SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Gebr. Rosendahl hinterließen ihre Spuren an der Speicherstraße

Türschmuck: Firmenschriftzug und Wappen mit Rosen
Türschmuck: Firmenschriftzug der Gebrüder Rosendahl und Wappen mit Rosen an der Speicherstraße 1. Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Von Klaus Winter

Aktuell tut sich viel an der Speicherstraße. Der südliche Abschnitt scheint eine einzige Baustelle zu sein: Es finden Abbruch- und Umbauarbeiten statt, Neubauten entstehen, die Straße ist aufgerissen. Das Erscheinungsbild der Speicherstraße soll und wird sich massiv verändern. Die Zeugen der Vergangenheit werden im Rahmen dieser Umwandlung weniger. Aber nicht alle verschwinden. Das Gebäude Speicherstr. 1 steht noch. Jahrzehntelang war es der Sitz der Firma Gebr. Rosendahl. Aktuell startet die Stadt ein Interessenbekundungsverfahren, um neue Nutzer:innen für das Traditionsgebäude zu finden.

Mehl- und Kolonialwaren-Großhandel siedelte sich am Hafen an

Firmensitz Gebr. Rosendahl an der Überwasserstraße mit Reklame des Nachfolgers, 1908 (Slg. Klaus Winter)
Firmensitz Gebr. Rosendahl an der Überwasserstraße von 1908-1913 mit Reklame des Nachfolgers (Slg. Klaus Winter) Klaus Winter | Nordstadtblogger

Die Brüder Paul und Max Rosendahl gründeten 1904 eine Großhandlung in Mehl und Kolonialwaren. Innerhalb weniger Jahre bauten sie ihr Handelsunternehmen zu einem der größten der Branche in der Region aus.

1908 konnte ein neuerbautes Lagerhaus an der Überwasserstraße im Dortmunder Hafen bezogen werden. Das gaben sie wenige Jahre später aber wieder auf, weil sie an der Speicherstr. 1 ein Lagerhaus an einem günstiger gelegenen Standort gefunden hatten. Nach einigen Umbauarbeiten konnte hier 1913 der Betrieb aufgenommen werden.

Jahresumsatz stieg auf 5,6 Millionen Mark

Nach der Inflation und der Ruhrbesetzung 1923/24 vergrößerte Gebr. Rosendahl das Tätigkeitsgebiet. Im Sauerland wie im Münsterland wurden neue Absatzmärkte erschlossen.

Aus der Firmen- und Branchenkartei der Industrie- und Handelskammer Dortmund geht hervor, dass die Mehl- und Kolonialwarenhandlung im Jahre 1927 30 kaufmännische Angestellte und 29 Lagerarbeiter beschäftigte. Der Jahresumsatz betrug rund 5,6 Millionen Mark.

Umfeld der Speicherstraße am Hafen mit Firmensitz Gebr. Rosendahl, um 1915 (Slg. Klaus Winter)
Umfeld der Speicherstraße am Hafen mit Firmensitz Gebr. Rosendahl, um 1915 (Slg. Klaus Winter) Klaus Winter | Nordstadtblogger

25-jähriges Firmenjubiläum wurde im Gewerbeverein gefeiert

Max Rosendahl, zu der Zeit alleiniger Geschäftsinhaber, konnte 1929 das 25jährige Jubiläum seines Unternehmens feiern und dabei mit Stolz auf das Erreichte zurückblicken. 62 Angestellte und Arbeiter waren für ihn tätig, viele schon länger als zehn, einige sogar länger als zwanzig Jahre.

"Gewerbe-Verein" an der Ecke Kuhstraße /Eisenmarkt (Slg. Klaus Winter)
„Gewerbe-Verein“ an der Ecke Kuhstraße /Eisenmarkt (Slg. Klaus Winter) Klaus Winter | Nordstadtblogger

Zehn Außendienstmitarbeiter sorgten ständig für neue Aufträge. Der Fuhrpark bestand aus 10 Pferden, 4 Lastkraftwagen und einem Anhänger.

