Sicherer Hafen Dortmund: Stadtrat beschließt die Aufnahme von bis zu 30 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Die Lage der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln ist unerträglich: unter menschenunwürdigen Bedingungen müssen die Menschen dort seit Monaten ausharren. Doch die EU handelt nicht und auch die deutsche Regierung tut sich schwer. Aber immer mehr Kommunen in Deutschland wollen helfen und besonders Hilfsbedürftige – insbesondere Kinder und Jugendliche ohne Eltern – aufnehmen. Auch der Rat der Stadt Dortmund hat einen entsprechenden Beschluss gefasst.

Aufnahme von bis zu 30 Kindern und Jugendlichen als Akt reiner Humanität

Der Stadtrat hat die Aufnahme von weiteren bis zu 30 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die auf den griechischen Inseln unter schlimmen Bedingungen in provisorischen Lagern festsitzen, beschlossen.

Die Botschaft ist klar: Humanität sei das Gebot der Stunde, machten viele Demokrat*innen deutlich.

Nachdem sich die Stadt Dortmund im Mai vergangenen Jahres zum „Sicheren Hafen“ erklärt und somit die Breitschaft zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge signalisiert hatte, stimmte der Stadtrat dem Vorhaben mehrheitlich zu – lediglich die AfD und die Gruppe der Neonazis aus NPD und „Die Rechte“ votierten dagegen. 

Im Vorfeld hatte die Stadtverwaltung deutlich gemacht, dass der Stadt durch diese Entscheidung keine zusätzlichen Kosten entstehen würden und auch das benötigte Personal bereits vorhanden sei. Es sei an der Zeit, nicht mehr nur Resolutionen zu verabschieden, sondern endlich die Ärmel hochzukrempeln und aktiv zu helfen, bezog Ulrich Langhorst von der Fraktion der Grünen Stellung. Es handele sich bei der weiteren Aufnahme um einen Akt reiner Humanität. Leider könne man mit der Entscheidung nur einem kleinen Teil der Betroffenen helfen.

Es sei doch auch weiter unabdingbar, Bund und Land mehr in die Verantwortung zu nehmen, die Kommunen in ihrem humanitären Bestreben finanziell zu unterstützen. Michael Taranczewski von der SPD stimmte Langhorst zu, es sei fast bedauerlich, dass man nicht mehr Menschen aufnehmen könne, auch wenn man die Gesellschaft nicht überfordern wolle.

„Es sind auch deutsche Waffen, die die Menschen ins Elend getrieben haben und treiben“

„Wir dürfen nicht vergessen, dass es auch deutsche Waffen sind, die die betroffenen Menschen vielerorts ins Elend getrieben haben, darunter vor allem junge Menschen, die unter das Kinder- und Jugendschutzgesetz fallen und alleine ohne Eltern, ohne Schulbildung, ohne Empathie aufwachsen müssen“, so Taranczewski, der zugleich stellv. Vorsitzender des Integrationsrates ist.

Vor der Ratssitzung machten Seebrücke-Vertreter, Flüchtlingspaten und Junge Grüne auf das Sterben im Mittelmeer aufmerksam. Foto: Alex Völkel
Mehrfach machten Aktivisten vor dem Rathaus auf ihre Forderung nach „Sicheren Häfen“ aufmerksam.

Der Wohlstand Deutschlands sei auf Blut aufgebaut, pflichtete ihm Detlef Münch von der Freien Bürgerinitiative bei. Deutschland trage viel Elend in die Welt, wovon die Statistiken der Exporte der deutschen Waffenindustrie Zeugnis ablegen würden. Daher sei es für Bund und Länder verpflichtend einen Beitrag zu leisten, um das Elend etwas zu mindern. Seiner Meinung nach müsse jedoch darauf geachtet werden, wen man ins Land lasse. Priorität sollten Familien, Frauen und Kinder genießen.

Auch Lars Rettstadt bekundete, dass die FDP-Fraktion den Beschluss mittragen werde, auch wenn weiter über ein vernünftiges Zuwanderungsgesetz debattiert werden müsse, was im Bundestag jedoch bisher durch die CDU blockiert würde. Griechenland gelte zwar als sicheres Drittland, die Zustände in den Lagern seien jedoch untragbar, so dass man dem Beschluss in humanitärem Geiste zustimme.

