Caterpillar-Werksschließung: „Wir wollen weiterbaggern“ – Tatenloses Zusehen kommt für Belegschaft nicht in Frage

Das Archivbild zeigt ein Mitarbeiterfest bei Caterpillar in Dorstfeld – da schien die Welt noch in Ordnung.

Von Nora Lemjimer und Alexander Völkel

Der Beschluss des US-Konzerns Caterpillar, seine drei Standorte in Dortmund, Lünen und Wuppertal zu schließen, kam für Belegschaft und IG Metall in Dortmund aus heiterem Himmel und völlig überraschend. Denn der Standort in Dorstfeld läuft gut – noch im Dezember 2019 hatte das Unternehmen ein Investitionsprogramm angekündigt. Daher gehen die Arbeitnehmer*innen-Vertretung und die Gewerkschaft nun in die Offensive. Sie wollen den Standort nicht kampflos aufgeben und suchen daher an einer Nachfolgelösung.

Mit Schließung in Dortmund hat niemand gerechnet – kurz vorher wurden noch Investitionspläne gestaltet

Die IGM-Sekretäre Ulrike Hölter und Olaf Kamhöfer
Die Dortmunder IG Metall-Sekretäre Ulrike Hölter und Olaf Kamhöfer.  Foto: Alex Völkel

Die wirtschaftlichen Probleme der Werke in Lünen und Wuppertal sind nicht neu und überraschten die Gewerkschaft daher nicht. „Sie beschäftigen sich mit dem Bau von Maschinen, die unter Tage zum Einsatz kommen“, erklärt Ulrike Hölter, 1. Bevollmächtigte der IG Metall. Aufgrund des allgemeinen Rückgangs des Bergbaus gebe es dort Probleme. In den vergangenen Jahren habe es mehrfach Sparrunden und Personalabbau gegeben.

Doch der Standort in Dortmund-Dorstfeld hat mit dieser Problemsparte nichts zu tun – und außer dem Namen und der geographischen Nähe nichts gemeinsam. Hier werden Groß-Bagger insbesondere für den Tagebau gefertigt. Das Werk läuft gut.

Eine Schließung sei „nicht ansatzweise bekannt“ gewesen – ganz im Gegenteil: Noch im Dezember seien im Aufsichtsrat millionenschwere Investitionspläne beschlossen worden, erinnert der Betriebsratsvorsitzende Olaf Mohr. Teils seien die Investitionen schon im Umsetzung  – u.a. für einen neuen Verladeplatz, neue Schweißroboter auch für Verbesserungen in der Effizienz, ergänzt Betriebsrätin Ursula Bachmann. Beide sind auch Aufsichtsratsmitglieder bei Caterpillar Global Mining.

Umso entsetzter waren die Reaktionen der Betroffenen über die kurze Zeit später bekanntgemachten Schließungspläne: Vor allem die Art und Weise der Bekanntmachung war für die ein Schlag ins Gesicht. Der gesetzlich vorgeschriebene Interessenausgleich sei nicht erfolgt –  der Konzern habe die Schließung zum 31. Juli 2021 „abschließend verkündet, bevor ein Austausch überhaupt stattgefunden hat.“

Man solle erst „sprechen, bevor etwas umgesetzt werden kann“, so Halter – IGM fühlt sich maßlos übergangen

Ursula Bachmann und Olaf Mohr sind Betriebsräte und Aufsichtsratsmitglieder bei Caterpillar Global Mining.
Ursula Bachmann und Olaf Mohr sind Betriebsräte. Der US-Konzern will die Produktion aus Dortmund nach Indonesien verlagern. Foto: Alex Völkel

Diese Art von Übergehung findet Hölter „sehr frech“, schließlich sind „ wir ja nicht im Wilden Westen!“. „Wir haben offenbar noch einen Bildungsauftrag gegenüber Caterpillar“, drückt Gewerkschaftssekretär Olaf Kamhöfer die Kritik am Unternehmen sehr zurückhaltend und ironisch aus – man will dem US-Konzern das deutsche Betriebsverfassungsgesetz offenbar gehörig um die Ohren hauen.

Doch Informationen gibt es bisher – wenn überhaupt – nur scheibchenweise. Der Aufsichtsrat sei am 5. März eine Stunde vor der Belegschaft in Kenntnis gesetzt worden, dass es vielleicht zu einer Schließung komme – die Telefonkonferenz dazu habe fünf Minuten gedauert. Die Fragen der Belegschaft blieben unbeantwortet.

Erst am 21. April wurde im Wirtschaftsausschuss mitgeteilt, dass eine endgültige Schließung zum 31. Juli 2021 beschlossen sei, der Betriebsrat sei diesbezüglich erst eine Woche später informiert worden. Auch wurde offenbar zwischenzeitlich die Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit angezeigt.

