SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Vor 25 Jahren erlosch der Name „Maschinenfabrik Deutschland“ in Dortmund

Westfassade der Weichenbauhalle der Maschinenfabrik Deutschland, 2021
Die Westfassade der Weichenbauhalle der Maschinenfabrik Deutschland (2021) gehört zu Hornbach.

Von Klaus Winter

An der Bornstraße – gegenüber der Einmündung der Bergmannstraße – steht eine alte Werkshalle als Teil eines Baumarktes. In früheren Zeiten gehörte sie zu einem Industrieunternehmen von Weltruf und besaß eine Verlängerung nach Osten. An diese Halle schlossen sich zur Borsigstraße hin weitere an. Der komplette heutige Parkplatz und ein Teil der modernen Bebauung an ihm waren das Betriebsgelände der „Maschinenfabrik Deutschland“. Sie war nur ein Jahr nach Hoesch gegründet worden und bestand 124 Jahre lang. Vor 25 Jahren verschwand die Firma aus Dortmund.

Dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 folgte eine Gründerwelle

Die Gründung der Maschinenfabrik Deutschland 1872 fiel in die Nachkriegszeit des Deutsch-Französischen Krieges und der Proklamation des Deutschen Kaiserreichs. Nach diesen Ereignissen schossen neue Unternehmen wie Pilze aus dem Boden. Begünstigt wurde die Gründerwelle durch die aus dem besiegten Frankreich in das Deutsche Reich fließenden Reparationszahlungen.

Einige Unternehmen wie z. B. die vor 150 Jahren gegründete Hoesch AG entwickelten sich zu mächtigen Konzerne. Aber eine stattliche Anzahl der Neugründungen floppte und verschwand wieder von der Bildfläche.

Werkzeugmaschinen, Krane, Weichen waren die Betriebsbereiche der MFD

Werksansicht, 1880 (v. Klaß: Maschinenfabrik Deutschland 1872-1952)
Werksansicht, 1880 (v. Klaß: Maschinenfabrik Deutschland 1872-1952)

Die Maschinenfabrik Deutschland (MFD) gehörte zu den Unternehmen, die die stürmische Phase der Gründerzeit überstanden. Ihr Hauptbetätigungsfeld war der Bau von Werkzeugmaschinen. Das war bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts beinahe ein englisches Monopol.

Das zweite Standbein war die Lastenbewältigung. Kranbau und die Produktion von Drehscheiben und Schiebebühnen z. B. für Lokomotiven gehörten zum Programm der Maschinenfabrik.

 Julius Weidtmann, der erste Generaldirektor der MFD, kam von der Eisenbahn

Julius Weidtmann (v. Klaß: Maschinenfabrik Deutschland 1872-1952)
Julius Weidtmann (v. Klaß: MFD 1872-1952)

Von großer Bedeutung war bei dem rasanten Ausbau des Schienennetzes der Weichenbau für staatliche wie private Eisenbahnen, Klein- und Nebenbahnen und schließlich für Straßenbahnen. Auch auf diesem Gebiet war die MFD tätig.

Die Maschinenfabrik Deutschland wurde von erfahrenen Männern ins Leben gerufen. An erster Stelle ist hier Julius Weidtmann zu nennen, der über langjährige und umfangreiche Erfahrungen als Leiter des Maschinenwesens der Köln-Mindener-Eisenbahn-Gesellschaft in Dortmund verfügte. Er wurde der erste Generaldirektor der MFD.

Albert Borsig, Sohn des Gründers der berühmten Lokomotivfabrik, hatte sich nicht nur mit dem Bau von Lokomotiven befasst, sondern kannte sich auch im Maschinenbau und dem Hüttenwesen aus. Er wurde Aufsichtsratsvorsitzender der MFD. Sein Tod 1878 verhinderte, dass er das Unternehmen tiefer prägen konnte.

Louis Baare, Jean-Maria Heimann und Gustav Adolph Waldthausen waren Kaufleute mit intensiven Kontakten zu Eisenbahn und Industrie. Baare und Heimann waren gut befreundet und beide für den Montankonzern „Bochumer Verein“ tätig. Waldthausen war Inhaber eines Bankkontors in Essen.

Die Finanzkrise von 1873 durchkreuzte die großen Ausbaupläne

Die Finanzkrise von 1873 traf das junge Dortmunder Unternehmen in der Aufbauphase. Als im Dezember des Jahres die 84-köpfige Belegschaft die Arbeit aufnahm, gab es keine rosige Auftragslage. Die ursprünglichen Ausbaupläne des Unternehmens musste aufgegeben werden.

