Elf utopische Erzählungen aus dem digitalen Universum im U

„Neun Sonnen“: Verschmelzen, verzaubern, versinken – das geht auf dem Planeten „UZwei“

Kuratorin Vesela Stanoeva und UZwei-Leiterin Mirjam Gaffran in der Installation „Chasing Landscapes“ Presse_UZwei_Miu-Wah

Weiße Papierstreifen umfangen die Besucher:innen, rosa Licht zieht uns in den Bann. Nach wenigen Schritten stehen wir mitten in einer Landschaft, die das Zentrum der neuen Ausstellung auf der Ebene 2 des Dortmunder U bildet. Die Arbeit heißt „Chasing Landscapes“ und ist von Vesela Stanoeva. Sie ist sowohl Künstlerin als auch Kuratorin der Ausstellung und verantwortlich für die Inszenierung des Raums. Die wabernden Wände aus Papierstreifen sind zugleich Trennung und Verbindung der präsentierten Werke. Hier und da weht ein leichter Wind, der Sound von Christian Bröer begleitet den Rundgang. Es entstehen Tunnel, Durchblicke und es scheint, als bewegten wir uns in einem eigenen kleinen Organismus – und das ist durchaus gewollt.

Es geht nicht um die Flucht ins Digitale, sondern um neue Perspektiven

Blick in die Ausstellung „Neun Sonnen“ auf der UZwei im Dortmunder U Presse UZwei_Miu Wah

„Die Ausstellung will uns entführen, uns einladen abzuschalten und in etwas Neues einzutauchen“, erläutert Mirjam Gaffran, Leiterin der UZwei. Dabei geht es hier keinesfalls um Eskapismus ins Digitale, vielmehr seien diese „neuen Welten“ ein Angebot, nachzudenken.

Die hier präsentierten Utopien sind vielfältig, verführerisch und nicht immer rosig, aber sie alle zeigen uns Möglichkeiten, die wir nutzen können.

So führt uns die interaktive Installationen von Baum und Leahy in die Zauberwelt „Sensory Cellumonilas“ und nimmt uns mit auf eine Reise zu unseren fünf Sinnen. Überhaupt, der Körper – die digitalen Welten scheinen ihn zu überwinden und brauchen ihn doch.

VR-Experience: Künstlerin Lena Biresch testet „Me, Myself und My Avatars“. Presse UZwei_Miu Wah

Lena Biresch, die wie Vesela Stanoeva Stipendiatin an der Dortmunder Akademie für Digitalität und Theater war, hat ein Virtual Reality-Projekt entwickelt, das die Möglichkeit des menschlichen Gehirns feiert, fremde Körper zu adaptieren.

Ausgestattet mit Trackern in den Händen und an Hüfte und Füßen verfügen Nutzer:innen in „Me, Myself und My Avatars“ über einen dritten Arm oder einen Schwanz und können mit einem Kopfnicken Berge versetzen. Dazu müssen sie lernen umzudenken, sich anders zu bewegen. Der eigene reale Körper stößt da durchaus an seine Grenzen, aber mit etwas Übung gelingt Besucher:innen vielleicht sogar ein Spiel mit dem eigenen Ich.

Gesichtserkennung und Bodyscan – bin ich eine Landschaft?

„Sleep like Mountains“ von Lotta Stöver Presse UZwei Miu-Wah

Andrea Familaris interaktive Installation „TTN-You“ basiert auf Software zur Gesichtserkennung und lässt uns vor einem lebensgroßen Screen lustige Grimassen schneiden, die in Farbexplosionen münden.

Lotta Stöver vermisst in „Sleep like Mountains“ die Oberfläche unseres Körpers und vergleicht den Bodyscan mit Geodaten der Erde. Welcher Ort auf der Welt ist meinen Körperdaten am ähnlichsten? Hab ich Ähnlichkeit mit der Struktur des Mount Everest oder bin ich näher am Wattenmeer?

Schwebende Malerei von Eunjeong Kim in der Ausstellung „Neun Sonnen“ im Dortmunder U. UZwei Presse_Miu Wah

Insgesamt findet sich in der Ausstellung die gesamte Bandbreite der digitalen Erzählformen.

Virtuell Reality Experiences, Malerei und  Augmented Realtiy (Eunjeong Kim), Video und 2D-Animation (Wunderschön, die Grafiken von Johanna Mangold!) oder auch die Cyberwelt der hybriden Videoinstallation von MengXuan Sun.

Der Bereich Gaming wird vertreten durch „Orun Rere“ von Glor1a. Wir schreiben das Jahr 2054, die Menschheit steht vor der Auslöschung und wir haben die Chance, unser Bewußtsein in einem neuen Paradies zu sichern. Was wollen wir erhalten?

Folgt den Welten auf Instagram: #neunsonnenexperience

Die Ausstellung setzt auf Interaktion, Feedback ist erwünscht und wird dokumentiert. Alle fünf Stunden ergießt sich der Strom der Instagram-Kommentare in den realen Raum. Posts, die den Hashtag #neunsonnenexperience nutzen, werden automatisch ausgedruckt.

Zu den insgesamt 15.000 weißen Papierstreifen, die den Raum bilden, kommen weitere hinzu und die Frage sei gestattet: Wer liest das? Zumindest hat man sich Gedanken gemacht, wie der schöne, aber auch verschwenderische Umgang mit der Ressource Papier hier kompensiert werden könnte.

Die Ausstellungsmacherinnen suchen bereits Orte und Partner:innen, um Bäume zu pflanzen. Da sind sie wieder, die Themen und Probleme der realen Welt – und trotzdem: Es lohnt sich, die Einladung anzunehmen und auf der UZwei in immersive Welten einzutauchen. Beim Auftauchen werden wir um eine Perspektive reicher sein.

Weitere Informationen
Die Ausstellung läuft bis zum 15. Januar 2023. Eintritt frei.
Kuratorinnenführung mit Vesela Stanoeva, am 11. September um 15 Uhr.
Besondere
Aktionen zur Dortmunder Museumsnacht am 17. September von 16 bis 0.00 Uhr mit VR Experimenten, 3D Sculpturing und Little Big Planet.
Ort: Dortmunder U, Ebene 2
www.dortmunder-u.de

 

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