Die Jubiläumsfeier für Personal und Familie fand am 6. April 1929 abends im „Gewerbeverein“ statt. Speis und Trank und abwechslungsreiche Unterhaltung hielt die Festgesellschaft bis in den frühen Morgen „in schönster Harmonie“ zusammen.

Kunden der Konkurrenz wechselten zu Rosendahl

Die Firma Gebr. Rosendahl überstand die Weltwirtschaftskrise. Dagegen musste das in Sichtweite von Rosendahl gelegene Konkurrenzunternehmen Gebr. Wolff, das einen markanten Speicher direkt am Becken des Stadthafen nutzte, den Geschäftsbetrieb einstellen.

Die Kunden von Wolff fanden sich nun bei Rosendahl ein, ebenso wie die der Konsum-Genossenschaft Eintracht Dortmund, die den Nationalsozialisten nicht in das Konzept gepasst hatte. Der Kundenzuwachs erwies sich für Gebr. Rosendahl aber als Problem.

Schon Mitte der 1930er Jahre herrschte eine Mangelwirtschaft

Speicherstraße Eins, Gebr. Rosendahl Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Mitte der 1930er Jahre waren im Deutschen Reich viele Waren kontingentiert. Staatliche Stellen regelten, wem welche Warenmengen zur Verfügung gestellt wurden. Zwar hatte Gebr. Rosendahl u. a. die Kundschaft von Gebr. Wolff und dem aufgelösten Konsumverein hinzugewonnen, aber die Kontingentzuteilung war nicht an den Kundenzuwachs angepasst worden.

So herrschte im Herbst 1936 schon längere Zeit ein Mangel an Speisefetten und -ölen. Gebr. Rosendahl hoffte auf die Zuteilung größerer Kontingente, damit zumindest die Verkaufsstellen in den Arbeiterwohngebieten bedient werden konnten.

NSV-Wohltat bescherte dem Handel Einbußen

Im März 1937 war eine Reihe von Gütern, die früher problemlos gehandelt werden konnten, entweder nicht mehr verfügbar oder nur hin und wieder in kleinen Mengen zu haben. Bei anderen Produkten entstand unerwünschte Konkurrenz durch politisch motivierte Aktionen.

So hatte die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt in Dortmund einmal 1.600 Eimer Marmelade zum Teil über den Einzelhandel, zum Teil an die Verbraucher direkt verteilen lassen – wohl zur Freude der Empfänger, aber zum Schaden des Großhändlers Gebr. Rosendahl, der auf seinen Marmeladenvorräten sitzen blieb.

In einem Seitenflügel wurde eine Kaffeerösterei eröffnet

Trotz aller Widrigkeiten entwickelte sich das Großhandelsunternehmen gut. Der Umsatz der Jahre 1936 und 1937 lag jeweils bei rund 6,5 Millionen RM und im 1. Halbjahr 1939 bei über 3 Millionen RM.

Die 1935 in einem Seitenflügel des Lagerhauses an der Speicherstraße eingerichtete moderne Kaffeerösterei hatte an dem Erfolg sicherlich einen Anteil. Die Marke „Geros Kaffee“ war von der Kundschaft rasch angenommen worden.

Speicherstraße Eins, Gebr. Rosendahl Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Waren die Gebr. Rosendahl arisch?

Aber auch das passierte im nationalsozialistischen Deutschland: Eine Untergruppe der Fachgruppe Oele und Fette in Berlin wollte im August 1937 von der IHK Dortmund wissen, ob die Firma Gebr. Rosendahl „arisch“ sei.

Hintergrund der Frage war, dass die Fachgruppe keine Geschäftsbeziehungen mit jüdischen Unternehmen wollte. Weil „Rosendahl“ ein gängiger Name jüdischer Familie war, argwöhnte man wohl, dass es sich bei der Dortmunder Großhandlung um ein jüdisches Unternehmen handeln könnte. Die IHK bestätigte aber, dass das nicht der Fall sei.

