BlockaDO-Konferenz gegen Rechtsextremismus: Brückenschlag in die Mitte – Kreativoffensive geplant

Zahlreiche Proteste von BlockaDO gab es gegen den Neonazi-Aufmarsch in Westerfilde.
Proteste von BlockaDO gab es gegen den Neonazi-Aufmarsch in Westerfilde. Foto: Alex Völkel

Rund 60 Menschen haben am Treffen von BlockaDO – Dortmunder Bündnis zur Blockade von Nazi-Aufmärschen – im Fritz-Henßler-Haus teilgenommen. Knapp ein Jahr nach Gründung des Bündnisses ging es darum, eine erste Bilanz zu ziehen, neue Aktionsformen zu diskutieren sowie bei weiteren Einzelpersonen und Organisationen die Vorbehalte gegen Blockaden abzubauen, sie zur Mitarbeit zu gewinnen und sich zur Mitarbeit zu empfehlen.

Beeindruckende Bilanz der bisherigen Arbeit von BlockaDO gezogen

Zahlreiche Proteste von BlockaDO gab es gegen den Neonazi-Aufmarsch in Westerfilde.
BlockaDO hat eine Vielzahl von Aktionen in Dortmund gestartet. Foto: Alex Völkel

Die Bilanz ist beeindruckend: zwei erfolgreiche Blockaden am 1. Mai (Westerfilde, u.a. stundenlange Verzögerung der S-Bahn-Anreise der Nazis) und 23. August (Katharinentreppe, trostloses Nazihäuflein seitab zwischen Bauzäune gezwängt), mit jeweils mehreren hundert Blockierern, friedlich und gewaltfrei, Unterstützung für Hamm am 3. Oktober (mit einer Blockade im dortigen Hauptbahnhof und anschließender Teilnahme am bunt-fröhlichen Demonstrationszug).

Für das Podium hatte man drei ausgewiesene Experten gewinnen können: Jugendpfarrer Lothar König aus Jena, ein Urgestein antifaschistischen Kampfes in Ostdeutschland und wegen einer Blockadeaktion jahrelang vor Gericht, ehe das Verfahren letztlich eingestellt wurde;  Lennart Surmann von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus NRW  – und Jan, ein Aktivist von  see red!, einem Düsseldorfer Bündnis der interventionistischen Linken, dass sich u.a. an Blockaden beteiligt und dafür schult, auch in Dortmund.

Wie und wann der Kampf gegen Rechts begann – Veteran Lothar König berichtet

Externe Gäste berichteten von ihren Erfahrungen: Foto: Robert Rutkowski/ BlockaDO
Externe Gäste berichteten von ihren Erfahrungen: Foto: Robert Rutkowski/ BlockaDO

König erinnerte zuerst, wie und wann sein Kampf gegen Rechts begann. Das war in den frühen 90er Jahren, als es den Nazis gelungen war, das Orientierungsvakuum, in das viele ehem. DDR-Bürger, gewöhnt an die autoritären Vorgaben der NS- und DDR-Diktatur, nach der Wende und Wiedervereinigung geraten waren, mit ihren falschen Geborgenheitsversprechen, Opfermythen, Sündenbockerklärungen und Hassbotschaften zu füllen.

Gerade Jugendliche, die schnell auf der Straße standen und deren Jugendtreffs flächendeckend plattgemacht wurden, waren leichte Beute. Jugendarbeit und Schulen hätten zu oft versagt. König stammt aus Jena, dem Brutkasten der rechtsterroristischen Mörderbande NSU. König sieht seinen engagierten Kampf auch als Christ gerechtfertigt.

Gewachsene Protestkultur vor Ort bei der Arbeit berücksichtigen

CSD-Teilnehmer und Antifaschisten protestierten gegen Neonazis.
CSD-Teilnehmer und Antifaschisten protestierten am 23. August gegen Neonazis. Foto: Alex Völkel

Enttäuscht, dass er im Publikum keine anderen Pfarrer ausmachen konnte, erinnerte er daran, dass Jesus selbst die Händler mit durchaus robustem Einsatz aus dem Jerusalemer Tempel vertrieben hatte und die Urchristen sich als radikale Opposition gegen das römische Imperium verstanden. Gleichwohl war dies nicht ein Appell für Blockaden als alleinseligmachender Königsweg.

Hier knüpfte Lennart Surmann an, der selber nicht als Akteur sprach, sondern als Berater mit dem „Meta-Blick“. Er plädierte dafür, jeweils klug und der konkreten Situation angemessen die Strategie zu wählen, die „Nazipest“, wie es in einem populären Slogan heißt, effektiv einzudämmen.

Konkret heiße dies, die gewachsene Protestkultur vor Ort zu berücksichtigen, sich hier einzubringen, Blockaden seien eher was gegen Massenaufmärsche. Man solle der Versuchung widerstehen, die Protestformen pauschal zu hierarchisieren, in Töpfchen und Kröpfchen.

Respektvoll und wohlwollend nebeneinander, niemals gegeneinander

CSD-Teilnehmer und Antifaschisten protestierten gegen Neonazis.
Das Bündnis Dortmund gegen Rechts – eines der anderen Anti-Nazi-Bündnisse in Dortmund. Foto: Völkel

Stattdessen erbringe ein Nebeneinander oft schöne Synergieeffekte, was die gegenseitige Unterstützung, mindestens aber wohlwollende Tolerierung fördern könne. Völlig kontraproduktiv sei ein Gegeneinander der verschiedenen Bündnisse. Ein Schelm, wer dabei an Dortmund dachte! Surmann führte weitere Tätigkeitsfelder seiner Mobilen Beratung aus und bot Initiativen wie Einzelpersonen seine tatkräftige Unterstützung an.

