SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Behelfswachen waren die ersten Feuerwehrstützpunkte in der Nordstadt

Feuerwache an der Silberstraße, Ansichtskarte, 1901 (Sammlung Klaus Winter)
Feuerwache an der Silberstraße, Ansichtskarte, 1901 (Sammlung Klaus Winter)

Von Klaus Winter

Die Feuerwehr kann in der Nordstadt auf eine inzwischen weit über hundertjährige Tradition zurückblicken. Sie begann 1908 mit der Inbetriebsetzung einer Nebenwache in der Stahlwerkstraße und 1911 mit der Eröffnung der Hafenwache an der Speicherstraße.

Erster Branddirektor plante bereits eine Wache im Norden

Die Berufsfeuerwehr Dortmund wurde am 1. Oktober 1901 ins Leben gerufen. Die bis dahin allein mit der Brandbekämpfung betraute Freiwillige Bürgerfeuerwehr, die zu der Zeit bereits auf ein 25jähriges Bestehen zurückblicken konnte, verlor in den folgenden Jahren an Bedeutung. Die Berufsfeuerwehr übernahm das Depot der Freiwilligen Bürgerfeuerwehr im Haus Silberstr. 27 als Stützpunkt. Diese Adresse war bis Mitte der 1970er Jahre gültig. Dann erfolgte der Umzug der Feuerwehr zur Steinstraße, wo sich die Hauptwache – seit 2012 in neuen Gebäuden – noch heute befindet. Das alte Gebäude an der Silberstraße wurde abgerissen.

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Erster Leiter der Dortmunder Berufsfeuerwehr war Branddirektor Schänker, der sich sehr um einen effektiven Ausbau des Feuerwehrwesens in der Stadt bemühte. Auch eine Wache im Norden hatte Schänker bereits im Auge, konnte ihre Einrichtung aber nicht durchsetzen. Bei der entscheidenden Abstimmung in der Stadtverordneten-Versammlung scheiterte der Plan 1904 an nur einer Stimme.

Die Dortmunder Freiwillige Feuerwehr wurde im Jahr 1909 aufgelöst

An der Speicherstraße 38 war die erste Feuerwache untergebracht. Foto: Alex Völkel
An der Speicherstraße 38 war eine der beiden Behelfs-Feuerwachen untergebracht. Foto: Alex Völkel

Solange ein Feuerwehr-Stützpunkt nördlich der Eisenbahn nicht genehmigt war, musste die sogenannte „Reserve-Feuerwehr“ den Brandschutz dort übernehmen. Diese war an die Stelle der Freiwilligen Bürgerfeuerwehr getreten, die zum 31. März 1909 aufgelöst wurde.

Schänkers Nachfolger, Branddirektor Baehr, trat 1906 in die Dienste der Stadt. Er setzte sich für die Umsetzung der Pläne seines Vorgängers und somit auch für eine Feuerwache im nördlichen Stadtteil ein.

Tatsächlich entschieden die Stadtverordneten 1907 nochmals über die Einrichtung einer solchen Feuerwache – und lehnten das Vorhaben erneut ab. Doch am Ende des folgenden Jahres wurde eine Wache im Haus Stahlwerkstraße 8 in Betrieb genommen.

Eisenbahn-Baustellen führten zur Gründung der ersten Feuerwache im Norden

Zwischen der Ablehnung von 1907 und der Eröffnung von 1908 lag ein für die Dortmunder Stadtentwicklung wesentliches Ereignis: der Neubau des Hauptbahnhofes und der damit verbundene Umbau von sieben niveaugleichen Kreuzungen aus Straßen und Schienenverkehrswegen in Straßenunter- / Eisenbahnüberführungen. 1907 wurden die Arbeiten an der Höherlegen der Eisenbahnschienen auf die noch heute vorhandenen Dämme sowie mit dem Bau der Brücken begonnen.

Eine Folge der Baumaßnahmen war, dass man bei Brandunglücken im Norden mit seinen damals rund 90.000 Einwohnern davon ausgehen musste, dass die Feuerwehr aufgrund der Baustellen an den Verkehrsknotenpunkten die Einsatzorte von der Silberstraße aus nur schlecht und unter großem Zeitverlust erreichen würde. Diese Erkenntnis gab den Ausschlag dafür, ein zweites Standbein der Feuerwehr im Norden zu etablieren.