Bomben zerstörten die Firmengebäude

Die Schäden, die der Zweite Weltkrieg Gebr. Rosendahl zufügte, waren gewaltig: Am 6. Oktober 1944 brannte das bereits zuvor von Bomben getroffene Lagerhaus Speicherstr. 1 mit allen dort gelagerten Vorräten ab.

Auch die Autohalle und Reparaturwerkstatt an der Kanalstr. 66, die Mineralwasserfabrik an der Speicherstr. 43 und das familieneigene Wohnhaus Bülowstr. 45 fielen dem Bombenkrieg zum Opfer.

Der Geschäftsbetrieb wurde vorrübergehend in Ausweichlager verlegt. Dann begann der Wiederaufbau.

Bei Kriegsende waren viele Angestellte und Arbeiter nicht in Dortmund

Speicherstraße Eins, Gebr. Rosendahl Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Bei Kriegsende, im Mai 1945 waren 18 Angestellte, 8 Lehrlinge und 16 ungelernte Arbeiter von Gebr. Rosendahl in Dortmund. Im Dezember waren es bereits wieder 28 Angestellte, 15 Lehrlinge und 19 Arbeiter.

Gebr. Rosendahl führte der IHK gegenüber aus, dass im Mai diejenigen „Gefolgschaftsmitglieder“ noch nicht zurückgekehrt waren, die der Aufforderung, die Stadt vor der Einnahme durch die Amerikaner zu verlassen, nachgekommen waren.

Gebr. Rosendahl war und blieb ein Familienunternehmen

Max Rosendahl verstarb wohl 1946. Seine Witwe, Anna geb. Höckmann, erbte das Geschäft und führte es ab März 1946 weiter. Zuvor war sie bereits als Prokuristin tätig gewesen.

Im Mai 1951 nahm Anna Rosendahl ihren Sohn Max als persönlich haftenden Gesellschafter in das Unternehmen auf. Er verfügte, obwohl er seit 1938 Inhaber einer Spedition war, auch über jahrelange Erfahrung in führender Stellung im elterlichen Betrieb.

Chefin war an Aufbau und Ausbau maßgeblich beteiligt gewesen

Speicherstraße Eins, Gebr. Rosendahl Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Anna Rosendahl starb am 5. Januar 1959. In ihrer Todesanzeige heißt es: „Während des fünfzigjährigen Bestehens der Firma war sie an deren Aufbau und Ausbau maßgebend beteiligt und stand im Mittelpunkt des Geschäftes.“

Gebr. Rosendahl betätigte sich nach wie vor als Mehl- und Kolonialwarengroßhändler. Auch die Kaffeerösterei war weiter in Betrieb. Neu war, dass man nun auch auf die Herstellung von Spirituosen setzte.

Es gab viele Veränderungen, aber der Umsatz entwickelte sich konstant

Speicherstraße Eins, Gebr. Rosendahl Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Im Jahre 1951 waren im kaufmännischen Bereich 37 Angestellte sowie 6 Lehrlinge beschäftigt. 28 Arbeiter waren im Lager tätig. Bis 1957 gingen die Beschäftigtenzahlen leicht zurück. 1966 hatte die Großhandlung dann aber nur noch insgesamt 31 Arbeitsplätze.

Auch der Fuhrpark war starken Veränderungen unterworfen: 1951 bestand er noch aus fünf Lastkraftwagen, einem Trecker und drei PKW. Ferner gab es einen Gleisanschluss. 1957 wurden 3 PKW und 6 Lieferwagen eingesetzt. 1966 gab es nur noch einen Hubwagen ein.

Der Umsatz hatte sich konstant entwickelt: Er stieg von 4,8 Millionen DM in 1949 auf 5,1 Millionen in 1956 und weiter auf 5,4 Millionen in 1965.

Das Unternehmen wurde 1969 verkauft

Zum 31. März 1969 gab Max Rosendahl die von den Eltern übernommene Großhandlung auf. Das Unternehmen wurde am 1. April 1969 von der Fa. Albrecht & Sohn, Schwelm übernommen und unter ihrem Namen fortgeführt.

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