Hannibal II: Linke & Piraten fordern die Stadt zum Handeln auf – Vorkaufsrecht gegen Spekulanten soll gesichert werden

Hannibal-II in Dortmund Dorstfeld: Die Zukunft des Gebäudekomplexes bleibt offen. Fotos: Marcus Arendt.
Hannibal II in Dorstfeld: Die Zukunft  ist offen – die Kommunalpolitik streitet. Foto: Marcus Arndt

Die Diskussionen um die Problemimmobilie Hannibal-II in Dortmund-Dorstfeld reißen nicht ab. Jetzt hat sich der Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen (AUSW) mit möglichen Strategien gegenüber der Eigentümergesellschaft Intown beschäftigt. Die Fraktion Linke & Piraten möchten der Stadt ein Vorkaufsrecht sichern. Weniger konkret ist das Bündnis 90/Die Grünen: Es sollten erst einmal alle Handlungsoptionen geprüft werden. Die anderen Fraktionen möchten der Stadt eigentlich gar nichts zumuten – vor allem nichts, was Kosten verursacht.

Fraktion Linke & Piraten will Vorkaufsrechtssatzung für Hannibal-II

Kontroverse Debatte im AUSW des Dortmunder Stadtrates: Linke & Piraten beantragen eine Beschlussfassung, dass der Ausschuss die Verwaltung zum Erlass einer Vorkaufsrechtssatzung für den Hanniball-II in Dortmund-Dorstfeld beauftragt.

Damit stünde der Stadt ein Vorkaufsrecht an der Immobilie für den Fall zu, dass die Inhaberfirma, die Lütticher 49 Properties GmbH, in Insolvenz ginge und es zu einer Zwangsversteigerung käme.

Auf die Weise möchte die Fraktion ein Szenario verhindern, wie es seinerzeit nach der Insolvenz des ersten Hannibal-II-Käufers, der Wohnungsfirma Helbig & Jansen zu beobachten war: Die ehemalige DOGEWO-Immobilie wurde nach der Privatisierung zum Spekulationsobjekt von Finanzinvestoren „ohne wohnungswirtschaftliches Interesse an einer Entwicklung der Bestände“, wie es in dem Antrag heißt.

Bündnis 90/Die Grünen möchten lediglich prüfen lassen, was getan werden könnte

Bemerkenswert: Während der Antrag der Linken & Piraten seit einem knappen Monat vorlag, zauberte das Bündnis 90/Die Grünen gerade mal einen Tag vor der Ausschusssitzung eine alternative Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt hervor. Offenbar ging den NaturfreundInnen das linke Ansinnen ein wenig zu weit.

Zwar versucht Ursula Hawighorst-Rüßler vom Bündnis 90/Die Grünen dies bei der mündlichen Begründung des Antrages ihrer Fraktion damit zu verklausulieren, dass dieser über den Einbezug eines Vorkaufsrechts hinaus „viel weiter“ ginge.

Aber während Linke & Piraten die Verwaltung zur Vorkaufsrechtssatzung beauftragen wollten, heißt es dort windelweich, dass dem Rat empfohlen werden solle, die Verwaltung zu beauftragen, „sämtliche Eingriffsmöglichkeiten der Stadt gegen die vollständige Stilllegung des Gebäudes und Durchsetzung der notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen durch die jetzige Eigentümerin zu prüfen und umzusetzen (u.a. Instandsetzungsgebote, Sanierungsgebiet, Enteignung, Vorkaufsrecht, Maßnahmen nach Wohnungsaufsichtsgesetz).“

Fraktionen im Ausschuss machen gegen den Antrag der Linken & Piraten Front

Evakuierung Hannibal in Dorstfeld am 21.September 2017
Evakuierung des Hannibal-II in Dortmund-Dorstfeld am 21.September 2017.

Geprüft werden kann bekanntlich viel, wenn der Tag lang ist. Deswegen richten sich in der nachfolgenden Debatte die Kritiken vor allem gegen den weitaus konkreteren Antrag der Linken & und Piraten. Und dies erstaunlicherweise nahezu ungerührt vom Hinweis ihres Fraktionssprechers, Utz Kowalewski, dass ein Vorkaufsrecht mitnichten eine Kaufverpflichtung beinhalte, sondern zunächst lediglich die gewünschte Bremswirkung gegenüber anderen potentiellen Investoren erziele.

Carla Neumann-Lieven (SPD) weist darauf hin, dass im Grundbuch für die Immobilie 19 Millionen Euro Schulden eingetragen seien. Die hätte die Stadt dann auch am Bein. Ganz in diesem Sinne sieht auch Uwe Tietz (Bündnis90/Die Grünen) als einzige Handlungsmöglichkeit, Intown selbst in die Pflicht zu nehmen. Der Vorschlag der Linken sei ein Schnellschuss.

