Das „Kick“ gibt einen Einblick in die Hilfseinrichtung:

Diese Arbeit leisten die Mitarbeitenden tagtäglich im Drogenkonsumraum in Dortmund

Julius Obhues | Nordstadtblogger

Seit Wochen ist es das Thema in der Dortmunder Stadtgesellschaft: Der Konsumraum in der Drogenhilfeeinrichtung „Kick“, die Frage nach einem neuen Standort und der Umgang mit Suchterkrankungen. Im Gespräch mit Nordstadtblogger geben der Leiter der Einrichtung, Olaf Schmitz, und ein Sozialarbeiter, Sebastian Stahlke, Einblicke und Antworten auf die aktuelle Problematik.

So gemütlich wie in einer Drogenhilfeeinrichtung nur möglich

Gerahmte Bilder zeigen die Gesichter derer, die die Drogensucht nicht überlebt haben. Im „Kick“, der Drogenhilfeeinrichtung in der Dortmunder Innenstadt, können sich suchtkranke Menschen neben dem kontrollierten Konsum mit medizinischer Versorgung auch längere Zeit im Café aufhalten. Sie haben dort die Möglichkeit, für wenig Geld etwas zu essen oder zu trinken zu erwerben, Wäsche zu waschen oder sich auszuruhen.

Die Ruhe nach dem Sturm – 45 Minuten vorher hatten Suchtkranke hier noch die Möglichkeit unter medizinischer Aufsicht zu konsumieren. Julius Obhues | Nordstadtblogger

Vom Café geht es durch einen langen Flur zu den Konsumräumen. „Konsumräume retten Menschenleben“ steht es auf einem der zahlreichen Plakate, die die Wände der Suchthilfe zieren. Die Einrichtung ist modern – steril. Einen Ausgleich liefern viele Pflanzen, die die die Räume schmücken. Die Atmosphäre ist alles andere als beklemmend, ganz im Gegenteil, sie ist so gemütlich wie in einer Drogenhilfeeinrichtung nur möglich.

Für einige Menschen sind die Angebote neben dem kontrollierten Konsum beinah überlebenswichtig, denn sie sind neben ihrer Suchterkrankung zum Teil auch wohnungs- oder obdachlos. Man merkt: Die derzeit rund 40 Mitarbeitenden – Tendenz steigend – tun viel, um respektvoll mit den Konsument:innen umzugehen und ihnen ein bisschen Würde zurück zu geben.

„Mittlerweile sind es 90 Prozent Rauchvorgänge“ – zum Teil aufgrund des Crack-Anstiegs

Um im „Kick“ konsumieren zu dürfen, müssen die Suchtkranken ein Dokument mit Lichtbild vorlegen, wobei es derzeit durch ein aktuell laufendes Modellprojekt unerheblich ist, ob die Personen in Dortmund wohnen oder nicht. Daraufhin müssen die Kund:innen einen Vertrag unterschreiben – alles so, wie es der bürokratische Gesetzgeber vorschreibt, auch wenn die Dortmunder Aidshilfe, die die Räumlichkeiten betreibt, die Angebote gerne möglichst niederschwellig halten will.

„Ihr nehmt doch alle Drogen!“ steht an der Tür zum Raum für inhalativen Konsum. Julius Obhues | Nordstadtblogger

Am Empfang müssen die Konsument:innen oft warten, erzählt Olaf Schmitz, Leiter des „Kick“. Besonders Menschen, die rauchen anstatt zu spritzen. „Mittlerweile sind es 90 Prozent Rauchvorgänge“, berichtet Schmitz. Das liege aber nicht nur am Anstieg von Crack. Viele Heroinabhängige stiegen auf das Rauchen um, weil die Venen nach langem Konsum verkrustet seien, so Schmitz.

Insgesamt verfügt das „Kick“ über zwei Konsumräume: Einen für intravenösen und einen für inhalativen Konsum. Schmitz geht langsam in Richtung des„Raucherraums“. 15 Konsumplätze gibt es hier. Diese seien auch fast immer ausgebucht, berichtet Olaf Schmitz.

Ein wenig selbstironisch klebt dort eine Postkarte an der Tür. „Ihr nehmt doch alle Drogen!“ steht darauf. Die Stühle stehen in beiden Räumen bereits auf den einzelnen Tischen, die jeweils einen Konsumplatz formen. Der Betrieb ist seit 45 Minuten vorbei. Quasi die Ruhe nach dem Sturm – mit dem obligatorischen muffigem Geruch nach kaltem Rauch.

„Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Präferenzen“

Olaf Schmitz hat Unterstützung dabei: Sein Kollege Sebastian Stahlke erzählt vom Alltag in der Einrichtung neben dem Gesundheitsamt. Der Sozialarbeiter zeigt den intervenösen Raum. Anders als im Raucherraum ist hier immer ein Mitarbeitender direkt im Zimmer und passt auf die Konsument:innen auf. Die acht Plätze seien aber eher selten ausgelastet, meist hielten sich nur ein oder zwei Personen gleichzeitig dort auf, so Stahlke.

