Eingriff in die Versammlungsfreiheit: Gericht kritisiert das anlasslose Filmen der Polizei Dortmund bei einer Demo

Mehr als 40 Gruppen hatten zur Teilnahme an der Demo aufgerufen. Fotos: Alex Völkel und Leopold Achilles
Mehr als 40 Gruppen hatten zur Teilnahme an der Demo aufgerufen. Fotos: Alex Völkel

Juristische Schlappe für die Dortmunder Polizei: Weil sie am 24. September 2016 die gesamte Demonstration von „Es reicht! Gegen Rechte Gewalt“ in der Nordstadt mit einer Videoüberwachung begleitet hatte, klagte Demo-Anmelderin Iris Bernert-Leushacke dagegen als Eingriff in die Versammlungsfreiheit . Mit Erfolg: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gab der Klägerin heute (19.02.2019) vollumfänglich Recht.  

Kameraeinsatz wirkt einschüchternd auf VersammlungsteilnehmerInnen

Ein Großaufgebot der Polizei begleitete die Demonstration.
Ein Großaufgebot der Polizei begleitete die Demonstration.

„Das heutige Urteil zeigt: Nicht gerechtfertigte Eingriffe in die Versammlungsfreiheit durch die Polizei müssen vor Gericht“, freut sich Iris Bernert-Leushacke, Mitglied des Landesvorstandes der Linken NRW. 

Die Polizei hatte die Kundgebung mit rund 2000 TeilnehmerInnen fortwährend gefilmt. Obwohl Journalisten, Demonstrationsteilnehmende und sie selbst als Anmelderin die Polizei auf die Grundrechtsverletzung hingewiesen hatten, wurde durch die Polizei weitergefilmt.

Es handele sich um „reine Übersichtsaufnahmen für den Polizeiführer“, twitterte die Polizei Dortmund damals. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sah dies jedoch anders: Mit Urteil vom heutigen Tage stellt die 14. Kammer fest, dass die anlasslose Videobeobachtung der Versammlung rechtswidrig war.  

Die Grundlage dafür fehlte: Erlaubt wäre dies nur ,„wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch die TN vorgelegen hätten. Das ist vom Gericht nicht bejaht worden“, erklärt Dr. Klaus Weisel, zuständiger Presserichter am Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen.

Handeln der Polizei ist „bequem, aber rechtswidrig“ – Klägerin bekommt Recht

Demoanmelderin Iris Bernert-Leushacke hatte sich bereits vor Ort über anlasslose Videobeobachtung beschwert.
Demo-Anmelderin Iris Bernert-Leushacke hatte sich bereits vor Ort über anlasslose Videobeobachtung beschwert.

Die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter sehen sich bestätigt: „Eine Kameraüberwachung durch die Polizei kann Menschen hindern, an einer Versammlung teilzunehmen. Dieser Einschüchterungseffekt ist mit der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar. Die Polizei darf nicht einfach drauflos filmen“, betont Rechtsanwalt Jasper Prigge. 

Diese Form der anlasslosen Videoüberwachung sei, so der Vorsitzende Richter in seiner mündlichen Begründung wörtlich, „zwar bequem, aber rechtswidrig“. Bernert-Leushacke hat bereits eine Vielzahl von antifaschistischen Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet.

Die Videobeobachtung war dabei nichts besonderes – sie ist bei der Dortmunder Polizei zumindest im Kontext von etwaigen Rechts-Links-Konfrontationen übliche Praxis. In der Nordstadt war jedoch nicht mit Konfrontationen zu rechnen. Es blieb absolut friedlich – die Demo verlief störungsfrei.

Rechtsanwalt Jasper Prigge: „Eine abstrakte Gefahr ist nicht ausreichend“

Die Videobeobachtung ist auf vielen Demonstrationen geübte Praxis der Polizei in Dortmund und anderswo.

Genau das war für Bernert-Leushacke der Grund zur Klage: Es gab keinen besonderen Grund, eine Videobeobachtung zu machen. Genauer: „Es gab keinen Anlass. Im Verlauf des Verfahrens hat die Polizei nichts zu Gefährlichkeit oder Notwendigkeit des Kameraeinsatzes vorgelegt“, verdeutlicht Prigge. „Eine abstrakte Gefahr ist nicht ausreichend.“

Mit dem nun vorliegenden Urteil will Bernert-Leushacke eine Klärung für zukünftige Demos schaffen. Ob das Urteil rechtskräftig wird, ist noch offen. „Wir werden die schriftliche Urteilsbegründung prüfen und dann entscheiden, ob wir das Urteil akzeptieren oder in Berufung gehen“, sagte Polizeisprecher Gunnar Wortmann auf Nachfrage.

Zu diesem Thema gibt es bundesweit bereits zahlreiche Gerichtsurteile. Ein weiteres Verfahren hatte  ebenfalls Jasper Prigge vertreten. Hier ging es um „Essen stellt sich quer“, wo die Essener Polizei gefilmt und das Bildmaterial anschließend bei Twitter verwendet hatte. Dies werteten die Richter ebenfalls als einen „gravierenden Eingriff in die Versammlungsfreiheit“.

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