Brandschutzmängel: Mieterverein Dortmund fordert Land auf, einen Wohnungs-TÜV für Hochhäuser zu schaffen

Das Gebäude ist nur mit Sicherheitskräften begehbar. Es gibt noch Brandwachen.
Der Brandschutz ist das größte Problem beim Hannibal II in Dorstfeld. Archivbilder: Alex Völkel

Auch Monate nach Räumung des Hannibal II können viele der betroffenen Mieterinnen und Mieter die Gründe hierfür nur schwer nachzuvollziehen, da von Seiten der Stadt Dortmund keine detaillierte Zusammenstellung der Brandschutzmängel veröffentlicht wurde. Intown als Bevollmächtigte der Lütticher 49 Properties GmbH weist die Räumung als unrechtmäßig zurück. Das Gebäude entspräche baulich der Genehmigungslage.

„Die Vielzahl der Verstöße beim Brandschutz im Gebäude ist erschreckend“

Mehrere hundert Einsatzkräfte sind an der Evakuierung des größten Dortmunder Wohnhauses beteiligt.
Mehrere hundert Einsatzkräfte waren an der Evakuierung des größten Dortmunder Wohnhauses beteiligt.

In der Nutzungsuntersagung der Stadt Dortmund an die Eigentümerin vom 11. Oktober 2017 sind die gravierenden Brandschutzmängel im Hannibal II sowie die Konsequenzen im Falle eines Brandes ausführlich dargestellt. Diese Nutzungsuntersagung ist Teil der gerichtlichen Verfahren der MieterInnen, die beim Amtsgericht Dortmund eine einstweilige Verfügung erwirkt haben. Daher sind nun auch dem Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V. die Inhalte der Nutzungsuntersagung bekannt.

„Die Vielzahl der Verstöße beim Brandschutz im Gebäude ist erschreckend. Im Falle eines Brandes hätten selbst die Sicherheitstreppenräume und damit der Fluchtweg verrauchen können. Die dortigen Steigleitungen für Löschwasser seien nicht funktionsfähig“, kommentiert Rainer Stücker, Geschäftsführer des Mietervereins Dortmund die bauliche Situation im Hannibal II.

„Über die schon bekannten Brandschutzmängeln an den kombinierten Lüftungs- und Versorgungsschächten könnte sich Rauch im Brandfall auch über die Aufzugsschächte und nicht genehmigte, vertikale Durchbrüche zwischen den Technikräumen über die Etagen ausbreiten. Wie Intown zu der Bewertung kommt, im Bereich Brandschutz gäbe es keinen Handlungsbedarf, erschließt sich uns nicht“, so Stücker.

Der Mieterverein Dortmund fordert einen Wohnungs-TÜV des Landes

Die Mieterinnen und Mieter fragen sich, wie es so weit kommen konnte? Hier rücken die baurechtlichen Vorschriften des Landes NRW in den Fokus. Demnach muss bei der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes ein Brandschutzkonzept vorgelegt und durch die örtliche Behörde genehmigt werden.

Einer der Mieter hat sich Zugang zur Tiefgarage erstritten - inklusive Stromversorgung.
Einer der Mieter hat sich Zugang zur  brandgefährlichen Tiefgarage erstritten – inklusive Stromversorgung.

Führt ein Eigentümer Umbauten durch, die das Brandschutzkonzept berühren, müssten wiederum entsprechende Genehmigungen eingeholt werden. Die in regelmäßigen Abständen durchzuführenden Brandschauen der Feuerwehr bei Hochhäusern betreffen nur öffentlich zugängliche Bereiche des Gebäudes, aber anscheinend nicht die Einhaltung des jeweils aktuell gültigen Brandschutzkonzeptes.

„Die Entdeckung schwerwiegender Brandschutzmängel darf nicht dem Zufall überlassen werden. Offensichtlich reichen die bisherigen landesrechtlichen Vorschriften nicht aus. Daher haben wir heute NRW-Bauministerium Ina Scharrenbach in einem Brief aufgefordert, die gesetzlichen Regelungen für den Brandschutz in Wohnhäusern zu erneuern“, sagte Dr. Tobias Scholz, wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins.

„Wir haben der Ministerin die Einrichtung einer Expertengruppe vorgeschlagen. Es braucht einen ,Wohnungs-TÜV‘ für Hochhäuser und große Wohnanlagen, um Instandhaltungsstau und Brandschutzmängel zu vermeiden und zu beseitigen. Die Einhaltung der genehmigten Brandschutzkonzepte eine Gebäudes müssen Gegenstand der Überprüfungen durch die Behörden werden, um die Sicherheit für die Bewohner zu gewährleisten und kurzfristige Räumungen von hunderten Wohnungen wie im Hannibal II zu vermeiden“, so Scholz.

Die Chronologie zum Thema „Hannibal II“ auf Nordstadtblogger.de:

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Reaktionen

  1. Dortmunder

    Die Forderungen von Funktionären nach immer größerer „Sicherheit“ nehmen in Deutschland anscheinend kein Ende.
    Wir liegen mit ca. 400 Brandtoten pro Jahr weltweit in der absoluten Spitzengruppe.
    Trotzdem wird hier nach weiteren Regularien gerufen. Ob dadurch tatsächlich Menschenleben gerettet werden, ist völlig unklar.
    Sicher ist jedoch, dass sich die Kosten für die Mieter – denn diese werden den „Spaß“ letztendlich bezahlen – weiter erhöhen. Preisgünstiger Wohnraum ist bereits heute knapp in Dortmund und anderen Großstädten.
    Was tut der Mieterverein denn konkret gegen steigende Bruttomieten?
    Immer neue „Expertengruppe“ sind hier sicher nicht der richtige Weg.

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