Die erste Nordwache war ein Provisorium an der Stahlwerkstraße

Im Haus Stahlwerkstr. 8, das damals dem Bauunternehmer Budenz gehörte, wurden deshalb Räumlichkeiten für die Unterbringung eines Oberfeuerwehrmannes, vier Feuerwehrmännern, einer Gasfeuerspritze und zwei Pferde angemietet. Die Kosten für die Pferde, die noch beschafft werden mussten, und die Gehälter beliefen sich auf rund 10.000 Mark.

Das Projekt wurde von Anfang an als Notbehelf eingestuft. Ein Teil der Stadtverordneten-Versammlung wollte es nur für die Dauer der Eisenbahnbauarbeiten bestehen lassen, andere rechneten damit, dass in den nächsten Jahren eine große Wache im nördlichen Stadtbezirk gebaut und der Stützpunkt an der Stahlwerkstraße überflüssig werden würde. Das Provisorium „Feuerwache Stahlwerkstraße“ überlebte die Eisenbahnbauarbeiten tatsächlich um mehrere Jahre.

Hafenwache, um 1912 (Feuerwehr Dortmund)
Die Hafenwache in der Nordstadt – das Bild ist um das Jahr 1912 herum entstanden.  (Foto: Feuerwehr Dortmund)

Feuerwehr erhielt 1911 mit der Hafenwache einen weiteren Stützpunkt im Norden

Die Hafenverwaltung, in deren Bereich in letzter Zeit eine große Anzahl von Lagerhäusern entstanden war, entschloss sich, die Einrichtung einer für den Hafenbezirk zuständigen Feuerwache finanziell zu fördern. Hintergrund dafür war die Einsicht, dass die Wache Stahlwerkstraße zu schwach besetzt und wie die Hauptwache an der Silberstraße zu weit entfernt lag, um im Hafengebiet eingesetzt werden zu können.

Eine neue Feuerwache im Hafen hatte mehrere Vorteile: Der Hafen konnte besser überwacht, die Brandbekämpfung hier schneller in Angriff genommen und der Schutz der anderen Stadtgebiete entlastet werden. Ferner gab es Vorteile bei der Organisation der Feuermelder-Linien und der Telegraphenzentrale der Feuerwehr an der Silberstraße.

Am 29. November 1910 genehmigt der Magistrat die Errichtung der Hafenwache, und am 10. Juli 1911 meldete Branddirektor Baehr der Hafen-Verwaltung, dass die Wache im Hause Speicherstr. 38 von diesem Tage an besetzt sei.

In der Hafenwache war nicht alles optimal

Die personelle Ausstattung der Hafenwache war so schwach wie die an der Stahlwerkstraße. Die Unterbringung der Feuerwehrmänner musste als ungünstig eingestuft werden. Zunächst fehlten Öfen, um die Räume zu beheizen. Starker Regen verursachte im Dezember 1912 Wasserschäden an der zum Hafenbecken gelegenen Giebelwand. Im Mai 1913 wurde der Fußbodenanstrich als „sehr schadhaft“ beurteilt. Später stellte man gar einen Schwammbefall fest.

Die medizinische Ausrüstung für die Unfallstation der Wache wurde erst im November 1911 beschafft. Hafendirektor Schmidt bat im Februar 1912 um Auskunft über den zwischen der Westfälischen Transport-Aktiengesellschaft (WTAG) und der Maschinenfabrik Jos. L. Meyer, Papenburg, abzuschließenden Vertrag über Lieferung eines Motor-Spritzenboots; am 24. Dezember 1913 fand eine Probefahrt statt. Im Mai 1913 installierte die Fa. Siemens & Halske eine Motorsirene auf dem Turm des Hafenamtes; die Sirene war mit der Hafenwache verbunden.

Anlässlich einer Revision stellte man im Mai 1912 fest, dass die Feuerwehrmänner auf dem Hof Hühner hielten. 1913 gab es einen Wachhund. „Bellas“ Futterkosten wurden aus Mitteln des Feuerwehretats gezahlt.

