Ein zweiter Drogenkonsumraum für Dortmund? Grüne begrüßen Überlegungen zu weiteren Standorten

Im überdachten Hauseingang machen es sich Tag und Nacht Junkies gemütlich.
In überdachten Hauseingängen machen es sich Tag und Nacht Junkies gemütlich. Archivbilder: Alex Völkel

Die Grünen-Ratsfraktion begrüßt die Überlegungen der Verwaltung hinsichtlich eines weiteren Drogenkonsumraums. Entsprechende Andeutungen machte Ordnungsdezernentin Diane Jägers bei einer Nordstadt-Begehung in der Nordstadt (wir berichteten). Zusätzlich müsse es aber aus Sicht der Grünen „noch weitere Veränderungen in der städtischen Drogenpolitik geben“.

Für Grüne ist der Drogenkonsumraum ist ein unverzichtbarer (Über-) Lebensretter

 „Wir wissen nicht, ob die Ordnungsdezernentin ihren Vorstoß mit der Sozialdezernentin abgeklärt hat. Die Erfahrung mit dem schon vorhandenen Drogenkonsumraum zeigt aber vor allem eines: Er ist ein (Über-) Lebensretter und aus dem Hilfesystem unserer Stadt nicht mehr wegzudenken“, betont Ulrich Langhorst.

Drogenkonsumraum in der Drogenhilfe-Einrichtung Kick der Aidshilfe im Gesundheitsamt. Aussenansicht
Der Drogenkonsumraum in der Drogenhilfe-Einrichtung Kick der Aidshilfe im Gesundheitsamt.

Die Notwendigkeit eines weiteren Konsumraums sei in den letzten Jahren immer wieder mal diskutiert, aber genauso oft wieder verworfen worden. Das habe vor allem an der Frage eines möglichen Standorts gelegen.

„Und der ist in der Tat eine sensible und wichtige Frage, die mit der gebotenen Rücksichtnahme auf Bewohner*innen und vorhandene Strukturen geklärt werden muss. Wenn es aber die Notwendigkeit gibt, dann darf ein Drogenkonsumraum an der Frage des Standorts nicht scheitern“, so der Fraktionssprecher Grünen.

Denn letztendlich diene er nicht nur dem Überleben der drogenabhängigen Menschen, sondern nutzt einem Stadtteil und der gesamten Stadt. Drogenabhängige haben dadurch einen festen Anlaufpunkt, an dem sie sicher, hygienisch und unter ärztlicher Aufsicht ihre Drogen konsumieren können, statt sich in Hauseingängen oder Hinterhöfen zu verstecken. „Zusätzlich werden dort Spritzen und Kanülen gezielt gesammelt und entsorgt, statt auf Spielplätzen oder anderen Orten herumzuliegen“, betont Langhorst.

Beschwerden der Anwohner*innen über den Drogenkonsum und -handel nahmen zu

Das Toilettengebäude auf dem Nordmarkt wird von Passgenau betreut und ist mit Anti-Junkie-Beleuchtung ausgestattet.
Das Toilettengebäude auf dem Nordmarkt wird von Passgenau betreut und ist mit Anti-Junkie-Beleuchtung ausgestattet.

Dass eine Diskussion über einen weiteren Drogenkonsumraum und zusätzliche Maßnahmen notwendig sei, zeige aus Sicht der Grünen auch der letzte Jahresbericht der Verwaltung zur Situation in der Nordstadt. Danach haben die Beschwerden von Bewohner*innen über den öffentlichen Drogenhandel und -konsum zugenommen.

Laut Bericht werden weiche und harte Drogen vielfach offen wahrnehmbar konsumiert und gehandelt – auch tagsüber und mitten auf dem Spielplatz, auf öffentlichen Straßen und Plätzen oder in Grünanlagen.

„Wer das verändern und der Nordstadt helfen will, kommt alleine mit repressiven Maßnahmen nicht weiter. Ein weiterer Drogenkonsumraum kann da für die gesamte Nordstadt ein zusätzliches hilfreiches Angebot  sein“, betont Langhorst.

Die Diskussion darüber sollte dann auch verknüpft werden mit Überlegungen zu einem Diamorphin-Programm unter anderem für die hochgradig drogenabhängigen Frauen, die seit Jahren und ohne Perspektive in der Nordstadt der Prostitution nachgingen. In den Sommerferien war in einem Gespräch der Grünen-Fraktion mit der Mitternachtsmission auch die Situation dieser, meist deutschen Prostituierten thematisiert worden (wir berichteten).

