Erste gerichtliche Entscheidung im Streit um die Videobeobachtung auf der Münsterstraße: Die Dortmunder Polizei darf einen Abschnitt vorerst per Video überwachen. Dies hat die 17. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen mit Beschluss von heute (17. Februar 2021) entschieden und damit den Antrag eines Dortmunder Bürgers abgelehnt, der im Wege der einstweiligen Anordnung dem Polizeipräsidenten den Beginn der Videoüberwachung untersagen lassen wollte.
Polizei hat 18 Kameras an acht Standorten im Bereich Münsterstraße 50 bis 99 installiert
Die Polizei will mit der Videoüberwachung in dem zwischen den Häusern Münsterstraße 50 bis 99 gelegenen Bereich Straftaten verhindern. Sie betrachtet den Straßenabschnitt als Kriminalitätsschwerpunkt, dem mit der Aufstellung von insgesamt 18 Kameras an acht Standorten begegnet werden soll. Die Kameras wurden bereits zum vergangenen Jahr installiert, aber noch nicht in Betrieb genommen.
Der Grund: Ein Kläger aus dem Kreise der Bürgerinitiative „Kameras stoppen“ war vors Verwaltungsgericht gezogen, weil er sich durch die beabsichtigte optische Überwachung des Straßenabschnitts in seinen Grundrechten verletzt fühlt, da sein Weg zur Arbeit über diesen Straßenabschnitt führt und er zudem regelmäßig an politischen Versammlungen in dem dort gelegenen Kulturzentrum „Nordpol“ teilnimmt.
„Das Gericht hat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren festgestellt, dass die in § 15a des Polizeigesetzes für eine Videoüberwachung aufgestellten Voraussetzungen vorliegen“, teilt das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in einer Pressemitteilung mit (Aktenzeichen: 17 L 1531/20).
Gericht folgt der Polizei, dass der Bereich ein Schwerpunkt der Straßenkriminalität ist
Nach dem vom Polizeipräsidium vorgelegten Zahlenmaterial handele es sich bei dem knapp 300 Meter langen Straßenabschnitt um einen Schwerpunkt der Straßenkriminalität mit einer signifikanten Häufung von Straftaten wie Betäubungsmittel-, Raub-, Diebstahls-, Körperverletzungs-, Sachbeschädigungs-, Nötigungs- und Bedrohungsdelikten sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, so das Gericht.
Die Beschaffenheit der Örtlichkeit u.a. als belebte Geschäftsstraße mit mehrgeschossiger Bebauung, enger Straßenführung und schwer einsehbaren Bereichen begünstige die Begehung von Straftaten und lasse erwarten, dass es dort auch zukünftig zur Begehung von Delikten kommen werde.
Zudem findet das Gericht, dass die zunächst für ein Jahr geplante Maßnahme verhältnismäßig sei. Die von Montag bis Samstag von jeweils 16 bis 24 Uhr geschalteten Kameras seien so angebracht, dass sie auch mit einem nur beiläufigen Blick erkennbar seien. Eine umfängliche Beschilderung mache die Überwachung zusätzlich für die Bürger*innen erkennbar. Die gewonnenen Daten dürften nach dem Gesetz für höchstens 14 Tage gespeichert werden.
„Schützenswerte private Bereiche wie Balkone, Fensterbereiche, Flächen für Straßengastronomie würden ebenso wenig erfasst wie in dem Bereich stattfindende Versammlungen. Der Eingriff insbesondere in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist mit Blick auf den verfolgten Zweck einer wirksamen vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung zumutbar“, heißt es weiter vom Gericht. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt werden.
Lange: „Wir werden nun schnellstmöglich mit der Videobeobachtung beginnen“
„Wir begrüßen diese Entscheidung, die unser Konzept und meine polizeirechtliche Anordnung klar bestätigt hat. Unser Versprechen für die Menschen in der Nordstadt gilt: Wir schöpfen unsere rechtlichen Befugnisse aus, um die Nordstadt für alle, Jahr für Jahr und Stück für Stück, sicherer zu machen“, kommentierte Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange die Gerichtsentscheidung.
Mit der Videobeobachtung wolle die Polizei den Kriminalitätsschwerpunkt auf dem etwa 300 Meter langen Teilstück der Münsterstraße auflösen. „Unser Ziel ist es, die Anzahl der Straftaten in diesem Bereich, in dem auch Familien mit Kindern wohnen, deutlich zu verringern“, so Gregor Lange.
„Dabei nutzen wir alle uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel. Die nun zügig beginnende Videobeobachtung wird neben der Ermittlungskommission Nordstadt, unseren Schwerpunkteinsätzen und Präsenzmaßnahmen ein weiterer wichtiger Baustein in unserem polizeilichen Gesamtkonzept sein.“
Für die Videobeobachtung in der Münsterstraße hat das Polizeipräsidium bereits im vergangenen Jahr in der Leitstelle einen neuen Technikraum mit vier modernen Arbeitsplätzen eingerichtet. Von dort aus können Personen und Fluchtwege erkannt und wichtige Zeit bei Gefahrenabwehr und Strafverfolgung gewonnen werden. Das verschafft der Polizei nach eigener Aussage einen taktischen Vorteil.
„Wir werden nun schnellstmöglich mit der Videobeobachtung beginnen. Diese ermöglicht es uns, Straftaten schon im Anfangsstadium zu erkennen, konsequent einzuschreiten und Schlimmeres zu verhindern. Damit wollen wir die positive Entwicklung der Dortmunder Nordstadt weiter vorantreiben, damit alle Bürgerinnen und Bürger davon profitieren können“, so der Polizeipräsident.
„Die Argumente gegen Videoüberwachung bleiben von dem Urteil unangetastet“
Für Unmut sorgt die Entscheidung bei den Aktivist*innen: „Die Gerichtsentscheidung im Hauptverfahren steht noch aus. Entschieden wurde hier nur das Eilverfahren, dass sich gegen die Überwachung des Nordpols richtete. Die Polizei hat in der Klageerwiderung angegeben, dass der Nordpol nicht Ziel der Überwachung sei (entgegen der Infos aus den Akten) und zugesagt, die Ladenfront großräumig in den Aufnahmen zu schwärzen. Das hat dem Gericht soweit erstmal gereicht“, kommentieren sie.
Doch damit wollen sie es wohl nicht bewenden lassen: „Im Hauptverfahren steht eine Entscheidung noch aus. Wir prüfen zusammen mit unserem Anwalt, ob wir gegen die Gerichtsentscheidung Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster einlegen, dafür müssen wir uns aber noch weiter damit beschäftigen“, heißt es in einer ersten Reaktion.
„Die Argumente gegen Videoüberwachung bleiben von dem Urteil unangetastet und wir denken nicht, dass Überwachung die Probleme lösen kann und gehen davon aus, dass es zu Verdrängungseffekten kommen wird, wenn nur das Symptom der Kleinkriminalität nicht aber die Ursachen wie Armut und Perspektivlosigkeit angegangen werden. Die 400.000 Euro, die das kosten wird, wären anders besser investiert.“
Reaktionen
Christian Skark
Es ist sicherlich richtig, dass die Video-Überwachung nur zur Verlagerung des Geschehens führen wird. Ebenso sind die Kosten für die Video-Überwachung anderweitig sicher besser eingesetzt.
Das Argument von Herrn Lange – man schöpfe ja nur den rechtlichen Rahmen aus – ist ja erst möglich, weil es das neue Polizei-Gesetz gibt, das die Polizei zu solchen Maßnahmen ermächtigt. Meiner Meinung nach gehört das Gesetz wieder abgeschafft!