„Wir wollen wohnen!“ kämpft in NRW für den Erhalt von Mieterschutz und mehr öffentlich geförderten Wohnraum

Neubaugebiet Stadtkrone-Ost
Das Bündnis fordert pro Jahr 250 bis 500 durch die Stadt Dortmund öffentlich geförderte Neubauwohnungen.

Die schwarzgelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen plant, zwischen 2019 und 2021 diverse Mieterschutzverordnungen aufzuheben. Es geht um Mietpreisbegrenzungen, Kündigungsfristen, die Zweckentfremdung von Wohnraum zu gewerblichen Zwecken und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. KritikerInnen haben unter dem Titel „Wir wollen wohnen!“ ein Bündnis gegründet, das sich im Januar auf einer Landespressekonferenz in Düsseldorf vorstellte. Auch in Dortmund fordern sie die Beibehaltung und Verbesserung der bestehenden Mieterschutz-Mechanismen und rufen die Bevölkerung durch eine Petition dazu auf, sie zu unterstützen.

Viele Haushalte müssen mehr als ein Drittel ihres Netto-Einkommens für die Unterkunft aufbringen

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung

Außerdem sind landesweit weitere öffentlichkeitswirksame Aktionen geplant, um die Themen Wohnungsmangel, Mieterschutz und bezahlbarer Wohnraum ins Bewusstsein der Menschen zu bringen und sie hierfür zu sensibilisieren.

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Den Trägerkreis für das Bündnis bilden unter anderem der Deutsche Mieterbund, Wohlfahrts- und Sozialverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund. Sie kämpfen für bezahlbaren Wohnraum durch öffentlich geförderten Wohnungsbau, wehren sich gegen die Abschaffung der Mieterschutzverordnungen durch das Land und nehmen die Kommune in Verantwortung, eigeninitiativ etwas an der Situation zu ändern.

In vielen Städten Nordrhein-Westfalens müssen über 30 Prozent der Haushalte mehr als ein Drittel ihres Netto-Einkommens für die Brutto-Kaltmiete ihrer Unterkunft aufbringen. Dortmund liegt hier mit 35 bis 40 Prozent der MieterInnen im Mittelfeld, während in Städten wie Köln, Bonn oder Aachen diese Quote explodiert und auf über 45 Prozent steigt.

Am schwersten betroffen von der Situation sind die sozial Schwachen. Wer arm ist, muss den Wohnraum nehmen, den der Markt im unteren Preissegment anbietet. Aber auch NormalverdienerInnen geraten immer mehr in Bedrängnis, denn auch im mittleren Preissegment ist die Lage angespannt. Es besteht die dauerhafte Gefahr, durch steigende Mieten und Nebenkosten ebenfalls in die Armut zu rutschen.

Wohlfahrtsverbände sprechen neben der wohnrechtlichen die sozialpolitische Problematik an

MieterInnen gegen Kostenumlagen von Vonovia durch Modernisierungen
Immer häufiger wehren sich MieterInnen gegen Mietpreiserhöhungen durch Modernisierung. Foto: Thomas Engel

Die 2015 eingeführte Mietpreisbremse für die Wiedervermietung von Bestandswohnungen hat laut KritikerInnen nur bedingt Wirkung gezeigt. Für das Bündnis „Wir wollen wohnen!“ stellt sie dennoch die Grundlage für eine gesunde Entwicklung des Mietpreisniveaus dar.

Die bisherige Regelung, die es Vermietern untersagt, bei der Wiedervermietung mehr als zehn Prozent der Vergleichsmiete aufzuschlagen, läuft für Nordrhein-Westfalen Ende Juni 2020 aus.

Bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen galt bisher eine Kündigungsfrist von fünf Jahren. Durch die neuen Verordnungen der Landesregierung wird diese auf drei Jahre gekürzt. Die bestehende Zweckentfremdungsatzung soll in Zukunft nicht mehr gelten, was die Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärfen würde, wenn Wohnungen zur gewerblichen Nutzung umfunktioniert würden.

„Wenn man sich das Gesamtpaket der Landesregierung anschaut, dann bedeutet das schon eine deutliche Absenkung von Mieterschutz, von Menschen, für die Wohnen ein Grundrecht ist“, so Gunther Niermann, Kreisgruppengeschäftsführer von Der Paritätische NRW. Dies ist vor allem für die zum Bündnis gehörigen Wohlfahrtsverbände nicht tragbar.

Tobias Scholz (Mieterverein): „Es geht darum, Wohngemeinnützigkeit neu zu denken“

Dr. Tobias Scholz ist Wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins Dortmund.
Dr. Tobias Scholz ist Wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins Dortmund.

Neben der wohnrechtlichen Situation stehen für sie vor allem sozialpolitische Aspekte im Vordergrund. „Es muss mehr günstiger Wohnraum im Niedrigpreissegment geschaffen werden“, so Christoph Gehrmann von der Caritas Dortmund.