Kritik: SPD und CDU hätten entsprechende Hilfen für Schwertabhängige abgelehnt

Grünen-Fraktionssprecher Ulrich Langhorst moderiert die Veranstaltung. Kontrollierte Abgabe statt Verbot war das Thema des Grünen Ratschlags zur Drogenpolitik.
Grünen-Fraktionssprecher Ulrich Langhorst

Der Fraktionssprecher der Grünen erinnerte daran, dass auch Bewohner*innen und Geschäftsleute aus der Nordstadt sich in der Vergangenheit mehrfach eine legale Abgabe von harten Drogen unter ärztlicher Aufsicht gefordert hätten, um die Situation in einigen Bereichen der Nordstadt zu entspannen.

„Erfahrungen in anderen Städten zeigen, dass das auch funktionieren kann – mit positiven Auswirkungen für die Schwerstabhängigen sowie für die betroffenen Stadtteile. Leider sind unsere entsprechenden Anträge, hier etwas zu verändern, bisher an der SPD und der CDU gescheitert“, so Langhorst. „Es ist zu hoffen, dass durch die von der Verwaltung angestoßene Anregung für einen zusätzlichen Drogenkonsumraum auch Bewegung in die Diskussion um weitere Verbesserungen der städtischen Drogenpolitik kommt.“

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Reaktionen

  1. Bahr

    Ein weiterer Druckraum mag durchaus erforderlich sein. Bei der Standortfrage sind jedoch verschiedene Dinge zu berücksichtigen. Auch sollte versucht werden die positiven Folgen des Druckraumes realistisch einzuschätzen, so dass nicht übertriebene Hoffnungen Raum greifen.

    Würde allein ein zusätzlicher Druckraum in der Nordstadt eine merkbare Verbesserung der Verhältnisse bewirken?

    Zweifelsohne fallen in Dortmund Menschen auf, die in Folge des Konsums harter Drogen nicht mehr am allgemein üblichen Leben unserer Stadt teilhaben. Sie sind einkommenslos, haben Folgeerkrankungen, sind ohne Wohnung, prostituieren sich und sind für zielführende Hilfen nicht erreichbar. Diese Menschen bedürfen dennoch unserer Hilfe.

    Viele von Ihnen halten sich früher oder später häufig in der Nordstadt auf, weil Sie dort zum Großteil Ihre Drogen erwerben. Sie sind jedoch nicht originär Nordstädter. Würde der Drogenhandel in der Nordstadt gestört und sich auch deutlich auf andere Stadtteile verteilen, so würden auch viele Drogensüchtige nicht mehr die Nordstadt aufsuchen.

    In der Nordstadt fallen Drogendealer ebenso unangenehm auf wie Drogenkonsumenten. Beide schaffen Angsträume! Welche Wirkung hat hier die Ansiedlung eines weiteren Druckraumes?

    Welche begleitenden und grundlegenden Maßnahmen sind tatsächlich abschließend zu regeln, so dass die negativen Erscheinungen im Umfeld eines Druckraumes von Beginn an unterbunden werden? Welche Aufträge sind hier der Ordnungsverwaltung zu erteilen? Reichen die rechtlichen Rahmenbedingungen überhaupt aus, die negativen Begleiterscheinungen befriedigend zu minimieren?

    Verkauft jeder Dealer in der Nordstadt sämtliche illegalen Drogen, oder ist der Markt aufgeteilt? Letztendlich würde ein Druckraum nur eine begrenzte Zahl von Abhängigen harter Drogen helfen. Unverändert bräuchten Sie Plätze zum Schlafen und Geld beschaffen. Im Druckraum würden Sie Drogen nicht kostenlos erhalten. Würde durch einen Druckraum nicht der Aufenthaltsort vieler Drogensüchtiger in der Nordstadt manifestiert?

    Die für den Druckraum Verantwortlichen stellen grundsätzlich einen zusätzlichen Bedarf fest.

    Aber: Wie viele Drogensüchtige nutzen den Druckraum nicht und warum nicht? Wie viele Abhängige leben trotz ihrer Sucht in sozial gefestigten Verhältnissen und sind allgemein akzeptiert – nutzen jedoch nicht den Druckraum? Wie viele der in der Nordstadt sich aufhaltenden Abhängigen nutzen den Druckraum nicht? Wie viele aus dem übrigen Stadtgebiet?

    Der bestehende Druckraum hat von 10.00 – 14.00 oder bis 16.00 Uhr geöffnet. Ist es nicht sinnvoller und effektiver hinsichtlich der Kosten, hier die Öffnungszeiten auszuweiten? Der Aufbau weiterer Infrastruktur mit den zugehörigen Personalkosten stünde dem gegenüber.