In dieselbe Richtung argumentiert die CDU-Fraktion: Ein Vorkaufsrecht sei deshalb abzulehnen, weil der Druck auf die Hannibal-Eigentümerin raus sei, wenn die Stadt ein Einschreiten signalisierte, so Uwe Waßmann. Der Kommune seien Grenzen gesetzt, da es sich hier um eine privatrechtliche Auseinandersetzung zwischen MieterInnen und Vermieter handele.

Die CDU hat offenbar ein Problem mit ihren rechten Rändern

Da mag auch die SPD aus Sorge um die Stadtkasse nicht widersprechen: Man solle sich im Vorfeld keine Fesseln anlegen, bewege sich ohnehin im privatrechtlichen Bereich, so etwa Ulrike Matzanke. Es könne beispielsweise nicht vom Steuerzahler verlangt werden, für (ehemalige) MieterInnen des Hannibals Container aufzustellen.

Dieser Auffassung ist natürlich ebenfalls der AfD-Vertreter Heinrich Garbe. Bei der Entmietung handele es sich schließlich allein um eine rechtliche Frage. Der Rest sei Sozialpopulismus, fügt der ehemalige Wirtschaftsredakteur hinzu. Was bei den anderen Fraktionen sichtlich Heiterkeit auslöst.

Doch bei der CDU liegen die Nerven blank. Zu sehr bröckelt es am rechten Rand. Mehrmals geht Waßmann Garbe an. Es fallen Redewendungen wie „Stimmenfang mit platten Parolen“, „selten eingelesen“, „was sie machen, ist schäbig in diesem Ausschuss.“

Grüne Ausschussvorsitzende beschwichtigt CDU

Ansonsten möchte Waßmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wissen, ob es nicht möglich sei, Punkt 3 aus deren Antrag rauszulösen? Aber er muss sich keine Sorgen machen.

Denn Ingrid Reuter, Ausschussvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, kann schnell beschwichtigen: Punkt drei besage ja nur, dass sämtliche Eingriffsmöglichkeiten geprüft werden sollten. Der Bericht dieser Prüfungsergebnisse könnte dann nicht-öffentlich diskutiert werden.

Am Ende betrachtet der Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen die beiden Anträge der Linken & Piraten sowie von Bündnis 90/Die Grünen als eingebracht und leitet diese ohne Empfehlung weiter an die Ratssitzung in der kommenden Woche, am 15 Februar.

Die (ehemaligen) MieterInnen haben außer warme Worte nichts zu erwarten

Vorne v.l.: Silke Schwarz, Rainer Stücker und Dr. Tobias Scholz, Wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins Dortmund.
Der Mieterverein Dortmund hat bislang mehrere Veranstaltungen zur Unterstützung der ehemaligen BewohnerInnen organisiert. Foto: Marcus Arndt.

Im Grundsatz schienen sich die anwesenden Ausschussmitglieder mit Ausnahme der Fraktion Linke & Piraten jedenfalls einig gewesen zu sein:

Die Stadt soll gerne weiterhin alles unternehmen, was nichts kostet; ein paar warme Worte für die MieterInnen aus Hannibal-II nicht zu vergessen. Und ansonsten darüber beraten, wie Intown in die Pflicht genommen werden könne.

Dabei wird natürlich nicht mehr herauskommen, als die Scharmützel mit der Hannibal II-Eigentümerin vor den Verwaltungsgerichten, von deren Ausgang es abhängt, ob die Stadt Dortmund für die bis zur Rückgabe der Schlüsselgewalt an Intown entstandenen Unkosten eine Rechnung stellen kann.

Die (ehemaligen) MieterInnen allerdings haben davon überhaupt nichts und bleiben weitestgehend auf sich allein gestellt.

Die Chronologie zum Thema „Hannibal II“ auf Nordstadtblogger.de:

2. UPDATE: Akute Brandgefahr im Hannibal: Fast 800 Menschen verlassen ruhig ihre Wohnungen in Dorstfeld

Hannibal-Evakuierung: Am Dienstagnachmittag gibt es ein erstes Gespräch zwischen Stadt Dortmund und Eigentümer

Kostenlose Wohnungsangebote für die MieterInnen des Hannibals in Dorstfeld – nur 120 nutzten die Notunterkunft

Eigentümer verklagt die Stadt Dortmund wegen der Räumung des Hannibal in Dorstfeld – Auszugshilfen für MieterInnen

Nach Räumung des „Hannibal II“-Komplexes: AnwohnerInnen können frühestens in zwei Jahren wieder zurückkehren

Hannibal II: Mieterverein Dortmund in Sorge über Zugänglichkeit der Wohnungen ab der kommenden Woche

Intown trägt jetzt wieder die alleine Verantwortung Hannibal II“ in Dorstfeld – Stadt Dortmund übergibt Schlüsselgewalt

Im Fall einer Insolvenz: Linke & Piraten fordern städtisches Vorkaufsrecht für den Hannibal II in Dortmund-Dorstfeld