Die vom Gesetzgeber vorgesehene Beteiligung der Arbeitnehmergremien sei ignoriert, deren Rechte missachtet worden. Die geplante Schließung sei wirtschaftlich nicht hinreichend begründet. Außerdem halte sich das Unternehmen nicht an Recht und Gesetz, kritisierte Hölter. Man müsse erst „sprechen, bevor etwas umgesetzt werden kann“.

621 Beschäftigte allein Dortmund von der Schließung des Werks bedroht

Obwohl in der Unternehmens-Philosophie immer über die Bedeutung und den Stellenwert der Beschäftigten gesprochen worden sei, spiele das Schicksal der Beschäftigten in NRW offenbar keine Rolle. Dabei geht es allein in Dorstfeld um 621 Beschäftigte. In den vergangenen Jahren hatte das Unternehmen hier investiert und viele Menschen neu eingestellt, Ältere seien in den Ruhestand gegangen. Daher habe sich die Altersstruktur positiv entwickelt – der Standort sei zukunftsfähig.

Seit 1895 werden am Dorstfelder Standort von „Orenstein & Koppel“ (kurz O&K) Großbagger gebaut. Foto: Sammlung Klaus Winter
Seit 1895 werden am Dorstfelder Standort von „Orenstein & Koppel“ (kurz O&K) Großbagger gebaut. Foto: Sammlung Klaus Winter

Die Belegschaft sei zudem hoch qualifiziert. Für den schweren Stahlbau sei es schwierig gewesen, qualifizierte Leute zu finden. Hoch qualifizierte Schweißer und Hydraulik-Experten sind hier u.a. in Dorstfeld beschäftigt. Auch der Einsatz von elektrischen Antriebssystemen sei hier Alltag. Daher könnten sich die Arbeitnehmer-Vertreter*innen den Weiterbetrieb des Werks durch andere Investoren vorstellen – auch in anderen Branchen.

Unwahrscheinlich ist, dass hier weiter Bagger gebaut werden. Das Unternehmen will die Produktion nach Indonesien verlagern – die Fertigung sei preisgünstiger und man sei näher am Markt, hat Olaf Kamhöfer erfahren. Daher könne man sich jegliche Art von Maschine vorstellen. Aber auch Stahlbau oder Brückenbau seien naheliegend.

„Hoffentlich keine Panzer“, seufzt Kamhöfer. Doch auch das wäre der Belegschaft wohl egal, wenn sich dadurch ihre Arbeitsplätze erhalten ließen. Am Standort wurde übrigens nicht nur seit Ende des 19. Jahrhunderts Bagger gebaut. Auch Waggonbau, der Bau von Drehgestellen, Radladern und Krane gab es hier.

Die Diskussion mute komisch an: „Wir haben uns jahrelang mit Fachkräftemangel beschäftigt und hier haben wir eine tolle Belegschaft. Man muss daher Alternativen wollen und auch suchen“, betont Ulrike Hölter. Caterpillar mache sich jedoch keine Gedanken.

Alternativkonzepte sollen erarbeitet werden – Ziel: Ersatzprodukt an gleicher Stelle auf den Markt bringen

Doch der Standort berge „zu viel Potenzial“, als dass ein einfacher Sozialplan zur Schließung ausreichen könnte, betont Olaf Kamhöfer. Daher gehen Betriebsrat und Gewerkschaft in die Offensive: Mit betrieblichen Akteur*innen wurden erste Workshops veranstaltet, damit mögliche Alternativen gefunden und besprochen werden können – es ginge dabei nicht nur um „Modalitäten“ der Schließung.

Dr. Kathrin Drews und Torsten Schulz von der Technologieberatungsstelle NRW (TBS NRW) beraten die Arbeitnehmervertreter von Caterpillar.
Dr. Kathrin Drews und Torsten Schulz von TBS NRW beraten die Arbeitnehmervertreter*innen. Foto: Alex Völkel

Die IGMetall möchte strategisch vorgehen,indem realisierbare Alternative aufgezeigt werden, um das Schließungsdatum –  den 31. Juli nächsten Jahres  – „vom Tisch“ bringen, so Kamhöfer. Eine solche Erschließung von Alternativen braucht Zeit.

Diese müssen die Dortmunder*innen nicht alleine suchen und erarbeiten. Ihnen steht die Technologieberatungsstelle (TBS) NRW zur Seite. „Wir haben uns strategisch aufgestellt. Dabei gibt es Arbeitsgruppen, die sich mit Alternativkonzepten, dem Standort und Qualifikationen der Belegschaft beschäftigen“, berichtet Dr. Kathrin Drews von der Technologieberatungsstelle NRW.

