Moderne Technik rettet Leben am St. Johannes-Hospital in Dortmund – Roboter unterstützt Mediziner bei Herzeingriffen

Die Anwendung des Corindus-Verfahrens in der Praxis: Arzt und Patient sind räumlich voneinander getrennt. Der Mediziner bewegt den Roboterarm mit dem Katheter über das Steuerungsmodul. Fotos (3): St. Johannes-Hospital

Das Herzteam um Prof. Dr. Helge Möllmann am St. Johannes-Hospital Dortmund kann als eines der ersten in Europa und als eines von nur zwei in ganz Deutschland bei minimal invasiven Eingriffen am Herzen robotergestützte Technologie einsetzen. Was sich in anderen medizinischen Bereichen im Laufe der letzten Jahre schon immer mehr etabliert hat, ist für die erforderliche Präzisionsarbeit in der Kardiologie jedoch neu und zukunftsweisend. Denn gerade bei Feinarbeiten kann das sogenannte Corindus-Verfahren exakter arbeiten als die menschliche Hand.

Corindus-Verfahren: Technologie für exakte Präzisionsarbeit in der Kardiologie 

Prof. Dr. Helge Möllmann ist Chefarzt des Bereichs Innere Medizin am St. Johannes-Hospital.

„Während in anderen medizinischen Bereichen, beispielsweise der Urologie, die robotergestützte Medizin in den letzten Jahren im Kommen ist, hat es in der Kardiologie lange gedauert, bis etwas erreicht worden ist. Das hängt unter anderem mit der erforderlichen Präzisionsarbeit zusammen, wo wir teilweise im Millimeter- und Submillimeterbereich arbeiten“, erläutert Prof. Dr. Helge Möllmann die Entwicklung der Technologie. ___STEADY_PAYWALL___

Doch mittlerweile hätten die grundlegenden Probleme gelöst werden können. Seit Dezember letzten Jahres mache man nun gute Erfahrungen mit dem Corindus-System am St. Johannes-Hospital und habe bis heute rund 20 Patient*innen ohne Komplikationen auf diesem Wege behandelt. Alle Anwendungen der Technik werden im Anschluss wissenschaftlich aufgearbeitet, um das System fortlaufend zu optimieren.

Möllmann und sein Kollege Oberarzt Prof. Dr. Christian Tesche freuen sich, den Patient*innen dieses „extrem exklusive“ Angebot machen zu können, denn man sei sehr froh, zu den ersten zu gehören, die Erfahrungen mit dem Einsatz des Robotersystems machen können. Diese Exklusivität sei der engen Kooperation des St. Johannes-Hospitals mit Siemens Healthineers in den Bereichen Forschung und Entwicklung zu verdanken.

Roboterarm kann die Bewegungen des Herzens perfekt austarieren

Der Roboterarm führt den Katheter mit den Gefäßstützen. Fotos (3): Siemens Healthineers

Das Corindus-Verfahren kommt unter anderem bei Verengungen der Herzkranzgefäße (koronare Herzerkrankungen) zum Einsatz. Mit seiner Hilfe können künstliche Gefäßstützen, sogenannte Stents, präzise in die betroffenen Kranzgefäße eingesetzt werden.

Werden solche Probleme nicht behandelt, nimmt das Herz langfristig dauerhaft Schaden und es kann zu Herzschwächen, Herzinfarkten, Herzrhythmusstörungen bis hin zum plötzlichen Herztod kommen. Neben der exakten Positionierung der Stents, die durch die Technologie möglich ist, ergeben sich durch ihren Einsatz weitere Vorteile in der Behandlung.

So können die Stützen passgenauer eingesetzt werden, wodurch Material gespart wird. Während des minimal invasiven Eingriffs arbeitet das Herz natürlich weiter und ist in Bewegung. Der Roboterarm tariert diese Bewegungen aus, präziser als jede menschliche Hand dies könnte.

Durch Verabreichung eines Kontrastmittels wird das Gefäß unter Röntgenbestrahlung sichtbar.

„Das manuelle Einsetzen der Stützen ist äußerst schwierig, da sich das Herz ja weiter bewegt. Der Roboter sorgt hier für die notwendige Präzision. Und auch die Materialreduktion ist von großem Vorteil, denn in der Regel heißt es, je kürzer die eingesetzten Stents, desto besser die Langzeitprognose für den jeweiligen Patienten“, so Möllmann. Außerdem könne hierdurch viel Zeit eingespart werden.