    Druckräume gewährleisten den geregelten und hygienisch sauberen Konsum von Opiaten, Kokain und Amphetaminen die mit Hilfsmitteln eingenommen werden. Begrenzt Drogensüchtige zählen ebenso nicht zu den Nutzern wie Abhängige von „leichten“ Drogen oder von „Partydrogen“. Wie groß sind die einzelnen Gruppen in der Gesamtgruppe der Drogensüchtigen? Welche einzelnen Gruppen erreicht man mit einem weiteren Druckraum und welche quantitative und qualitative Wirkung wird dies haben?

    Die Nordstadt ist Integrationsmotor der Stadt. Sie leistet viel für die übrige Stadt, nicht nur hinsichtlich Integration und Teilhabe von Neubürgern. Auch die Integration und Teilhabe von sozial Abgehängten ist zum größten Teil Aufgabe der Nordstadt. Dies gelingt alles nur teilweise. Die Anforderungen an die Bewohner der Nordstadt, sich hier hauptsächlich gemeinnützig und nicht eigennützig einzubringen, sind größer als im übrigen Dortmund. Dies ist nur mehr oder minder erfolgreich. Darum kann es nicht sein, dass jetzt, wo eine begrenzte Besserung spürbar ist, erneut Probleme der Gesamtstadt in die Nordstadt verdrängt werden.

  2. Michael Sonntag

    @ Herr Bahr:
    Zitat:
    „Der bestehende Druckraum hat von 10.00 – 14.00 oder bis 16.00 Uhr geöffnet. Ist es nicht sinnvoller und effektiver hinsichtlich der Kosten, hier die Öffnungszeiten auszuweiten? Der Aufbau weiterer Infrastruktur mit den zugehörigen Personalkosten stünde dem gegenüber.“

    Man könnte sicherlichz Vieles zu Ihrem Beitrag und den aufgeworfenen und auch berechtigten Fragen und Denkanstößen schreiben und diskutieren.

    Eine Ausweitung der Öffnungszeiten des bestehenden Druckraums ist sicherlich sinnvoll und würde den dortigen NutzerInnen entgegenkommen. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass im Umfeld des Druckraums natürlich mit Drogen gehandelt wird und diese kurz nach dem Erwerb dann im Druckraum konsumiert werden.

    Wenn nun ein heroinabhängiger Mensch in der Dortmunder Nordstadt Drogen resp. Heroin kauft, wird ihm der Weg in den Druckraum am Eisenmarkt deutlich zu weit sein. Der Suchtdruck ist oft so groß und- das ist die Realität vieler schwerstabhängiger und häufig verarmter Junkies-, dass Heroin oft auf dem letzten Drücker vor dem Einsetzen der Entzugserscheinungen oder schon auf dem sog. „Affen“ in ergingen Mengen für ein bis zwei Drucks auf der Straße gekauft wird und so schnell wie nur irgendwie möglich konsumiert wird./werden muss.

    Das passiert derzeit in irgendwelchen Hinterhöfen, öffentlichen Toiletten, auf Spielplätzen, auf der Straße, in Hausfluren, auf Schulhöfen unter miserabelsten hygienischen Bedingungen-Wasser für die ggf. mehrfach benutzte stumpfe und verdreckte und verstopfte Spritze kann da in der Not schon mal aus der Pfütze oder aus der öffentlichen Toilette kommen. Zusätzlich zu den unhygienischen Bedingungen kommt die Hektik, der Zeitdruck, aus Angst, entdeckt zu werden und die heiß ersehnte Shore abgeben zu müssen oder den Druck zu vermasseln.

    Dass unter solchen Umständen das aufgrund des unterschiedlichen Reinheitsgrades ohnehin schwierige Dosieren nahezu unmöglich ist und das Risiko von Überdosierungen oder falsch gesetzten Spritzen oder Infektionen ausgesprochen groß ist, ist offenkundig.

    Insofern bieten Druckräume hier zunächst einmal Überlebenshilfe für Menschen in größter individueller Not. Sie sind aber darüberhinaus Kontaktstelle und in das System der Drogenhilfe eingebunden und können so -über die Bereitstellung von Räumen und sterilen Druckbedingungen und -besteck hinaus , natürlich Kontakte aufbauen, Ansprechpartner sein und ggf. auch weiterführende Hilfen leisten/anbieten.

    Dass dem lukrativen Geschäft mit der Drogensucht nur dann die Grundlage entzogen werden kann, wenn staatlich konzessionierte Abgabe von Heroin oder auch Kokain an Abhängige die Regel ist, ist ein anderes Thema.

    So lange aber die Bedingungen so sind, wie sie sie sich bei bestehen einer relativ große offene Straßenszene darstellen,sind Druckräume, eingebettet in das System der Drogenhilfe, nunmal leider die Ultima Ratio und zur Verhinderung größeren Übels das gebot der Stunde..

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