Bundesgerichtshof bestätigt Urteile gegen Neonazis nach einer Demo

Rechtssicherheit: Die Parole „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit!“ ist volksverhetzend

Am 21. September 2018 zogen 70 Neonazis durch Marten – das Foto zeigt die Szene, die den Verurteilungen zu Grunde liegt. Bild: Marcus Arndt für Nordstadtblogger.de

Jetzt gibt es Klarheit und Rechtssicherheit: Die Parole „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit!“ erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung. Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen von vier Angeklagten gegen ihre Verurteilung durch das Landgericht Dortmund verworfen. Dieses hat die Angeklagten – fast sechs Jahre nach dem Vorteil – mit Urteil vom 30. Mai 2022 wegen Volksverhetzung zu Geldstrafen verurteilt.

Bundesgerichtshof zur Parole: „Die Angeklagten bezweckten mit dem Ausruf, gegen Mitbürger jüdischen Glaubens in Deutschland zum Hass aufzustacheln“

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nahmen die Angeklagten am Abend des 21. September 2018 an einer Kundgebung der Partei „Die Rechte“ in Dortmund teil. Als der Demonstrationszug mit etwa 70 Teilnehmern, die dunkel gekleidet waren und Reichsflaggen mit sich führten, durch eine Straße in Dortmund-Marten lief, schwenkte eine auf einem Gebäude mit Flachdach stehende männliche Person eine in der linken Hand gehaltene Reichsflagge, während sie in der rechten Hand einen brennenden Bengalo hielt, der in der Dunkelheit rötlichen Feuerschein und Rauch erzeugte. ___STEADY_PAYWALL___

Großes Medieninteresse: Gerichtssprecherin Nesrin Öcal war gefragte Gesprächspartnerin.
Großes Medieninteresse am Landgericht: Gerichtssprecherin Nesrin Öcal war gefragte Gesprächspartnerin. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Nachdem die Demonstranten diese Person erreicht hatten, hielten sie an. Aus der Kundgebung heraus riefen Teilnehmer, darunter die Angeklagten, dreimal laut und rhythmisch skandierend die Parole „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit!“

Nach den Feststellungen des Landgerichts Dortmund hatte diese Parole unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und der erkennbaren Umstände, unter denen sie skandiert wurde, den objektiven Erklärungswert, dass ein Deutschland liebender Mensch Gegner der in Deutschland lebenden Juden sein müsse. Die Angeklagten bezweckten mit dem Ausruf, gegen Mitbürger jüdischen Glaubens in Deutschland zum Hass aufzustacheln.

Mit den gegen ihre Verurteilungen gerichteten Revisionen haben die Angeklagten vornehmlich geltend gemacht, die skandierte Parole unterfalle vor dem Hintergrund der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit nicht dem Straftatbestand der Volksverhetzung. Die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils durch den 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat demgegenüber keinen Rechtsfehler ergeben. Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist das Urteil rechtskräftig.

Mehr Informationen:

  • Aktenzeichen des Bundesgerichtshofs zum Beschluss vom 17. Oktober 2023 – 3 StR 176/23
  • Aktenzeichen der Vorinstanz vom Landgericht Dortmund – 32 KLs 600 Js 466/18 – 19/19 – Urteil vom 30. Mai 2022
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  1. Urteil wegen Volksverhetzung bestätigt: Polizei geht wirksam gegen antisemitischen Hass vor (PM POL-DO)

    Als oberstes deutsches Strafgericht hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am 17. Oktober 2023 die Revisionen von vier angeklagten und vor dem Dortmunder Landesgericht wegen Volksverhetzung verurteilten Rechtsextremisten verworfen. Anlass waren antisemitische und volksverhetzende Parolen in einem aggressiv-kämpferischen Umfeld während eines Aufzugs am 21. September 2018 in Dortmund-Marten.

    „Die Strafanzeigen und akribischen Ermittlungen der Soko Rechts haben zu Anklagen und Verurteilungen geführt. Unser Rechtsstaat hat bis in die letzte Instanz verdeutlicht, wo in der Demokratie die Grenzen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit verlaufen. Die Verurteilungen sind damit rechtskräftig – für die Polizei ist der Beschluss des BGH von zentraler Bedeutung“, sagte Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange am Donnerstag (2.11.2023).

    Relevanz besitzen die Verurteilungen am Landgericht Dortmund und der BGH-Beschluss auch vor dem Hintergrund der aktuellen Lage mit Versammlungen mit Bezug zu dem terroristischen Angriff am 7. Oktober 2023 auf Israel. Polizeipräsident Lange: „Der Rechtsstaat schützt vor antisemitischem Hass und dem Aufbau von einschüchternden Drohkulissen – egal, aus welcher Richtung der Hass kommt. Auf Basis dieser Rechtsprechung werden wir als Polizei weiterhin antisemitischer und auch fremdenfeindlicher Hetze wirksam entgegentreten.“

    Nach der rechtsextremistischen Demonstration mit 70 Teilnehmern in Marten leitete die Polizei umgehend Strafverfahren und akribische Ermittlungen mit einer umfangreichen Beweissicherung ein. Dies trug maßgeblich dazu bei, dass die Volksverhetzung nicht ungestraft blieb.

    Die damals in Marten aufgetretene Partei „Die Rechte“ ist in Dortmund inzwischen nicht mehr aktiv. Führende Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu sind über die Jahre aus der Szene ausgestiegen, haben mehrjährige Freiheitsstrafen verbüßt oder Dortmund aus anderen Gründen verlassen. Die Dortmunder Polizei hält den hohen Strafverfolgungsdruck gegen die Szene weiterhin aufrecht.

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