Auf die Finanzkrise folgte eine lange Phase wirtschaftlicher Depression. Um nicht unterzugehen, wurde jeder Auftrag angenommen: Gebaut wurden Weichen, Krane, Drehscheiben, aber auch das Hallendach eines Bahnhofs, eine Brücke – und die eiserne Kuppel für eine Kirche in Amsterdam.

Die MFD überstand die Krise. Generaldirektor Weidtmann war dafür aber bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gegangen. Aus gesundheitlichen Gründe schied er 1882 aus dem Vorstand aus.

Die Zahl der Arbeiter wuchs, neue Produktionsstätten wurden gebaut

im Werk, undatiertes Foto (Slg. Klaus Winter)
im Werk, undatiertes Foto (Slg. Klaus Winter)

Das Unternehmen entwickelte sich erfolgreich: Es gab eine Halle für den Bau von Werkzeugmaschinen und eine weitere für Weichen und Drehscheiben, ein Kesselhaus, einen Wasserturm und ein Bürogebäude. 1889 folgte eine Gießerei, 1898 eine neue Montagewerkstatt, 1900 eine Werkzeugschlosserei.

Die Zahl der Arbeiter stieg ständig: Von 220 im Geschäftsjahr 1882/83, auf 345 in 1892/93 und schließlich 420 in 1896/97.

Mit Überwindung der Krise konnte man auf die Annahme von Aufträgen, die gar nicht in einem Zusammenhang mit dem eigentlichen Unternehmensziel standen, verzichten und sich auf den Maschinenbau und die Weichenfabrikation konzentrieren. Produziert wurde nun auch für ausländische Arbeitgeber.

1911 übernahm Hoesch die MFD

Die Maschinenfabrik Deutschland und die Hoesch-Werke waren Nachbarn im Dortmunder Norden und beide profitierten von der Nähe. So bezog die MFD für ihre Produktion Walzmaterial von Hoesch und Hoesch kaufte Kokillen, Maschinen und anderes von der MFD.

So war wohl die Idee entstanden, die Zusammenarbeit zu vertiefen und zu festigen. 1911 kam es zu der Fusion. Die vormalige Aktiengesellschaft Maschinenfabrik Deutschland wurde in eine GmbH umgewandelt und die MFD-Aktien gegen Hoesch-Aktien getauscht.

im Werk, undatiertes Foto (Slg. Klaus Winter)
im Werk, undatiertes Foto (Slg. Klaus Winter)

Die Fusion hatte einen erfreulichen Nebeneffekt: Durch sie wurde ein komplizierter und kostspieliger Bergschadenprozess zwischen den beiden Unternehmen aus der Welt geschafft.

Die MFD profitierte von der Fusion mit Hoesch 

Die Maschinenfabrik Deutschland profitierte von ihrer Übernahme durch Hoesch. Sie vollzog einen intensiveren Ausbau ihres Werkes und konnte sich nach der werkseigenen Philosophie entwickeln. Ihre internen Strukturen wurden von außen nicht berührt.

Noch vor dem Ersten Weltkrieg erbaute man eine neue Weichenbauhalle. Die Gießerei erhielt ein neues Ofenhaus, es gab einen neuen Montageschuppen und auf dem Lagerplatz wurde die Hofkranbahn angelegt.

Nach dem Ersten Weltkrieg fehlte es zunächst an Rohstoffen für die Produktion. Auch die alten Handelsbeziehungen mussten erst wieder aufgebaut werden. Doch schon nach wenigen Jahren entstanden zwei neue Werkshallen, die an die Bornstraße stießen. Und damit war das Bauprogramm der MFD noch nicht abgeschlossen.

Fa. Both & Tilmann wurde unter die Regie der MFD gestellt

1927 erreichte die Belegschaft der MFD eine Stärke von 770 Arbeitern und Angestellten einen neuen Höchststand. Zwei Jahre später wurde die zum Hoesch-Konzern gehörende Both & Tilmann GmbH der MFD unterstellt. Both & Tilmann baute ebenfalls Weichen und Schienenkreuzungen, sowie schienengebundene Güterwagen aller Art.

Als die Weltwirtschaftskrise ausbrach, wurde durch die MFD-Führung bei Both & Tilmann die Erzeugung aller Produkte aufgegeben, die nicht zum Kerngeschäft der MFD passten.

Spreng- und Brandbomben führten zu massiven Zerstörungen

Kriegszerstörte Werksanlagen (v. Klaß: Maschinenfabrik Deutschland 1872-1952)
Kriegszerstörte Werksanlagen (v. Klaß: Maschinenfabrik Deutschland 1872-1952)

78 Sprengbomben trafen das Werkgelände der MFD im Zweiten Weltkrieg, dazu kam eine große Zahl von Brandbomben. 45 Prozent der Bauten wurde völlig zerstört, alle anderen schwer beschädigt. Das Unternehmen war zum Erliegen gekommen.