Sebastian Stahlke und Olaf Schmitz (v.li.) sind zwei von etwa 40 Mitarbeitenden im „kick“. Julius Obhues | Nordstadtblogger

Nicht nur aufpassen gehört zu den Aufgaben von Stahlke, er muss auch die Utensilien ausgeben. „Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Präferenzen“ erzählt er. Deshalb gibt es Löffel in groß und klein und verschiedene Filter, um Partikel aus der aufgekochten Materie zu selektieren.

Dazu gibt es Pflaster und Trockentupfer, um die Blutung zu stoppen, Alkoholpads, um die Stelle zu desinfizieren und Pumpen mit destilliertem Wasser, welches beim Konsumvorgang zusätzlich zu dem Heroin auf den Löffel getropft wird.

Aber auch Spritzen in verschiedenen Längen hat das „Kick“ im Angebot. „Es kommt darauf an, wo man initiieren möchte“, erzählt Stahlke. Für den Arm bieten sich eher kurze, für den Leistenbereich eher lange Nadeln an, berichtet der Sozialarbeiter. Er verrät, dass seine Arbeit mittlerweile zu einem ganz normalen Umfeld geworden sei.

Betroffene wünschen sich mehr Respekt und weniger Vorurteile

Einige Betroffene möchten anonymisiert Stellung beziehen. Viele fühlen sich erniedrigt durch Vorurteile und wünschen sich einen respektvolleren Umgang ihnen gegenüber – ganz gleich ob von behördlicher oder zivilgesellschaftlicher Seite.

Daniel (Name geändert) nimmt selbst problematisches Verhalten innerhalb der Szene war, etwa wie der Konsum in Gegenwart von Kindern in der Öffentlichkeit. Er sagt: „Wenn ich daran denke, dass meine Kinder das sehen würden, das wäre der Horror für mich.“

Er selbst sei bis vor zwei Jahren noch in einem festen Arbeitsverhältnis als stellvertretender Lagerleiter gewesen. Mittlerweile fühlt sich der Suchtkranke von der Gesellschaft ausgestoßen. Er wünscht sich mehr Verständnis: „Das ist nunmal eine Krankheit, die haben sich viele von uns nicht ausgesucht.“

Standortfrage des Drogenkonsumraums – Das sagt das „Kick“

Die Standortfrage wird in der Stadtgesellschaft aktuell heiß diskutiert. Besonders die City-Händler rund um die Thier-Galerie beschweren sich oft über die Suchtkranken. „Ich würde nicht sagen, der Drogenkonsumraum muss unbedingt an diesem Standort bleiben“, erklärte Olaf Schmitz gegenüber den Nordstadtbloggern. „Ich würde aber auf jeden Fall sagen, er muss in der Innenstadt bleiben.“

Aktuell befindet sich der Drogenkonsumraum hinter dem Gesundheitsamt, direkt an der Thier-Galerie. Julius Obhues | Nordstadtblogger

Er könne sich auch einen Standort vorstellen, der für die Nutzer:innen weniger exponiert ist und mehr Ruheraum biete. Das sei jedoch nicht in Sicht. Stahlke macht sich auch für mobile Drogenkonsumräume stark. „Mindestens einer, vielleicht auch zwei“, diese könnten davor und danach sowie parallel zu den Öffnungszeiten des „Kick“ in Betrieb sein.

So könne man zumindest einen gewissen Teil auffangen. Der Suchtkranke Daniel macht auch auf fehlende Angebote aufmerksam: „Das ist der eine Raum, das ist auch schön und gut, aber was machen wir zwischen 16 Uhr und 8 Uhr morgens? Wir brauchen einfach mehr Räume.“

Was würde ohne Drogenkonsumraum passieren?

Sebastian Stahlke prophezeit im Falle der Schließung des Drogenkonsumraums eine noch größere Drogenszene. Das „Kick“ habe aktuell rund 900 Verträge, ergo 900 Menschen, die mal mehr mal weniger die Räumlichkeiten der Aidshilfe nutzen. „Wenn ich jetzt davon ausgehe, dass 900 Menschen mehr draußen auf der Straße im Innenstadtbereich unterwegs sind und da ihren Konsum vollziehen, dann wäre das problematisch“ so der Sozialarbeiter.

„Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass man sagt, die Belastung ist so groß, wir schließen den Raum, weil dann, davon bin ich überzeugt, werden wir eine richtig große Belastung haben.“ Die Folge wäre eine Zunahme von Konsumvorgängen auf den Straßen. Auch die Grundversorgungsangebote wie duschen, Wäsche waschen und saubere Toiletten würden so wegfallen, die Verelendung und soziale Probleme würden sich somit deutlich verstärken.

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