In diesem Zusammenhang macht der wohnungspolitische Sprecher des Mieterbundes Dortmund, Tobias Scholz, darauf aufmerksam, dass die heutigen Mietpreisbindungen bei Neubauten nach 20 bis 25 Jahren auslaufen.

Man bräuchte hier auf Dauer eine Lösung, die die Preisstabilität auch über diesen Zeitraum hinaus gewährleisten könnte. Generell müsse sich die Landesregierung mit der Trägerfrage für den öffentlich geförderten Wohnungsbau beschäftigen. Wer soll sich engagieren und um Fördermittel bewerben? „Da sind für uns natürlich ganz klar die kommunalen Wohnungsunternehmen aber auch Genossenschaften die Akteure, die für bezahlbaren Wohnraum stehen können“, so Scholz. Es ginge darum, eine Wohngemeinnützigkeit „neu zu denken“ und Strukturen zu schaffen, die Wohnungen dauerhaft vor Spekulationen schützen könnten.

In Dortmund besteht eine Quote für den geförderten Wohnungsbau. Sie liegt bei 25 Prozent der Neubauvorhaben. Das Bündnis kritisiert diesbezüglich die Tendenz der Stadtverwaltung, stark auf private Investoren zu setzen. Auch wenn es ohne sie natürlich nicht ginge, so sei doch eine stärkere Konzentration auf kommunale Wohnungsbauunternehmen wünschenswert.

Bündnis würde die verstärkte Vergabe von Erbbaurechten bevorzugen

Der Rat soll häufiger Baugrundstücke in Erbpacht vergeben, anstatt sie zu verkaufen, fordert das Bündnis. Fotos (3): Alex Völkel

Allgemein kritisiert das Bündnis die Liegenschaftspolitik der Stadt Dortmund. Im letzten Jahr sei im Rat ein Beschluss gefasst worden, der die Veräußerung von Baugrundstücken unter die Voraussetzung gewisser Konzepte wie bezahlbares Wohnen, Mobilität oder Architektur stellte. Hier sollten die Themen geförderter Wohnungsbau und bezahlbares Wohnen Priorität genießen.

„Die Verantwortlichen sollten nicht mehr nur über das reine Verkaufen nachdenken, denn dann ist das Tafelsilber irgendwann weg. Daher würden wir eher die Vergabe von Erbbaurechten begrüßen, die die langfristige Kontrolle über die Grundstücke gewährleisten“, so Scholz.

„Was die Stadt über ihre Tochter DOGEWO aktuell macht, ist sehr gering. In den letzten Jahren kam es kaum zu Wohnungsbauvorhaben“, erläutert Scholz. Zielvorstellung für das Bündnis wären hier 250 bis 500 geförderte Wohnungen im Jahr. „Es soll natürlich nicht nur die Stadt bauen, aber wir brauchen diesen Sockel an Bestandswohnungen in kommunaler Hand.“

Forderung nach 250 bis 500 Sozialwohnungen ist sehr zurückhaltend

Jutta Reiter ist die Vorsitzende des DGB Dortmund.
Jutta Reiter ist die Vorsitzende des DGB Dortmund. Foto: Alex Völkel

Der Vorsitzende des Mieterbundes Dortmund, Robert Punge, pflichtet Scholz bei. Für ihn ist die Forderung nach 250 bis 500 öffentlich geförderten Wohnungen am unteren Rand des Möglichen angesiedelt.

Insgesamt gibt es in Dortmund circa 20.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Im vergangenen Jahr wurden zwischen 1.400 und 1.500 statt geplanter 2.000 Wohnungen neu gebaut. Dementsprechend reduzierte sich der Anteil der geförderten Wohnungen.

Sowohl Punge als auch DGB-Vorsitzende Jutta Reiter sehen ein Problem in den auslaufenden Mietpreisbindungen. „Jährlich sackt die Zahl geförderter Wohnungen weiter ab, da die Mietpreisbindungen auslaufen. Das Problem ist, dass keine neuen Objekte wieder in diese Bindung hineinkommen“ so Jutta Reiter. Hierdurch sei die Gerechtigkeit am Wohnungsmarkt beeinträchtigt.

Bei rund 240.000 Bestandswohnungen in Dortmund sei es laut Punge wünschenswert, mindestens ein Drittel öffentlich zu fördern. Dies würde einen Anteil von 80.000 Wohnungen in Dortmund ausmachen. Also 60.000 mehr als bisher. „Wenn wir 50 Prozent der Menschen haben, die eigentlich einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben, müsste das Volumen also eigentlich auch bei 50 Prozent geförderter Wohnungen liegen“, so Jutta Reiter.

