Gedenken an die nationalsozialistischen Massenmorde in Dortmund

Der Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf zog am Karfreitag zum Mahnmal in der Bittermark

In der Bittermark hatten die Botschafter:innen der Erinnerung mahnende Botschaften aufgestellt. Paulina Bermúdez | Nordstadtblogger

In Erinnerung an die Opfer der Nazi-Massenmorde am Karfreitag 1945 zog auch dieses Jahr der Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf vom Dortmunder Stadion durch den Rombergpark zur Gedenkveranstaltung am Mahnmal in der Bittermark.

Massenmorde der Gestapo im Rombergpark, der Bittermark und am Bahndamm von Hörde

Ein Gedenkstein im Rombergpark erinnert an die Gestapo-Morde. Foto: Paulina Bermúdez für nordstadtblogger.de

Schüsse zerreißen die Stille. Leblose Körper sacken zusammen. Sie fallen in die Bombenkrater, die an den allgegenwärtigen Krieg erinnern. Gestapo-Mitarbeiter:innen schaufeln Erde auf die Löcher, bedecken die Leichen, um die Gräueltaten zu verbergen.

Kurz vor der Besetzung durch die amerikanischen Truppen ermordete die Dortmunder Gestapo vom 7. März bis zum 9. April 1945 etwa 300 Menschen in zehn solcher Mordaktionen. Drei fanden in der Bittermark statt, sechs im Rombergpark und eine am Bahndamm von Hörde.

Neben Zwangsarbeiter:innen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Jugoslawien, Polen und der Sowjetunion handelte es sich bei den Opfern auch um deutsche Widerstandskämpfer:innen, die aus dem Hörder Gestapo-Keller und der Steinwache, der „Hölle von Westdeutschland“, verschleppt wurden.

Am Morgen des 13. April 1945 näherten sich die Einheiten des 378. Regiments der 95. US-amerikanischen Infanteriedivision der Dortmunder Innenstadt und beendeten die nationalsozialistische Herrschaft. Mit der Befreiung begann auch die Rekonstruktion der Gestapo-Morde und die Bergung der Leichen.

Ein Opfer mit Namen: BVB-Platzwart und Widerstandskämpfer Heinrich Czerkus

In der Schlosserstraße 42 findet sich ein „Stolperstein“, der an Heinrich Czerkus erinnert.
In der Schlosserstraße 42 findet sich ein „Stolperstein“, der an Heinrich Czerkus erinnert. Foto: Paulina Bermúdez für nordstadtblogger.de

Einer der Toten war Heinrich Czerkus. Er lebte in der Schlosserstraße 42, nahe dem Dortmunder Borsigplatz und war Platzwart auf dem Borussia-Sportplatz an der Wambeler Straße, der früheren Weißen Wiese.

Überwachungsprotokolle der politischen Polizei Dortmund aus dem Jahr 1925 belegen, dass Czerkus bereits im Jahr 1920 in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) eintrat und mit dem Erstarken der Nationalsozialisten im „Kampfbund gegen den Faschismus“ aktiv wurde.

In der NS-Zeit war Czerkus Teil des Dortmunder Widerstands gegen das Nazi-Regime. Er vervielfältigte Flugblätter auf der Druckmaschine der BVB-Geschäftsstelle. Gegen Kriegsende flog die Gruppierung auf – ein Spitzel hatte sie verraten.

Daraufhin kam es Anfang Februar 1945 zu zahlreichen Verhaftungen durch die Dortmunder Gestapo. Berichten von Überlebenden zufolge misshandelte sie in der Gestapozentrale in Hörde zahlreiche Häftlinge, darunter auch Czerkus. 28 der 44 kurz zuvor Inhaftierten Widerstandskämpfer:innen wurden im Rombergpark hingerichtet. Heinrich Czerkus‘ Leichnam wurde am 19. April 1945 im Rombergpark geborgen.

19. Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf erinnerte an die Opfer des NS-Regime

Trotz des schlechten Wetters waren viele Menschen zum Gedenken gekommen. Karsten Wickern | Nordstadtblogger

In diesem Jahr fand an Karfreitag, dem 7. April, der 19. Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf statt, an dem trotz Regen mehrere hundert Menschen teilnahmen. Im Sinne seines Namensgebers richtet sich der Lauf entschieden gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und jegliche Form von Diskriminierung.

Um 13 Uhr starteten die Spaziergänger:innen, um 13.30 Uhr die Walker:innen und um 14 Uhr die Jogger:innen und Fahrradfahrer:innen am Stadion Rote Erde. Ziel war die Gedenkveranstaltung in der Bittermark.

Wie in den Jahren zuvor versteht sich der Lauf als ein starkes Signal für ein friedliches und gewaltfreies Miteinander innerhalb und außerhalb des Stadions und wird mit Unterstützung des BVB und der BVB-Fanabteilung von den Naturfreunden Dortmund-Kreuzviertel, dem BVB-Fanclub Heinrich Czerkus und dem Fan-Projekt Dortmund e.V. organisiert.

Gedenken in der Bittermark: „Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Taten jemals wieder passieren“

Nordert Schilff (1. Bürgermeister der Stadt Dortmund) vor dem Mahnmal in der Bittermark. Paulina Bermúdez | Nordstadtblogger

Moderiert wurde die Gedenkveranstaltung am Mahnmal in der Bittermark von Manfred Kossack, dem Sonderbeauftragten des Oberbürgermeisters der Stadt Dortmund für Vielfalt, Toleranz und Demokratie. „Wir erinnern uns einerseits an das Verbrechen der Nationalsozialisten und wir verpflichten uns andererseits in der Gegenwart neofaschistischen Tendenzen entgegenzuwirken“, erklärte Kossack entschieden.

Nach einer Schweigeminute ergriff der erste Bürgermeister der Stadt Dortmund Norbert Schilff das Wort: „Am Karfreitag 1945 war nichts, gar nichts christlich hier in der Bittermark. Hass, Gewalt und Brutalität beherrschten damals diesen Ort.“ Daher sei die Gedenkstätte in der Bittermark eine „in Stein gemeißelte Warnung an uns alle.“ Schilff mahnte: „Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Taten jemals wieder passieren.“

Es sprachen zudem die Vizepräsidentin des Verbandes der französischen Zwangs- und Arbeitsdeportierten Nicole Godard und der Vorsitzende des Fördervereins der Gedenkstätte Steinwache und des Internationalen Rombergpark-Komitee e.V. Georg Deventer. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von den Posaunenchören aus Dortmund (Leitung: Helge Schneider) und den Kinderchören der Chorakademie am Konzerthaus Dortmund e.V. (Leitung: Tabea Creutz).

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