Gemeinsam wolle man ausloten, welche Möglichkeiten es gibt, ein neues Produkt an diesem Standort zu etablieren, stimmt auch Torsten Schulz von der TBS NRW zu. Mit der Beratung als Unterstützung sollen, wenn ein konkreter Alternativplan vorliegt, auch Land und Stadt ins Boot geholt werden. Über solche Alternativen müsse auch das Unternehmen nachdenken. Nicht aus gutem Willen – auch dies sieht das Betriebsverfassungsgesetz vor.

Fragen bleiben meist unbeantwortet: Fragenkatalog mit 100 Fragen soll Ungewissheit aufklären

Ob für die Alternative auch das Werksgelände zur Verfügung steht, ist eine der offenen Fragen. Es ist nicht in Besitz von Caterpillar, sondern wurde angemietet. Allerdings ist die Gesellschaft „AroundTown“ die Eigentümerin. Sie gehört(e) zur Muttergesellschaft „Intown Property Management“ (heute Lianeo Real Estate GmbH– und war die gewerbliche Schwester von „Intown“, denen auch der Hannibal in Dorstfeld gehört. „AroundTown“ gehören noch weitere Flächen, die einst „Orenstein & Koppel“ gehört haben.

Monströse Tradition in Dorstfeld – seit 1895. 2021 soll Schluss sein – falls Caterpillar sich durchsetzt.

Ob und wie man Caterpillar an den Verhandlungstisch bekommen kann, ist noch offen. Eine Aufsichtsratssitzung hat das Unternehmen abgesagt – gegen den Willen der Arbeitnehmer*innen-Vertretung. Dabei sei diese dringend notwendig: Gerade mal vier Folien seien dem Wirtschaftsausschuss vorgelegt worden. Sie sorgen für mehr Fragen als Antworten.

Der IG Metall sind bis heute kaum Gründe für die Stilllegung des Werks bekannt: „Wir haben einen Fragenkatalog mit 100 Fragen dazu gestellt.“, berichtet Kamhöfer. Genannte Gründe für die Verlagerung nach Indonesien seien die Nähe des Landes zum Markt und die kostensparenden Produktionsmöglichkeiten. Dem begegnet die IG-Metall mit Unverständnis: „Man hätte ja auch auf die Arbeitnehmer zugehen können, um über Sparmöglichkeiten und Effizienz zu beratschlagen.“

Die Lage ist angespannt: Der Betriebsrat hat die Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit gekündigt. Diese wurde – ein ganz normaler Vorgang –  schon vor Jahren beschlossen, um im Fall der Fälle Produktschwankungen auszugleichen und so Arbeitsplätze zu sichern. Es wird zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen heute für Kurzarbeit noch erfüllt werden.  Denn das Unternehmen hat ja bereits die Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit angezeigt. Der Betriebsrat will daher dem US-Konzern nicht erlauben, „in die Töpfe unseres Sozialsystems zu greifen.“

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Reaktionen

  1. Barbara Borowski

    Das ist doch typisch Ami-Verhalten. Jetzt wissen sie endlich, wie Grossbagger gebaut werden, da wollen sie die Koffer packen und abhauen. Die meinen wirklich, sie können machen was sie wollen. Ohne Rücksichtnahme. Das zeigt doch auch schon das Verhalten ihres Präsidenten. Kein Benehmen und Anstand. Ich hoffe nur, dass unsere Gewerkschaft ihnen zeigt, dass man sich hier nicht so verhalten darf!!!

    • Kay-Uwe Banse

      Was gibt’s denn dabei zu meckern. War doch abzusehen das so was kommt. Alle Gruben hier in Europa sind dicht oder werden dicht gemacht, Die Energiepreise gehen durch die Decke genau so wie Steuern und Abgaben. Jeder halbwegs logisch denkende Investor wird bald einen riesen Bogen um Deutschland machen. IG Metall/Gewerkschaft? Paaa man kann niemanden zwingen hier weiter zu produzieren. Unsere „Fachkräfte und Fachkräfterinnnnnnnen“ bekommen wir aus Afrika etc da könnt ich noch Stunden so weiter aufzählen. Selbst die dümmste Regierung sägt nicht an dem Ast auf der sie sitzt,,, naja doch unsere schon..

  2. Frank-Peter Seifert

    Ich habe ein paar Jahre für euch gearbeitet. Die Amis wissen glaube ich bis heute nicht, warum ich in der Hydraulik bestimmte Sachen gemacht habe. Waren oft nur Notlösungen, die bei ihnen heute Standard sind.
    Gruß an Heinz Otto , Heinz Klosowski und viele andere, die mich kennen (Hakan).

  3. Udo Krüger

    Leider war das von Anfang an absehbar, denn auch bei mir wurde nur Wissen abgegriffen bis ich von Martin Daldrup aus dem Unternehmen rausgemobbt wurde!
    Das war von langer Hand geplant und GUS Kreiltja hat davon als junger Ingenieur profitiert!
    Jetzt trifft es alle anderen Leider auch, sorry!

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