Wird der Hannibal II in Dortmund-Dorstfeld zugemauert? INTOWN will das Gebäude ab 16. Februar schließen lassen

Erfolgreicher Widerstand gegen Intown: Hannibal-Mieterin erwirkt einstweilige Verfügung gegen vollständige Schließung

Erfolg gegen Intown: Zwei weitere Mieter des Hannibal II erstreiten vor dem Amtsgericht Dortmund Zugangsrecht

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Reaktionen

  1. Fraktion Linke & Piraten

    Linke & Piraten fordern von der Stadt kostenlose Lagermöglichkeiten für Hannibal-Mieter

    Die schreckliche Situation der Mieter des Hannibal II-Komplexes nimmt einfach kein Ende. Seitdem die Bewohner von über 450 Wohnungen in einer Nacht- und Nebelaktion ihr Zuhause aus Brandschutzgründen verlassen müssen, haben sie auch Probleme mit ihrem Mobiliar. Der Eigentümer hat das Gebäude zum 1. Februar stillgelegt. Seitdem dürfen die Wohnungen, in denen sich noch von vielen Mietern die Möbel und anderes Eigentum befinden, nicht mehr betreten werden. Die Mieter müssen klagen. Jeder einzeln, so will es das Gesetz. Und erst drei Mietparteien haben sich den Zugang zu ihrer ehemaligen Wohnung vor Gericht erstritten.

    Aber selbst, wenn noch weitere Klagen erfolgreich sind: Wo sollen Sofa, Bett und Kleiderschrank zwischengelagert werden? Viele Betroffene sind immer noch bei Freunden oder der Familie unterkommen oder leben mit dem Notwendigsten in kleinen Übergangswohnungen.

    Die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN setzt sich deshalb dafür ein, dass die Stadt Dortmund den Betroffenen kostenlose Lagermöglichkeiten für deren Mobiliar und Umzugskartons zur Verfügung stellt.

    Einen solchen Aufruf hat die zuständige Bezirksvertretung Innenstadt-West bereits im Rahmen einer Resolution einstimmig beschlossen. Anlass war ein Antrag der Bezirksvertreterin Anne Eberle gewesen, den diese für die LINKE gestellt hatte.

    „An der Sitzung unserer Bezirksvertretung hatten viele frustrierte Mieter teilgenommen. Doch die meisten haben die Resolution gar nicht mehr mitbekommen, da sie die Sitzung vorzeitig verlassen haben“, bedauert Anne Eberle. Die Ratsfraktion DIE LINKE & PIRATEN will deshalb den Antrag noch einmal aufgreifen und hat die Resolution der Bezirksvertretung zum Antrag im Rat (15. Februar) erhoben. „Die Stadt muss in solchen Härtefällen einfach helfen“, meint Utz Kowalewsi, Vorsitzender der Ratsfraktion DIE LINKE & PIRATEN.

    Utz Kowalewski: „Die notwendige Räumung des Hannibal II aus Brandschutzgründen hat für die Bewohner dieses ehemals öffentlichen Wohnungsbestandes unbillige Härten ausgelöst. Mit dem Versuch, den Bewohnern den Zugang zu ihren Wohnungen zu verweigern, hat der jetzige private Inhaber einmal mehr deutlich gemacht, dass ihm an Lösungen zu Gunsten der Mieter nicht gelegen ist. Da ein erheblicher Teil der Mieter bis heute noch keine dauerhafte Bleibe gefunden hat, kommt der Möglichkeit, den Hausrat anderweitig unterzubringen eine erhebliche Bedeutung bei.“

    Er hofft nun, dass sich der Rat die Resolution der Bezirksvertretung anschließt und die Stadtverwaltung mit der Umsetzung – also der kostenlosen Einlagerung von Möbeln – unterstützt.

    Resolution der Bezirksvertretung Innenstadt-West:

    „Die Bezirksvertretung Innenstadt-West erklärt sich grundsätzlich solidarisch mit den Problemen, die die Menschen im geräumten Hannibal II haben und möchte die Menschen im Rahmen ihrer (der Bezirksvertretung Innenstadt-West) Möglichkeiten bestmöglich unterstützen.

    Die Firma INTOWN Property Management GmbH hat durch ihr Handeln in den letzten Tagen die Situation dieser Menschen verschärft, in dem für diese Menschen nicht hinnehmbare Fristen gesetzt wurden und ihnen der Zugang und der Zutritt zu ihren Räumlichkeiten verwehrt bleibt.

    Da nicht absehbar ist, wie oft diese Menschen noch in ihre Wohnungen hineinkommen um ihr Hab und Gut herauszuräumen, bittet die Bezirksvertretung Innenstadt-West die Stadt Dortmund unter Zurückstellung jeglicher bürokratischer Hindernisse diesen Menschen geeignete Räumlichkeiten für die Unterbringung von Möbeln zur Verfügung zu stellen.“

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