen – die Aktiven wissen nur zu gut, mit den Problemen und Herausforderungen umzugehen. 

Doch die Arbeit kostet Geld, um bestehende Angebote zu erhalten und neue Programme auf die Beine zu stellen. Sie suchen dafür weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter. „Wir sind ja eine Selbsthilfegruppe, die sich aus Beiträgen und Spenden finanziert. Daher würden wir uns über neue Mitglieder freuen“, sagt Mirko Pelzer. 

Arbeit mit Tieren, Angehörigen-Cafe und Kochkurs für Männer in Vorbereitung

Aktuell hat  der Verein 185 Mitglieder, die einen Jahresbeitrag von 30 Euro bezahlen. „In Zukunft wollen wir unsere Pflegekursreihe intensivieren. Es gibt Interesse an Information über Erkrankungen, Finanzierungen und vor allem auch Alltagstipps.“ Der Verein hat die Zahl der Veranstaltungen von einer auf drei pro Jahr erhöht. Da der Austausch untereinander unheimlich wichtig sei, soll es ab diesem Jahr auch wieder ein Angehörigen-Café geben. 

„Außerdem wollen wir mehr mit Tieren machen“, kündigt Schriftführer Markus Schmidt an. Neben den Besuchen von Therapie-Tieren in den Gruppen sollen auch Besuche in Einrichtungen erfolgen, wo beispielsweise mit Lamas und mit Kühen gearbeitet wird. Was haben Therapietiere mit Demenzkranken zu tun? „Die Erkrankten werden wacher, ruhiger und steigern ihre Leistungen“, weiß Angelika Mehring.

Außerdem soll es im zweiten Halbjahr auch wieder einen Kochkurs für Männer geben. Denn in der Gruppe der Frühbetroffenen sind einige Ehepaare, wo die Frau die Erkrankte ist. Dort gab es traditionelle Rollenteilungen: „Der Mann war arbeiten, die Frau hat sich um Haushalt und Kinder gekümmert. Wenn die Frau das nicht mehr kann, stehen die Männer vor einem Problem“, weiß Kossmann. Mit ihnen sollen nun alltagstaugliches Kochen eingeübt werden, bei dem die demenziell erkrankte Frau noch in die Vorbereitung eingebunden wird.

Kontakt und Spendenkonto:

  • Alzheimer Gesellschaft Dortmund e. V.
    im Eugen-Krautscheid-Haus
    Lange Straße 42
    44137 Dortmund
  • Telefon: 0231-7 24 66 11
    Telefax: 0231-7 24 66 22
    email: alzheimerdortmund@aol.com

    www.alzheimer-dortmund.de
  • Spendenkonto:
    Sparkasse Dortmund
    IBAN DE98440501990001102222 

    BIC DORTDE33XXX
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