Norbert Schilff, Fraktionsvorsitzender der SPD, bezeichnete die Flüchtlingspolitik Europas als eine Schande, da man Länder wie Italien und Griechenland einfach im Stich lasse. Und es seien nicht nur Ungarn und Polen, die humanitäre Hilfe untersagen würden.

Gewalt gegen Frauen als Streitthema – Instrumentalisierung von Geflüchteten?

Hoch emotional und teils am Rande der Legalität wurde im Ratssaal argumentiert bzw. gestritten.

„Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“, so Nadja Reigl von der Fraktion „Die Linke und Piraten“. Mit seinen rund 600.000 Einwohner*innen sei Dortmund absolut nicht überfordert, weitere 30 Menschen aufzunehmen. Es sei fraglich, ob überhaupt jemand diesen Zuwachs bemerken würde.

Sie verwehrte sich massiv gegen Stellungnahmen aus dem rechten Lager, dass durch die Flüchtlingszuwanderung die Zahlen von Sexualstraftaten und anderen Kriminalitätsdelikten seit 2015 durch die Decke gegangen seien.

„Ich finde es widerwärtig, dass man sich als Frau für rassistische Vorurteile instrumentalisieren lassen muss. Jede Frau kennt sexuelle Übergriffe, und das war auch 2015 schon so. Die meisten Übergriffe erfolgen im häuslichen Umfeld“, stellte Reigl vehement klar.

Auch Norbert Schilff fand klare Worte für die Strategie der Nationalisten, die Flüchtlinge in einen Zusammenhang mit gestiegenen Kriminalitätsstatistiken zu bringen und beschrieb dies als unsäglich schändlich und schäbig. Die Entscheidung, weitere Flüchtlinge aufzunehmen, sei christlich und human.

Äußerungen von Brück und Münch könnten juristische Folgen haben

Detlef Münch (FBI)
Detlef Münch (FBI). Archivfotos: Alex Völkel

Ob die verbalen Äußerungen zu Frauen insbesondere von Detlef Münch (FBI) und Michael Brück („Die Rechte“)  Konsequenzen haben werden, ist offen: „Das Rechtsamt prüft nach meiner Aufforderung einen verbalen sexuellen Übergriff von Michael Brück gegen das Ratsmitglied Nadja Reigl“, teilte Utz Kowalewski, Fraktionsvorsitzender von Linken und Piraten via Facebook mit.

Außerdem hat das Ratsmitglied Thomas Zweier (ebenfalls Linke und Piraten) angekündigt, eine Strafanzeige gegen Detlef Münch (FBI) wegen des Verdachts auf Volksverhetzung zu prüfen.

„Münch steigerte sich (möglicherweise unter dem Einfluss von Alkohol) im Zusammenhang mit dem Übergriff von Brück in steile Thesen über die gesteigerte sexuelle Gewalt von Migranten hinein“, kommentierte Kowalewski. „Die Ratssitzung war wieder ein Tollhaus!“

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Reaktionen

  1. amarillyon

    Vielleicht sollte mensch zu den Schilderungen der wiederwärtig sexistischen Entgleisungen in der Ratssitzung ergänzend hinzufügen, dass Herr Münch die Ratsfrau Nadja Reigl während ihres Wortbeitrages MASSIV versucht hat Sie nieder zu schreien und ihr das Wort zu nehmen.
    Eben jener Herr, der sich ein paar Augenblicke zuvor noch als „Frauen-Beschützer“ stilisiert hat konnte es nicht ertragen, dass eine Frau ihm deutlich ihre Meinung sagt…

    Als der Neonazi Brück da sofort mit einstieg und Nadja Reigl unterstellte „Sie würde wahrscheinlich von ihm [Brück] nachts träumen“ und „sie sähe ja auch recht hübsch aus“ war dann der Zeitpunkt, an dem Sie demonstrativ den Ratssaal verließ um sich diese sexistische Kackscheiße nicht weiter anhören zu müssen.

    Ich fand es großartig, wie überlegen Nadja Reigl diese chauvinistischen A********* demaskiert hat.

    [Disclaimer: Ich war Augen- und Ohrenzeuge auf der Besuchertribüne]

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