Hunderte von Arbeitern, die sich nur unzureichend ernähren konnten, bauten die Maschinenfabrik Deutschland nach Kriegsende wieder auf. Das war überhaupt nur möglich, weil die MFD nicht den Demontagebestimmungen unterlag.

im Werk, undatiertes Foto (Slg. Klaus Winter)
im Werk, undatiertes Foto (Slg. Klaus Winter)

Noch 1945 konnte die Produktion wieder aufgenommen werden. Sie erreichte im ersten Jahre fünf Prozent der Vorkriegsproduktion, 1946 konnten trotz aller Schwierigkeiten bereits wieder 40 Prozent erreicht werden.

Geschichte der MFD endete nach fast 125 Jahren

Seit 1952, dem Jahr ihres 80jährigen Bestehens, agierte die Maschinenfabrik weitgehend eigenständig unter der Firma Hoesch MFD. 1995 wurde sie sowie die Hegenscheidt GmbH von der Vossloh AG gekauft und in Erkelenz zur Hegenscheidt-MFD GmbH zusammengeführt.

Bis auf die Reste der Weichenbauhalle an der Bornstraße wurden sämtliche Gebäude der ehemaligen Maschinenfabrik Deutschland abgerissen. Die erhaltene Halle ist als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Dortmund eingetragen.

Die Stadt Dortmund führte die Produktionsstätte der MFD neuen Zwecken zu. Hier sind heute ein Baumarkt und andere Handelsunternehmen ansässig.

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

    • Wolfgang Czayka

      Sehr geehrter Herr Knievel,
      als ehemaliger MFD Mitarbeiter kann ich Ihnen gut zustimmen.
      Ich habe meinen Beruf Maschinenschlosser dort erlernt. Das war von 1970 bis 1974. Danach habe ich bis Ende 1977 dort gearbeitet.
      Gerne erinnere ich mich an diese Zeit, obwohl ich als Jugendlicher schon mit 14 Jahren meinen Start ins Arbeitsleben hatte. Es war schon oftmals hart, früh am Morgen um 6:00 Uhr an der Werkbank zu stehen. Trotzdem erinnere ich mich auch gerne daran, war es doch ein wichtiger Teil meines Lebens….

      Und nun noch kurz (vielleicht wissen Sie es aber auch schon) : am Freitag, den 27.10.2023 um 17:00 Uhr ist wieder ein Treffen ehemaliger Mitarbeiter der MFD angedacht. Es findet statt im Gartenverein Nußbaumweg, Akazienstraße 101, 44143 Dortmund.
      Ich werde zum ersten Mal dabeisein. Vielleicht sehen wir uns ja dort.
      Viele Grüße
      Wolfgang Czayka

  1. Dieter Kleinhoff

    Eine riesige Mauer…
    Im Jahr 1952 zog meine Familie in die Stollenstraße 55, also kurz vor der Einmündung in die Bornstraße. Ich war damals zwei Jahre alt. Je älter ich wurde nahm ich die Mauer immer bewusster wahr. Sie war in meinen Augen einfach riesig. 1962 zogen wir in die Bornstraße, aber immer noch die Mauer in Sichtweite. Immer noch riesig… Nach dem Umzug 1969 nach DO-Huckarde war ich lange nicht mehr in der Nordstadt. Bei einem Besuch des neu eröffneten Baumarktes sah ich die Mauer wieder und war enttäuscht: die Mauer war auf einmal viel kleiner als ich sie in Erinnerung hatte. Nun wohne ich Nähe Köln und komme nur noch selten nach Dortmund und noch seltener in die Bornstraße. Umso mehr freue ich mich, die damals sooo riesige Mauer noch einmal zu sehen.

  2. Wolfgang Linke

    Hallo Herr Kleinhoff,
    mir ging es als kleiner Junge genau so. Ich bin etwas jünger, Bj. 1952. Mit meiner Mutter war ich oft auf dem Spielplatz gegenüber der Mauer, die mir immer noch hoch in Erinnerung ist. Wir wohnten Bornstrasse 100. Unten im Haus war neben der Toreinfahrt die Leihbücherei Kiloscheck. Ein stückchen weiter das Radio- und Fernsehgeschäft Strasser. Mein erstes Drei- und später Fahrradrad habe ich bei Atze Essing erhalten (Bornstr. Ecke Borsigstrasse). Jetzt wohne ich in Bochum, aber die Nordstadt ist immer noch meine geliebte alte Heimat!!!

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert