Serie Ehrenamt im internationalen Dialog: „Die Briten mögen uns. Aber für sie tragen alle Deutschen Lederhosen!“

Rolf Dickel, Deutsch-Britische Gesellschaft
Rolf Dickel leitet die Deutsch-Britische Gesellschaft. Fotos: Klaus Hartmann

Dortmund hat sich verändert. Vor einigen Jahren lebten noch gut 12.000 Briten in Dortmund. Meist Soldaten. „Heute wohnen nur noch rund tausend Briten im Großraum Dortmund. Wenn überhaupt“, sagt Rolf Dickel, Leiter der Deutsch-Britischen Gesellschaft. „Probleme mit der Integration haben sie nicht“, hat Rolf Dickel festgestellt. „Sie fühlen sich bei uns wohl. Sie sind oft mit deutschen Frauen verheiratet, ihre Kinder wachsen zweisprachig auf. Und geschätzt wird auch die soziale Absicherung in Deutschland.“

„In London kenne ich mich mittlerweile besser aus als in Dortmund“

Doch außerhalb Deutschlands ist das Verhältnis noch nicht ganz so rosarot, hat Rolf Dickel festgestellt, der sich seit Jahren ständig auf der britischen Insel aufhält. „Allein in London war ich bestimmt schon sechzig Mal. In dieser Stadt kenne ich mich mittlerweile besser aus als in Dortmund. Und ich habe dort auch viele Freunde.“ Sein Fazit: „Vor allem das Thema Europa spaltet die Deutschen und die Briten. Auch die deutsche Wiedervereinigung hat auf der Insel so manches Stirnrunzeln verursacht. Die Briten hatten Angst vor einer deutschen Großmacht.“

Alte Feindbilder sind auf beiden Seiten verschwunden

Ein deutsch-britisches Feindbild gebe es jetzt aber definitiv auf beiden Seiten nicht (mehr), versichert Rolf Dickel, der auch zu Hause in Deutschland die Gespräche mit vielen Briten und britischen Organisationen pflegt. Vor allem die Generation ab 50 sei sich gegenseitig sehr wohlgesonnen. Da sei von zahlreichen Organisationen und Politikern – nicht nur von der Auslandsgesellschaft NRW und dem ursprünglichen „Länderkreis Großbritannien und Commonwealth“ – in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreiche und gute Arbeit geleistet worden.

Die britische Boulevardpresse befeuert latent die Vorurteile

Erstaunlicherweise hätten aber die jüngeren Menschen Vorurteile, wenn auch keine gravierenden, schildert Dickel. Die britische Boulevardpresse würde dies latent befeuern. „Wir sind halt immer noch die Krautfresser und tragen alle Lederhosen“, erzählt Dickel – eher amüsiert als empört. Nicht nur deshalb hat sich die „Deutsch-Britische Gesellschaft“ neu aufgestellt.

Die Zeiten der vom britischen Militär  dominierten Stadt Dortmund sind ohnehin vorbei, die ganz besondere Form der Begegnungsarbeit ist deshalb kaum noch nötig. Der Fokus liegt nun mehr auf den jungen Deutschen und Briten. Ihnen sollen die Kultur, die Lebensweise und die Ansichten jeweils auf der anderen Kanalseite nähergebracht werden. Neben klassischen Austauschprogrammen, die es Schülern und Jugendlichen ermöglichen, einmal die „andere Seite“ kennen zu lernen, gibt es nach wie vor Besuchsprogramme für Erwachsene.

Einsatz für das Europäische Freiwilligen Jahr und die Städtepartnerschaft

Aber vor allem hat sich Rolf Dickel für eine Beteiligung am Europäischen Freiwilligenjahr eingesetzt. Mit Erfolg. Junge Menschen aus der Dortmunder Partnerstadt Leeds arbeiten bei sozialen Projekten ein Jahr lang in Deutschland mit. Im Gegenzug konnte auch schon mal ein junger Deutscher mit marokkanischen Wurzeln nach Leeds vermittelt werden. Anschließend begann er ein Englisch-Studium. „Mehr Integration und mehr Völkerverständigung ist doch gar nicht möglich“, sagt Dickel begeistert.

Rolf Dickel, Deutsch-Britische Gesellschaft
„Mein Herz ist britisch“, scherzt Rolf Dickel

„Die junge Generation soll die Welt besser verstehen. Unter diesem Motto wollen wir auch die Deutschen und Briten zusammenbringen. Wir wollen Toleranz fördern und Vorurteile abbauen“, sagt Rolf Dickel. Seine Gesellschaft arbeitet dabei eng mit der Partnerorganisation in London, dem Britischen Konsulat in Düsseldorf und zahlreichen privaten Partnern in Dortmund und dem Umland zusammen.

Zudem hegt und pflegt Rolf Dickel mit zahlreichen Veranstaltungen vor der eigenen Haustür den Zusammenhalt und die Freundschaft zwischen den Deutschen und den immer weniger gewordenen Briten. Er stellt regelmäßig mit Kooperationspartnern ein deutsch-britisches Programm auf die Beine: Filmabende in Englisch, Theater für Schüler in englischer Sprache und Whisky-Proben.

Zum 50-jährigen Bestehen reiste unter anderem eine original-schottische Dudelsack-Band an. Und wenn es im Literary-Circle Lesungen mit britischen Autoren, Tee mit Milch und das englische Gebäck Scones gibt, nimmt der Anteil der Gäste mit britischem Pass deutlich zu. Das gilt auch für die alljährliche Burns Night – dem Abend, der dem gleichnamigen schottischen Poeten gewidmet ist.

 „Mein Herz ist britisch“:  Dickel will Jüngere begeistern

Rolf Dickel selbst ist immer mit Begeisterung dabei. „Mein Herz ist britisch“, scherzt der 67-Jährige. Doch er weiß, dass sich nicht nur der britische Bevölkerungsanteil  geändert hat. Sondern auch die Medienwelt. „Mit einem Dia-Vortrag locke ich heute keinen mehr hinterm Ofen hervor. Ich will mit der Zeit gehen und hoffe, dass ich dafür junge Menschen finde, die mich unterstützen.

Englisch-Studenten etwa, oder Schüler, die frische Ideen einbringen und die deutsch-britische Völkerverständigung auch über die modernen Netzwerke weit über die Dortmunder Grenzen hinaustragen und damit ganz neue Dialoge zwischen Deutschen und Briten ermöglichen.“

Zur Person: 
In den 1950er Jahren war Englischunterricht in der Schule noch keine Selbstverständlichkeit. Deshalb belegte der heute 67 Jahre alte Rolf Dickel Englisch-Kurse in der Auslandsgesellschaft. Doch die wahre Liebe zu Großbritannien entbrannte 2001. Als seine Firma Insolvenz anmeldete, suchte sich der gelernte Kfz-Mechaniker eine neue Aufgabe – und landete im Rathaus der Dortmunder Partnerstadt Leeds. „Ich musste viel telefonieren, Meetings für Politiker vereinbaren und Geschäftsbriefe verfassen. Seitdem spreche ich wirklich gut Englisch.“

Zur Deutsch-Britischen Gesellschaft

  • Seit 2002 leitet er die Deutsch-Britische-Gesellschaft, die in Dortmund eine lange Geschichte hat. Schon 1949 gründete die britische Militärregierung in Dortmund die „Brücke“: Angeboten wurden Debattierclubs, Literary Circles und Vorträge. Zudem wurden Reisen nach Großbritannien organisiert.
  • Als die „Brücke“ 1959 geschlossen wurde, entstand daraus der Länderkreis Großbritannien und Commonwealth, der später in Deutsch-Britische Gesellschaft umbenannt wurde. Der Länderkreis war aktiv an der Entstehung der Städtepartnerschaft zwischen Dortmund und Leeds (1969) beteiligt.
  • Zudem gab es einen regen Austausch von Besuchergruppen, auch von Azubis, und einen intensiven Kontakt zu den britischen Militärangehörigen.
  • Seit dem Abzug der Briten im Jahr 1995 hat sich das Stadtbild gewandelt. Unter anderem sind  auf dem Gelände der britischen Rheinarmee das Trainingsgelände von Borussia Dortmund und das neue Wohngebiet Hohenbuschei entstanden. Auch die Europa-Eigenheimsiedlung in Wambel und die neue Automeile an der B 1 liegen auf dem ehemaligen britischen Militärgelände
  • Mehr zu den Aktivitäten der Deutsch-Britischen Gesellschaft

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