Bündnis organisiert Unterschriftensammlung und Informationsveranstaltungen

Verstärkter Wohnungsbau könnte den Verknappungstendenzen entgegenwirken. Foto: Simon Bierwald
Verstärkter Wohnungsbau könnte den Verknappungstendenzen entgegenwirken. Foto: Simon Bierwald

Dabei könnte die Quote der geförderten Wohnungen nicht nur durch Neubauten verbessert werden. Förderungen gäbe es auch für Bestandswohnungen, bei denen für Barrierefreiheit oder einen besseren Energiehaushalt gesorgt wurde.

„Es ist ja nicht schlimm, wenn es Gebiete wie beispielsweise am Phoenix-See gibt, wo die Leute, die es sich leisten können, 14 Euro pro Quadratmeter zahlen. Aber das Ziel muss sein, mindestens genauso viele Wohnungen für fünf bis sieben Euro pro Quadratmeter anbieten zu können“, so Robert Punge.

Um die Forderungen des Bündnisses der Öffentlichkeit näher zu bringen und diese für die Problematik zu sensibilisieren, sind verschiedene Veranstaltungen geplant. Außerdem rufen die Bündnispartner zur Unterstützung ihrer Unterschriftenaktion auf. Listen hierfür liegen bei allen beteiligten Organisationen aus. Wer möchte, kann sich aber auch online beteiligen. Der Link zur Petition befindet sich im Anhang des Artikels.

Am Montag, den 1. April 2019, veranstaltet das Bündnis in der Zeit von 13 bis 16 Uhr einen Aktionsnachmittag, um auf sich und die Thematik aufmerksam zu machen. Hierfür wird auf dem Hellweg vor der Reinoldikirche eine Zeltstadt aufgebaut, die symbolisch für das Wohnen der Zukunft stehen soll, falls sich die Bedingungen nicht drastisch ändern.  

Die Aktion in Dortmund reiht sich in eine landesweite Aktionswoche mit Veranstaltungen in verschiedenen Städten NRWs ein. Am Mittwoch, den 8. Mai 2019, lädt das Netzwerk „arm in Arm“, das sich in Dortmund um die Arbeit des Aktionsbündnisses kümmerte, zu einer Diskussionsveranstaltung mit Fachpolitikern aus Düsseldorf in das Wichern-Kultur- und Tagungszentrum in der Nordstadt. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr und soll gegen 20 Uhr zu Ende gehen.

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Reaktionen

  1. Grünen-Fraktion Dortmund (Pressemitteilung)

    Dortmunder Wohnungsmarkt – GRÜNE teilen Bedenken des Netzwerks „arm in arm“
    Anträge der Fraktion zu gefördertem Wohnraum und Quartierschutz liegen vor

    Die GRÜNEN im Rat teilen die Bedenken des Netzwerks „arm in arm“ hinsichtlich der Situation des Dortmunder Wohnungsmarktes gerade für einkommensschwache Personen und Familien. Die Fraktion hatte deshalb in ihrem Antrag zum städtischen Haushalt 2019 das Thema Wohnen zu einem Schwerpunkt gemacht.

    Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin der GRÜNEN:
    „Wir teilen die Sorge und Befürchtungen vieler Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich steigender Mieten und bezahlbarem Wohnraum. In den letzten Jahren ist der sozial geförderte Wohnraum massiv reduziert worden. Das hat dazu geführt, dass einkommensschwache Personen und Familien kaum noch entsprechende Wohnungen finden. Das muss sich dringend wieder ändern. Für uns ist klar: In Dortmund soll jeder eine gute Wohnung finden und sich diese Wohnung auch leisten können.“

    Die GRÜNEN hatten deshalb Ende des letzten Jahres beantragt, dass beim Neubau von Wohnungen statt wie bisher 25 mindestens 30 Prozent als öffentlich geförderter Mietwohnungsbau realisiert werden. Zusätzlich sollen mindestens 5 Prozent neu geplanter Wohnungen im sogenannten preisgedämpften Segment zu vertraglich abgesicherten Anfangsmieten im Bereich von 7 bis 8 Euro vermietet werden. Die Verwaltung sollte prüfen, wie ein Konzept aussehen kann, das die Festlegung und Anwendung einer gedeckelten Nettokaltmiete und weiterer Vorgaben wie Zielgruppen und Bindungsfristen regelt. Das Ergebnis soll bis Ende März vorliegen

    Ingrid Reuter: „Wir wollen aber nicht nur neue zusätzliche Wohnungen für einkommensschwache Personen und Familien. Wir wollen auch, dass der bestehende bisher geförderte Wohnraum erhalten bleibt. Denn auch das ist ein Problem. Angesichts des niedrigen Zinsniveaus werden für viele kleinere und größere Siedlungen Sanierungen und Modernisierungen geplant – eine durchaus positive Entwicklung, bei der jedoch die Gefahr besteht, dass die bisherigen Mieter*innen aus ihren Quartieren verdrängt werden. Vorbeugend kann die Stadt mit einer Erhaltungssatzung reagieren. Unser Antrag dazu wurde mehrheitlich angenommen.“

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