Verwaltungsbericht der Feuerwehr Dortmund 1912 mit handschriftlichen Anmerkungen (Feuerwehr Dortmund)
Verwaltungsbericht der Feuerwehr Dortmund 1912 mit handschriftlichen Anmerkungen (Feuerwehr Dortmund)

Aus der Arbeit der Hafenwache

Aus der „Dienstanweisung der Feuerwache am Hafen“ geht hervor, dass das Aufgabengebiet der Feuerwehrmänner außer den Einsätzen bei Feuergefahr und Unglücksfällen die Sicherung und Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Hafenbezirk umfasste. Deshalb war die Feuerwehr auch zu Patrouillengängen verpflichtet. Sie hatte Beschädigungen an den Hafeneinrichtungen aller Art ebenso zu melden, wie eine Verschmutzung der Hafenbecken, mögliche Diebstähle und Einbrüche, unerlaubtes Baden und Angeln usw. Auch das Ein- und Ausschalten der – allerdings wenigen – Straßenlaternen im Hafengebiet oblag ihr.

So zog die Wehr im Januar 1912 eine männliche Leiche mit fortgeschrittener Verwesung aus einem Hafenbecken. Dagegen verhinderte sie am 31. Dezember des Jahres, dass eine verheiratete Frau durch Sprung in das Hafenbecken Selbstmord beging. Die Frau wurde zur Feuerwache gebracht und der Polizei übergeben. Meldungen über versuchte und erfolgte Selbstmorde finden sich in der im Stadtarchiv aufbewahrten Akte zur Hafenwache mehrfach, aber auch dies: Im Oktober 1913 fand ein patrouillierender Feuerwehrmann nahe der Franziusbrücke eine Frau im Felde liegend, „im Begriff einem Kinde weiblichen Geschlechts das Leben zu schenken.“ Der Feuerwehrmann schaffte die Frau in eine Baubude und ließ sie von dort durch einen Krankenwagen zum Dudenstift schaffen.

Im Juni 1913 fing die Wehr fünf Pferde ein, die sich unbeaufsichtigt an der Hafenbrücke aufhielten. Wie sich herausstellte, gehörten die Tiere dem Eisen- und Stahlwerk Hoesch und waren von einer Weide an der Schäferstraße ausgebrochen.

Im März 1912 wurde die Feuerwehrpatrouille von etwa 40 streikenden Bergleuten, die arbeitswilligen Kollegen auflauerten, mit Steinen beworfen. Daraufhin forderte die Feuerwehr die Bereitstellung geeigneter Waffen für den Patrouillengang.

Nebenwachen wurden am Ende des Ersten Weltkriegs aufgelöst

Die Feuerwehr im amtlichen Teil des Adressbuch von Dortmund, 1915
Die Feuerwehr im amtlichen Teil des Adressbuch von Dortmund, 1915

Die Feuerwache an der Stahlwerkstraße musste 1917 aufgegeben werden. Das Grundstück war zwischenzeitlich von Hoesch angekauft und für andere Zwecke beansprucht worden. Seit dem 30. Juni 1917 gab es dort nur noch eine Telegraphenstube und ein Schuppen für einen Krankenwagen. Die übrigen Feuerwehrfahrzeuge waren zur Silberstraße zurückbeordert worden.

Die Hafenwache wurde 1918 geschlossen und die von ihr genutzten Räumlichkeiten von der Hafenverwaltung anderweitig vergeben. Einen Ersatz für die Feuerwehr gab es am Hafen ebenso wenig wie an der Stahlwerkstraße.

Während also vor Beginn des Ersten Weltkrieges in Dortmund drei Feuerwehrstützpunkte existierten, gab es bei Kriegsende nur noch die Hauptwache an der Silberstraße. Hier mussten jetzt die Mannschaften, Geräte und Fahrzeuge der geschlossenen Nebenwachen mit untergebracht werden. Eine Entlastung sollte es erst mit der Eröffnung der Feuerwache an der Münsterstraße 1922 geben.

 

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