Denkmal des Monats Dezember 2020: Der Ton macht den Fund – ein Dortmunder Silberling aus dem 13. Jahrhundert 

Das Besondere an dem Pfund ist, dass die Münze im mittelalterlichen Dortmund geprägt und ausgegeben wurde. Foto: Ingmar Luther/Denkmalbehörde Dortmund

Sie ist nur einen Millimeter dick, hat einen Durchmesser von 13 Millimetern, wiegt gerade einmal 1,35 Gramm und ist trotzdem eine absolute Sensation. Die Rede ist von einer kleinen Silbermünze aus dem 13. Jahrhundert die S. Evers vor einigen Wochen in einem frisch gepflügten Acker fand. Dabei ist nicht die Münze als solche der Grund für die große Begeisterung, vielmehr ist es die Tatsache, dass die Münze eine Dortmunder Münze ist, die damals im mittelalterlichen Dortmund geprägt und ausgegeben wurde. 

Mit dem bloßen Auge auf der Ackerfläche nicht erkennbar

Existieren aus den Nachbarstädten und weiter entfernten Orten durchaus weitere Münzfunde von dieser Prägung, so ist dieser Pfund auf Dortmunder Boden neben einem einzigen weiteren bekannten Stück eine Rarität und damit Grund genug für die Denkmalbehörde Dortmund dieses Fundstück –zum Denkmal des Monats Dezember 2020 zu küren. ___STEADY_PAYWALL___

Schon lange engagiert sich S. Evers als ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger, um die fehlenden Puzzleteilchen in der Stadtgeschichte von Dortmund zu finden. So auch vor einigen Wochen, als er im Spätsommer mit seinem Metalldetektor eine Ackerfläche absuchte, als ihm der Signalton des Detektors eine „Anomalie“ aus Metall im Boden ankündigte. 

„Meistens ist es ja nichts Besonderes – ein Kronkorken oder ein Stückchen Stanniolpapier“, so der glückliche Finder. Dieses Mal aber klebte an einer Ackerkrume eine kleine lehmverschmierte Münze, die der Zufall wieder ans Tageslicht gebracht hatte. Mit bloßem Auge wäre dieser kleine Gegenstand sicherlich nicht aufgefallen.

Kaiser auf der einen Seite und Stadtheiliger St. Reinoldus auf der anderen

Eine Seite zeigt Kaiser Rudolf I. …,

Während die eine Seite einen thronenden Herrscher mit Lilienzepter und Reichsapfel zeigt, sieht man auf der anderen einen bärtigen Kopf in einem Dreieck mit drei Kreuzen, den heiligen Reinoldus. Es ist dem weichen Silber und dem langen Umlauf des Geldstücks geschuldet, dass die Silbermünze an den Rändern stark abgerieben ist. 

So lässt sich die Umschrift nicht mehr vollständig lesen. Doch anhand bekannter und etwas besser erhaltener Parallelfunde lässt sich das Rätsel lösen: So war auf der Herrscherseite RVDOLF VSREX, auf der Gegenseite vermutlich TREM ONIA CIVI eingeprägt. Damit kann die Münze als Dortmunder Denar oder Pfennig aus der Regierungszeit von Kaiser Rudolf von Habsburg (1273 – 1291) identifiziert werden.

Seit dem späten 10. Jahrhundert gab die königliche Münzstätte in Dortmund Geld verschiedener Prägung aus: Denare, Hälblinge und Vierlinge, also Pfennige bzw. halbe oder Viertel-Pfennige. Anders als heute, wo die Bestrebungen dahin gehen, die kleineren Cent-Münzen abzuschaffen, war ein Pfennig im Mittelalter von bedeutendem Wert. 

Für einen Pfennig konnte man zwei Brote oder zweieinhalb Pfund Ochsenfleisch kaufen

…die andere den Dortmunder Stadtpatron St. Reinoldus.

Zwar ist eine exakte Umrechnung in heutige Währung aufgrund unterschiedlicher Faktoren schwierig, ein Preisbeispiel liefert jedoch die Landshuter Gewerbeordnung von 1256. Demnach konnte man für einen Pfennig zwei Brote oder zweieinhalb Pfund Ochsenfleisch kaufen.

Schon vor dieser Münzserie wurden in Dortmund Münzen geprägt. Diese älteren Münzen aus Dortmund zeigen auf der Rückseite analog zum Siegel der Freien Reichsstadt einen Turm und davon ausgehende Mauern. Kurz nach Beginn der Regierungszeit Kaiser Rudolfs I. 1273 ändert sich dies. Nun ziert ein bärtiger Männerkopf in einem Dreieck die zweite Seite der Münze. 

Er soll den heiligen Reinoldus zeigen, Stadtpatron Dortmunds, aber nicht als jugendlichen Ritter, wie das Standbild in St. Reinoldi, sondern als älteren Mann mit Bart. Damit wird Bezug auf sein späteres Leben als Mönch im Kloster St. Pantaleon in Köln genommen, wo er bei Bauarbeiten durch neidische Kollegen erschlagen worden sein soll und zum Märtyrer wurde.

Bedeutung über Dortmund hinaus

Der Dortmunder Pfennig behielt seine Form fast 100 Jahre, auch unter den Folgekaisern wie Ludwig von Bayern, in dessen Regierungszeit 1328 – 1347 er besonders reichlich geprägt wurde. Über die Stadtgrenzen hinaus war der Dortmunder Denar in ganz Westfalen, zum Teil auch im Rheinland ein beliebtes Zahlungsmittel. So war auch der Fundort der Münze im 13. Jahrhundert noch nicht Stadtgebiet, sondern gehörte zur Grafschaft Mark. 

Im Zuge der Währungsverschlechterung gegen Ende des 14. Jahrhunderts verlor der Pfennig an Wert und die Münzprägung in Dortmund wurde eingestellt. Erst ab 1419, unter König Sigismund, wurde die Dortmunder Münzprägung noch einmal aufgenommen. In diesem Zuge lösten jedoch der Gulden und der Weißpfennig den Dortmunder Denar als wichtiges Zahlungsmittel ab. Auf diesen jüngeren Münzen ziert anstelle des heiligen Reinoldus dann der Reichsapfel oder ein Kreuz die Rückseite der Münze.

Wer den Pfennig nicht ehrt…

…dem entgeht ein Anschauungsstück für eine ganze Vielzahl an weiteren geschichtlichen Themen, die nur noch kurz erwähnt werden können: beispielsweise die Geschichten über Kindheit und Leben des heiligen Reinoldus oder Dortmund als Wirtschaftsmacht in der Hanse und das Verhältnis der Freien Reichsstadt zum Kaiser, dem die Stadt allein untertan war. 

Auch über den auf der Münze abgebildeten Rudolf I. gibt es noch viel mehr zu berichten, über sein politisches Gewicht bei der Beendigung des Interregnums, als mehrere Kaiser ohne allgemeine Anerkennung miteinander konkurrierten oder seine Bedeutung als erster Kaiser aus der Dynastie der Habsburger, die in den folgenden Jahrhunderten fast immer die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches stellten.

 

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