Jan von „see red!“ bestätigte den Grundtenor seiner Vorredner. Seine Organisation entstand Anfang der 90er in Düsseldorf aus Antifagruppen, die neue Antworten auf die damaligen rechten Gewaltangriffe (Solingen), Pogrome (Rostock), Übergriffe auf linke Nazigegner und den rassistisch konnotierten Asylrechtverschärfungsdiskurs suchten.

Sie gestanden sich die Unwirksamkeit etwa von „brennenden Mülltonnen“ am Rande von Nazidemos ein und praktizierten eigentlich schon solch vielfältige Ansätze, wie sie die Surmann forderte: Bildungsarbeit, Zusammenarbeit mit Flüchtlingsinitiativen, Bündnisarbeit, aber eben auch Blockaden.

Antifaschisten sind auf den Schutz durch starke Polizeikräfte angewiesen

Gewalttätige Hooligans und  Neonazis waren bei der "HoGeSa"-Aktion in Köln dabei. Foto: Marcus Arndt
Gewalttätige Hooligans und Neonazis waren bei der „HoGeSa“-Aktion in Köln dabei. Foto: M. Arndt

Und auch König meinte, in Dresden 2010/11 hätte zuvörderst die schiere Masse der Gegendemonstranten zur Konfrontation und dann zum Stop des Naziaufmarsches geführt, nicht die Blockade (was aber mancher im Publikum anders sah).

Surmann und der leidgeprüfte König gaben zudem zu bedenken, dass man bei größeren Naziaufmärschen unbedingt auf den Schutz durch starke Polizeikräfte angewiesen sei (gleich, wie grummelnd oder ACAB-artig man zu den staatlichen „Repressionsorganen“ stehe), weshalb etwa eine Blockade der Hogesa in Köln Ende Oktober völlig unverantwortlich gewesen wäre – und es gab sie denn gottlob auch nicht.

Blockaden gegen Neonazis bleiben unverzichtbar

Bei der Fragerunde aus dem Publikum und in den anschließenden Workshops zeigte sich, dass die Podiumsdiskutanten mit ihrem Appell zu Flexibilität, Vielfalt, Toleranz, Respekt und bündnisübergreifender Zusammenarbeit offene Türen eingerannt hatten: Blockaden, so ließe sich resümieren, hätten sich zwar „in den letzten Jahren zum erfolgreichsten Instrument zur Verhinderung von Nazi-Aufmärschen entwickelt“.

BlockaDO verstärkt den Kampf um die Herzen und Köpfe

BlockaDoSie seien aber diskursiv unterkomplex, damit gewinne man auf Dauer nicht die Köpfe und Herzen der Menschen. Dies sei aber unverzichtbare Aufgabe aller Gegner von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Diktatur, blinder Autoritätshörigkeit und intoleranter Untertanen- und Radfahrermentalität.

Denn diese menschenfeindlichen Einstellungen gewännen, in jeweils unterschiedlicher Zusammensetzung und Graduierung, in beunruhigendem Maße an Attraktivität, weit über den doch überschaubaren Kreis des platten Neonazismus hinaus.

Das zeigten die neuen rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Bewegungen wie Hogesa oder Pegida, ebenso die Zunahme rechter Schulungskongresse, von der widerlichen rechten Hetzschwemme im Netz ganz zu schweigen. Hier müsse man mit überzeugenden Argumenten dagegenhalten, vielfältige Präventions- und Deradikalisierungsarbeit in allen möglichen gesellschaftlichen Zusammenhängen leisten (Schulen, Vereine, Parteien, am Arbeitsplatz usw.), ehe es zu spät ist.

Nicht zuletzt, weil auch die Nazis hier fleißig Anschluss suchten und letztlich die Übernahme anstrebten, um so ihrem alten Traum einer neonationalsozialistischen Massenpartei nahezukommen.

Der auch dafür, nicht nur für noch wirksamere Blockaden, notwendige Brückenschlag ins mitte- und linksbürgerliche Lager gelang an diesem stürmischen Dezemberabend aber noch nicht zufriedenstellend: Das war vielleicht auch der am selben Tage abgehaltenen Ratssitzung und dem vorweihnachtlichen Jahresend-Tagungsfieber im deutschen Vereinsbiotop geschuldet.

Offene Türen für andere Gruppen und Kreativoffensive

CSD-Teilnehmer und Antifaschisten protestierten gegen Neonazis.
Auch der Arbeitskreis gegen Rechts geht gegen Neonazis auf die Straße. Foto: Alex Völkel

Aber die Hände bleiben weit ausgestreckt: BlockaDO wird auf die anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen verstärkt zugehen, höflich, vernehmlich, in bester Absicht anklopfen, informieren, werben (mit dem starken Argument der bisherigen erfolgreichen, faktisch friedlichen und gewaltfreien Blockaden, die in dieser Form konzipiert und verlässlich durchgeführt werden), zusammen- und mitarbeiten.

Denn auch Nazi-Gegner lieben den Erfolg. Und in den Workshops wurden eine Menge kreativer Ideen ausgeheckt, wie man den Nazis mit Lust und Laune das Wasser abgraben kann. Die Runde schloss ganz optimistisch, dass sich dafür neue Mitstreiter und Mitstreiterinnen gewinnen ließen. Mehr wird nicht verraten, Einladung folgt, im Januar schon, yalla.

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