In der Praxis ist die Anwendung der Technologie sowohl für die Ärzte als auch für die Patient*innen zunächst gewöhnungsbedürftig. Denn sie erfordert eine räumliche Trennung, die jedoch auch wieder mit gewissen Vorteilen verbunden ist. Der Patient liegt so gut wie allein im OP-Saal auf dem Kathetertisch (meist ist noch eine Pflegekraft anwesend, die die Kommunikation zwischen Arzt und Patient koordiniert), während der behandelnde Arzt den Roboterarm mit dem Katheter von einem Steuerungsmodul aus bedient.

Räumliche Trennung von Patient*in und behandelndem Arzt ist zunächst gewöhnungsbedürftig

Behandelnder Arzt vor dem Steuerungsmodul.

„Ich war zunächst ziemlich kritisch aber dachte dann, man muss es einfach mal probieren. Aber ich hatte volles Vertrauen in das St. Johannes-Hospital. Allein im OP-Saal, das war schon ein seltsames, komisches Gefühl“, weiß einer der bisherigen Patienten zu berichten.

Seine OP ist erfolgreich verlaufen und für ihn ist die robotergestützte Operation die Zukunft der Kardiologie und der Medizin. „Ich könnte mir vorstellen, dass irgendwann nur noch so operiert wird“, so der zufriedene Patient weiter.

Ein großer Vorteil der räumlichen Trennung von Patient und Arzt, Roboterarm und Steuerungsmodul ist, dass beide, sowohl behandelnder Arzt als auch Patient oder Patientin weniger schädlicher Strahlung ausgesetzt werden. Denn dem oder der Patient*in muss vor der Behandlung ein Kontrastmittel verabreicht werden, wodurch das betroffene Gefäß unter Röntgenbestrahlung erst sichtbar gemacht wird.

Ärzte und Patienten werden weniger schädlicher Strahlung ausgesetzt

St. Johannes Hospital Dortmund

Während der Patient hierdurch temporär einer geringen Strahlendosis ausgesetzt ist, ist es für die Ärzte, die täglich solche Behandlungen durchführen, eine viel größere Belastung. Dank Corindus müssen sie nun keine schweren Bleiwesten mehr zum Schutz tragen. Für sie reduziert sich die Strahlendosis pro Behandlung um satte 95 Prozent. Für die Patient*innen liegt die Reduktion bei rund 20 Prozent.

Die Klinik für Kardiologie am St. Johannes-Hospital Dortmund ist ein überregionales kardiologisches Schwerpunktzentrum zur Behandlung koronarer und struktureller Herzerkrankungen. Sie verfügt über 180 Betten, 18 Dialyseplätze und 26 Intensivbetten. Pro Jahr werden hier unter anderem rund 10.000 Herzkathetereingriffe und etwa 750 kathetergeführte Herzklappeneingriffe vorgenommen. Neben Dortmund kommt das Corindus-System auch am Universitäts Klinikum in Gießen zum Einsatz.

Bei allen Vorteilen der modernen Technologie dürfe jedoch das Zwischenmenschliche nicht auf der Strecke bleiben, betonen die Mediziner*innen.

Unterstütze uns auf Steady

Weitere Informationen:

 

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. Plötzlicher Herztod: CDU fordert Defibrillatoren zur Laienreanimation in ganz Dortmund (PM)

    Plötzlicher Herztod: CDU fordert Defibrillatoren zur Laienreanimation in ganz Dortmund

    Die Dortmunder CDU-Fraktion will möglichst viele städtische Gebäude und Sportanlagen mit Defibrillatoren zur Laienreanimation ausstatten, um so die Notfallversorgungskette in Dortmund weiter zu verbessern. Im Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit wird heute über den Vorschlag der Christdemokraten beraten.

    Thomas Bahr, der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, dazu:
    „Wie wichtig das Thema Laienreanimation ist, haben wir erst vor wenigen Tagen bei der Fußball-Europameisterschaft gesehen: Im Spiel zwischen Dänemark und Finnland bricht der Däne Christian Eriksen mit einem Herzstillstand plötzlich auf dem Spielfeld zusammen. Dass der Spieler erfolgreich wiederbelebt werden kann und sich inzwischen sogar schon auf dem Weg der Besserung befindet, verdankt er neben dem beherzten Eingreifen der Rettungssanitäter wohl vor allem dem Umstand, dass ein Defibrillator zur Reanimation griffbereit war. Genau das wollen wir mit unserem Antrag anstoßen: Möglichst viele städtische Gebäude und Sportanlagen in Dortmund mit Defibrillatoren zur Laienreanimation ausstatten. Im Ernstfall kann es über Leben und Tod entscheiden, ob ein Defibrillator schnell verfügbar ist oder nicht“, so Bahr.

