Prostitutionsverbot in der Corona-Pandemie: Die CDU sieht die Erfolge des „Dortmunder Modells“ in Gefahr

Tote Hose - so stellt sich die Situation in der Linienstraße aktuell dar.
Tote Hose – so stellt sich die Situation in der Linienstraße seit Monaten dar. Foto: Alex Völkel

Die nordrhein-westfälische Wirtschaft ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders hart getroffen worden. Doch während die allermeisten Branchen nach dem „Shutdown“ mittlerweile in eine „verantwortungsvoller Normalität“ zurückgekehrt sind, gilt für das älteste Gewerbe der Welt in NRW weiterhin ein striktes Berufsausübungsverbot. Mit einer Resolution im Ausschuss für Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden will die Dortmunder CDU-Fraktion nun auf das Problem aufmerksam machen. Die Christdemokraten fordern die Stadt Dortmund darin zur Aufnahme „lösungsorientierter Gespräche“ mit dem Land NRW auf.

Berechtigte Sorge: Viele SexarbeiterInnen werden in die illegale Prostitution getrieben

Thorsten Hoffmann (CDU). Foto: Klaus Hartmann

„Seit März besteht für SexarbeiterInnen in Dortmund keinerlei Möglichkeit, auf legale Weise ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie werden infolge des nach wie vor strikten Prostitutionsverbotes derzeit vor die Wahl gestellt, sich unverschuldet für ein Leben in Arbeitslosigkeit oder ein Leben in der Illegalität zu entscheiden“, weiß Thorsten Hoffmann, der sich als Mitglied der CDU-Sozialfraktion und langjähriger Polizeibeamter in Dortmund bestens in der Szene auskennt.

Die finanziellen Nöte der Betroffenen sorgen dafür, dass viele SexarbeiterInnen in die illegale Prostitution getrieben werden. Oder aber aus wirtschaftlichen Gründen in andere Bundesländer und das europäische Ausland abwandern. Auf diese Probleme weisen auch Hilfsorganisationen wie die Dortmunder Mitternachtsmission hin.

„Um das Thema Prostitution wird in der politischen Debatte gerne ein großer Bogen gemacht. Das liegt wohl daran, dass das Gewerbe auch heute noch bei vielen Menschen mit Vorurteilen, Stigmata und Tabuisierung belegt ist“, meint Friedrich-Wilhelm Weber, ordnungspolitischer Sprecher der Christdemokraten.

Zunahme illegaler Prostitution kann Menschenhandel und organisierter Kriminalität Vorschub leisten

Legale Prostitution: Die Bordellstraße Linienstraße in der Nordstadt bis März 2020.

„Wir haben jedoch große Sorge, dass das im Jahr 2002 etablierte und mittlerweile institutionalisierte „Dortmunder Modell“ sowie dessen kommunale Erfolgsgeschichte durch die aktuellen Entwicklungen in Gefahr gerät“, so Weber weiter. Dies gefährde nicht nur die öffentliche Ordnung in den besonders betroffenen Stadtteilen, sondern stelle auch in Hinblick auf den Schutz der SexarbeiterInnen ein eklatantes Problem dar.

Die Dortmunder Christdemokraten befürchten zudem, dass die Zunahme von illegaler Prostitution in Dortmund zu einem Wiedererstarken der vielerorts zu beobachteten Begleitphänomene, wie Menschenhandel und organisierter Kriminalität, führt.

„Das ist nicht nur ein Dortmunder Problem, sondern ein nordrhein-westfälisches. Wir haben uns daher in einem offenen Brief an das Land gewandt, um auf den dringenden Regelungsbedarf hinzuweisen und die Situation zum Wohle und zum Schutz der Betroffenen zeitnah zu verbessern. Wir wollen damit auf eine gesetzliche Neubewertung des aktuell geltenden Berufsausübungsverbotes im Bereich der Sexarbeit hinwirken“, erklärt Justine Grollmann, Sprecherin der CDU-Fraktion im Sozialausschuss, abschließend.

Hintergrund

Das „Dortmunder Modell“

  • Seit Ausbruch der Corona-Pandemie gilt in Nordrhein-Westfalen ein striktes Berufsausübungsverbot für den Bereich der Prostitution. In anderen Bundesländern wurde das Prostitutionsverbot jedoch bereits in Teilbereichen gelockert und die Ausübung des Gewerbes unter der Auflage strenger Hygienekonzepte und Schutzmaßnahmen wieder gestattet.
  • Das im Jahr 2002 eingeführte „Dortmunder Modell“ ist als Gesprächsplattform aller relevanten Akteure (SexarbeiterInnen, ClubbetreiberInnen, Ordnungsamt, Polizei, Hilfsorganisationen, usw.) in Dortmund mittlerweile fest etabliert und gilt parteiübergreifend als Erfolg. Durch die Einführung dieses geregelten und rechtssicheren Rahmens ist es gelungen, die illegale Prostitution sowie diverse Begleitphänomene (Menschenhandel, organisierte Kriminalität, usw.) auf kommunaler Ebene stark zurückzudrängen.
  • Zugleich wurde durch die enge Zusammenarbeit aller relevanten Akteure ein weitgehend sicheres Umfeld zur Berufsausübung für SexarbeiterInnen geschaffen, verschiedene Hilfsangebote zielgerichtet etabliert sowie Kontrolle und Gesundheitsschutz des Gewerbes maßgeblich verbessert.

 

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