„Dezentrale Werkeinheit“ für Menschen mit komplexen Behinderungen:

Mit Farbe und Fantasie: Kreatives Arbeiten im Grünen – WAD im Möllershof eingezogen

Die fünfte „Dezentrale Werkeinheit“, in der zwölf Menschen mit komplexen Behinderungen tätig sein können, wurde im Möllershof eröffnet.
Die fünfte „Dezentrale Werkeinheit“, in der zwölf Menschen mit komplexen Behinderungen tätig sein können, wurde im Möllershof eröffnet. Foto: Susanne Schulte

In vielen Dortmunder Haushalten hängen sie an der Wand oder werden von dort gerne verschickt: Kalender und Postkarten aus den Werkstätten der AWO Dortmund (WAD). Die Motive der Karten sind gestaltet von den Frauen und Männern, die seit Anfang des Jahres zu ihrem neuen Arbeitsplatz im Möllershof gefahren werden, einem idyllisch gelegenen Anwesen in Löttringhausen. Der Umzug von Lindenhorst in Dortmunds Süden war möglich geworden, nachdem das bislang dort beheimatete Team der Tagespflege seine Gäste im Neubau an der Mergelteichstraße betreuen kann.

Künstlerisches Gestalten und die Herstellung kunstgewerblicher Eigenprodukte

Henrike Struck ist froh über die neue, fünfte „Dezentrale Werkeinheit“, in der zwölf Menschen mit komplexen Behinderungen tätig sein können. Die Einheit gehört zum Werkbereich der WAD, dem Bereich für Menschen mit komplexen, also schwersten und mehrfachen Behinderungen.

Das Konzept wurde vor einigen Jahren von ihr gemeinsam mit dem ehemaligen Werkstatt-Leiter Klaus Hermansen und Bethel Regional angestoßen. „Es hat sich mittlerweile sehr bewährt und findet auch erste Nachahmer“, sagt sie, die bei der Arbeiterwohlfahrt im Leitungsbereich der WAD zuständig ist für 150 Frauen und Männer, die mit komplexen Behinderungen leben.

Themenschwerpunkte der Löttringhauser Außengruppe sind das künstlerische Gestalten und die Herstellung kunstgewerblicher Eigenprodukte. Dazu gehören Postkarten, Dekoartikel und Bilder. Holzschmuck, Kleinmöbel und Gartenprodukte werden ebenfalls von anderen (dezentralen) Gruppen des Werkbereichs hergestellt.

Ein Online-Vertrieb für die eigenen Produkte ist im Aufbau

Foto: Susanne Schulte

Verkauft werden diese Produkte zukünftig z. B. auf dem Schultenhof, dem Reiterhof in Lünen und in der Dezentralen Werkeinheit in der Leuthardstraße, in AWO-Einrichtungen, wo ebenfalls Kolleg*innen der Mitarbeitenden aus dem Werkbereich beschäftigt sind.

„Der Online-Vertrieb wird gerade aufgebaut“, erzählt Henrike Struck. Ein Name für die Produktserie sei schon gefunden. „Treibgut“ soll sie heißen. „Das Schöne an diesen Außenstellen ist die sozialräumliche Anbindung“, so Struck und meint damit den Kontakt zur Nachbarschaft. So gut wie das bei der Gartengruppe in Hörde funktioniere mit den Kleingärtner*innen und den Spaziergänger*innen in der Anlage, so soll es auch im Süden klappen. Begegnungen mit örtlich ansässigen Künstler*innen sind geplant wie auch Veranstaltungen und Ausstellungen.

Weitere Vorteile der Außenarbeitsplätze seien die größere Ruhe für die Gruppenmitglieder im Vergleich zum Werkstattgebäude in Lindenhorst, mehr Platz vor allem für Rollstuhlfahrer*innen und natürlich die wunderbare Umgebung.

Eine betreute Wohngruppe am Möllershof ist im Aufbau

Mit dem ebenfalls im Möllershof ansässigen AWO-Ortsverein Kirchhörde-Kruckel-Löttringhausen klappt das Zusammensein bestens. Gab doch der Ortsverein die ersten vier Monate dieses Jahres der Außengruppe in seinen Räumen Obdach, als die Möbel für die Arbeitsräume noch nicht geliefert waren. Weitere Nachbar*innen kommen bald dazu. Im Gebäude gegenüber des Möllershofs wird gerade eine Unterkunft für eine betreute Wohngruppe renoviert. Einsam wird es also nicht.

Foto: Susanne Schulte

Zwölf Frauen und Männer arbeiten demnächst im Möllershof, Anfang Mai sind es bereits sechs. Kira Gerlach, Heilerziehungspflegerin, und Marco Ast, Sozialhelfer mit dem Schwerpunkt Heilerziehungspflege, kümmern sich von morgens um 8 Uhr bis nachmittags um 15.30 Uhr um die Menschen. Ist die Gruppe dann vollständig, kommen weitere Kolleg*innen als Betreuungskräfte dazu.

Ist eine*r krank oder im Urlaub, reist eine andere Fachkraft an. Ja, das sei in Lindenhorst einfacher, wo die Abteilungen nah beieinander liegen würden, sagt Henrike Struck. Aber bei der WAD haben man ein Springersystem eingerichtet, so dass eine Vertretung schnell zur Stelle sein könne.

Auch das Einkaufen ist trotz der ländlichen Lage kein Aufwand. Supermärkte sind in kurzer Zeit gut zu Fuß zu erreichen und der Bahnhof sowie der Bus sind gleich um die Ecke. Zusätzlich kann ein Rollstuhlbus vom Fahrdienst der Werkstatt angefordert werden. So sind auch Ausflüge in die Stadt und zur Hauptwerkstatt für die Gruppe möglich.

Gute Arbeitsbedingungen für Menschen mit komplexen Behinderungen

Der örtliche Wechsel des Arbeitsplatzes werde mit den Eltern und Betreuer*innen der Frauen und Männer abgesprochen, so die Leiterin des Bereichs. Man gucke natürlich darauf, dass die Wohnortnähe erhalten bliebe. Auch sind die Eltern und Betreuer*innen gleich eingeladen worden, sich die neue Einsatzstelle der Beschäftigten anzusehen. Aber sonst sind Verwandtenbesuche nicht an der Tagesordnung. „Es ist ja ein Arbeitplatz“, so Henrike Struck.

Gute Arbeitsbedingungen für Menschen mit komplexen Behinderungen sind wichtig. Anders als früher, als die Frauen und Männer häufig nicht sehr alt wurden, „arbeiten viele heute bis zur Rente bei uns“. Und die Menschen in Löttringhausen arbeiten nicht nur im Haus, sondern auch draußen.

An diesem Maimorgen setzen Jennifer Rosenau, Eren Koc, Nikolaos Chousnis und Javaneetharan Karunakaran unter der Anleitung von Kira Gerlach und Marco Ast einige Blumen in den kleinen Vorgarten am Eingangsbereich ein. Doch größeres ist geplant, erzählt Struck. Der riesige Garten hinterm Haus mit seinen gepflegten Rasenflächen, den Obstbäumen, Bänken und der Terrasse soll zum Ausstellungsort werden. „Vorgesehen ist, dort selbst gestaltete Skulpturen aufzustellen.“

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