    Erst vor kurzem hat die CDU-Fraktion das System der „Mobilen Retter“ in Dortmund auf den Weg gebracht. Darüber werden qualifizierte ehrenamtliche Ersthelfer per Smartphone alarmiert, sobald bei der Feuerwehr Notrufe mit der Meldung „Herz-Kreislauf-Stillstand“ oder „Bewusstlosigkeit“ eingehen. Nun soll eine flächendeckende Ausstattung städtischer Gebäude und Sportanlagen mit Defibrillatoren die Notfallversorgungskette in Dortmund weiter verbessern.

    Hintergrund:

    Nach Schätzungen des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung e.V. (2019) versterben in Deutschland jedes Jahr rund 70.000 Menschen an einem plötzlichen Herztod. Das sind fast 20 Prozent aller durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachten Todesfälle. Bei einem Herzstillstand werden die individuellen Überlebenschancen und auch die anschließenden Chancen auf eine weitgehende Rehabilitation maßgeblich dadurch beeinflusst, wie schnell mit geeigneten Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen wird: Jede Minute des Herzstillstandes verringert die Wahrscheinlichkeit zu überleben um etwa 10 Prozent. Das Risiko dauerhafter Hirnschäden steigt zugleich minütlich.

    Viele moderne Defibrillatoren werden heutzutage speziell für die Nutzung durch Laienhelfer entwickelt. Dank einer hohen Benutzerfreundlichkeit, etwa mit integrierter Video- oder Sprachanleitung, sind diese Defibrillatoren ohne Fachwissen oder Vorkenntnisse in der Ersten Hilfe einsetzbar.

  2. Innovation in der Behandlung von Vorhofflimmern: Pulsed field ablation (PFA) wird nun auch im St. Johannes Hospital angewandt (PM)

    Circa 1,8 Mio. Menschen in Deutschland sind von Vorhofflimmern betroffen, Tendenz steigend. Damit gehört die Erkrankung zu den am häufigsten vorkommenden Herzrhythmusstörungen. Vorhofflimmern ist für Patient:innen nicht nur unangenehm, sondern es ist auch Ursache von z.B. Schlaganfällen und Herzinsuffizienz. Ein neues Verfahren bietet eine sichere und angenehmere Behandlung.

    Vorhofflimmern entsteht durch unkoordinierte, hochfrequente Signale, die von Herzmuskelzellen in den Herzvorhöfen Störsignale geben. Diese Zellen sollen in der Behandlung ausgeschaltet werden. Als Behandlungsmethode hat sich den letzten Jahren die Katheterablation etabliert. Bei diesem Verfahren wurde bisher entweder mit Hitze oder mit Kälte eine sogenannte Lungenvenenisolation durchgeführt, die eine gute Erfolgsrate aufweist. Als eines von wenigen Vorhofflimmerzentren in NRW bietet nun das St. Johannes Hospital seit kurzem eine weitere Behandlungsmethode an. Prof. Dr. Helge Möllmann, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I, und Dr. Ingo Kreis, Leitender Arzt der Rhythmologie, arbeiten nun auch mit der sogenannten Elektroporation oder auch „pulsed field ablation“ (PFA).

    Bei diesem Verfahren wird durch die Leistenvene ein Katheter in den linken Vorhof des Herzens geschoben. Mit pulsierenden Stromstößen werden dann die Herzzellen in dieser Region, die die Rhythmusstörungen verursachen, ausgeschaltet. Dabei werden in der behandelten Zellmembran mikroskopisch kleine Löcher gesetzt, die sich innerhalb von Millisekunden wieder schließen. Vorteil dieser Technik ist die Möglichkeit, zielgenau und präzise die Ursachen des Vorhofflimmerns zu bearbeiten, ohne dabei das angrenzende Gewebe zu beschädigen.

    Dieses Verfahren weist jedoch deutlich kürzere Untersuchungszeiten zu den bisherigen thermischen Verfahren bei gleich gutem Behandlungserfolg auf, was für die Patientinnen und Patienten angenehmer ist. Dr. Ingo Kreis zeigt sich begeistert: „Mittels PFA bieten wir unseren Patienten eine weitere Alternative bei der Behandlung von Vorhofflimmern an, die aufgrund der Minimalinvasivität und Effektivität ein Höchstmaß an Sicherheit bietet!“ Laut Prof. Dr. Helge Möllmann unterstreicht die Etablierung diese Methode die überregionale Bedeutung der Kardiologie am St. Johannes Hospital als „Vorhofflimmerzentrum“.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert