Denkmal des Monats Januar 2020: Kleine Küche – ein archäologischer Fund in der Langen Straße Dortmund

Bei Arbeiten am Fernwärmenetz stießen Archäologen auf den spannenden Fund. Ein Stempel auf dem Boden der Flasche des kleinen Küchenensembles verrät das Produktionsjahr 1942. Foto: Ingmar Luther

Nicht nur bei spektakulären archäologischen Funden wie dem berühmten römischen Goldschatz vom Gelände der ehemaligen Unionbrauerei, dem Fürstengrab aus Asseln oder einem der frühgeschichtlichen Urnenfriedhöfe öffnen sich kleine Fenster in die Vergangenheit Dortmunds. Auch Funde aus der jüngsten Epoche, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken, erzählen Stadtgeschichte. So auch die vor einigen Wochen bei Ausgrabungen in der Langen Straße gefundenen Kochutensilien. Grund genug für die Denkmalbehörde Dortmund, diese Funde als Denkmal des Monats Januar 2020 vorzustellen.

Erdarbeiten am Fernwärmenetz sorgen immer wieder für Überraschungen

Die Stadt Dortmund will den CO2-Ausstoß im Stadtgebiet in den kommenden Jahren deutlich reduzieren. Eine Maßnahme dazu ist die Erneuerung und der Ausbau des Fernwärmenetzes. Die dafür erforderlichen Erdarbeiten sind derzeit im Stadtkern allgegenwärtig. 

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Gerade unter der Innenstadt Dortmunds liegt geschichtsträchtiger Boden, weshalb Archäologen alle notwendigen Erdarbeiten begleiten, um die Geschichtszeugnisse zu dokumentieren und zu bergen. Immer wieder stoßen die Fachleute dabei auf Überraschungen, wie auf das kleine Fundensemble aus dem Zweiten Weltkrieg vor den Toren der Altstadt, in der Langen Straße.

Wie viele Straßen, so wurde auch die Lange Straße nach dem Krieg wesentlich breiter angelegt als vorher. Die bis dahin vorhandenen Gebäude wurden, sofern sie nicht bereits durch den Krieg zerstört waren, bis auf das Straßenniveau abgetragen und die Kellerräume mit Kriegsschutt verfüllt – sie liegen bis heute häufig direkt unter den Fahrbahnen.

Relikte aus einer Zeit, als Dortmund in Schutt und Asche lag

Dortmund zu Kriegsende - die Innenstadt war größtenteils zerstört. Foto: Stadtarchiv Dortmund
Dortmund zu Kriegsende – die Innenstadt war größtenteils zerstört. Foto: Stadtarchiv Dortmund

In einem dieser mit Kriegsschutt verfüllten Keller in Höhe der Langen Straße 11-13, Ecke Friedrichstraße entdeckten die Archäologen in einer Nische einen Kochtopf mit Deckel, eine Kasserolle, Reste einer Pfanne, drei Esslöffel, eine Schöpfkelle und eine kleine braune Flasche mit der Einprägung „Dauermilch“ und der Maßangabe 0,25 l.

Ein Stempel auf dem Flaschenboden verrät, das Produktionsjahr der Glasflasche war 1942. Die Häuser in diesem Abschnitt der Langen Straße waren vermutlich schon bei einem der ersten Großangriffe im Mai 1943 zerstört worden, denen auch Propstei-, Petri- und Liebfrauenkirche zum Opfer fielen.

Die Stadtarchivarin Luise von Winterfeld schrieb dazu in den 1948 vom Historischen Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark veröffentlichten Jahresberichten: 

„Schon nach dem ersten Großangriff vom 5. Mai 1943 waren die Straßen durch Trümmer blockiert; Strom, Gas und Wasser fehlten wochenlang, und Tag und Nacht flüchteten die abgehetzten Menschen beim Ertönen der Sirenen in die Keller und Bunker, von denen viele keinen Schutz mehr vor den immer schwereren, alles zermalmenden Sprengbomben boten.“

Schlaglicht auf die damaligen dramatischen Lebensbedingungen

Geschirr, Besteck und Milchflasche von der Langen Straße lagen „geordnet“ in der Kellernische. Dies lässt vermuten, dass es sich bei „Topf, Löffel und Co“ nicht um Gegenstände handelt, die als Kriegsschutt in die Kellerverfüllung gerieten. Vielmehr wird es sich wohl um eine Deponierung, also um eine absichtliche Niederlegung handeln, die erfolgt sein muss, als der Keller noch genutzt wurde. 

Dank des Produktionsstempels der Glasflasche und den Angaben aus den historischen Quellen lässt sich das Zeitfenster für die Deponierung zwischen 1942 und Mitte 1943 eingrenzen. Denkbar ist, dass jemand die „Küchenutensilien“ in der Kellernische in Sicherheit brachte, um nach einer eventuellen Zerstörung der Wohnung auf sie zurückgreifen zu können. 

Vielleicht hatte man das kleine Depot auch als Notreserve für Situationen angelegt, in denen der Keller längere Zeit zum Schutz vor Bombenangriffen aufgesucht werden musste? Selbst wenn der oder die Besitzer*in eines der 5.579 Bombenopfer war, die das Standesamt bis 1945 zählte, hätte vermutlich jemand der Überlebenden diese Dinge weitergenutzt. Denn: „Die Mehrzahl hatte Heim und Habe verloren und lebte elend, hungrig und frierend in dürftigen Notquartieren“, so von Winterfeld über das Leben der Davongekommenen.

Offensichtlich war die Nische schon während des Krieges unzugänglich verschüttet worden. Die Funde aus dem ehemaligen Keller an der Langen Straße werfen ein kleines und sehr persönliches Schlaglicht auf die teils dramatischen Lebensbedingungen während dieser nicht lange zurückliegenden Jahre.

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