Nach fast drei Jahren Planung lassen zwei Schulkonferenzen die Schulentwicklung in der Nordstadt platzen

Schulen in der Nordstadt. Schule am Hafen I, Scharnhorststraße
Die Schule am Hafen mit dem Standort Scharnhorststraße wäre Teil der neuen Gesamtschule geworden.

Seit fast drei Jahren wird über die Schulentwicklung in der Nordstadt diskutiert – mittlerweile liegt ein umfangreiches Paket auf dem Tisch. Doch das scheint Makulatur: Die Entwicklungsplanung ist vorerst abgeblasen, weil die Schulkonferenzen der (Haupt-) Schule am Hafen (503 SchülerInnen an zwei Standorten) und der Gertrud-Bäumer-Realschule (717 SchülerInnen) einhellig die erarbeiteten Vorschläge nun völlig überraschend vom Tisch wischen.

Gertrud-Bäumer-Realschule hatte 2013 einen Hilferuf gestartet

Schulen in der Nordstadt. Gertrud-Bäumer-Realschule
Die Gertrud-Bäumer-Realschule sollte in der neuen Gesamtschule aufgehen. Fotos: Hartmann

Großes Stirnrunzeln bei vielen Bildungspolitikern. Denn Anlass der groß angelegten Debatte, an deren Ende die beiden Schulen in einer neuen Gesamtschule aufgehen sollten, war mit den Schulen ausführlich diskutiert worden.

Es wäre eine zweite Gesamtschule für die Nordstadt entstanden – neben der Anne-Frank-Gesamtsschule, die 805 Schülerinnen und Schüler hat.

Anlass des großen Diskussionsprozesses war ein Hilferuf der Gertrud-Bäumer-Realschule aus dem Jahr 2013. Sie machte deutlich, dass die Schule immer größere Probleme habe, die eigentlichen Ziele der Schule zu erreichen – nämlich den Realschulabschluss, erinnerte Schuldezernentin Daniela Schneckenburger.

Insbesondere der Migrationshintergrund, aber auch die soziale Lage, ziehe einen höheren individuellen Förderbedarf nach sich.

Denn immer mehr Schülerinnen und Schüler, die eigentlich auf die Hauptschule müssten, wurden eine „Bildungsstufe höher“ angemeldet. Die Sorge, dass die Hauptschulen generell geschlossen oder ihr Abschluss bei der Ausbildungsplatzsuche nichts mehr wert sein könnte, ist groß.

Schulen forderten neue Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen

„Aus der G7er Runde der Nordschulen war die Veränderung nachdrücklich eingefordert worden“, betont eine ratlose Schuldezernentin.

Zusammen wollte man sich auf den Weg zu machen. Das Ziel: Bessere individuelle Förderungen in einem neuen System und einer neuen Schulform. Zudem mit der Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde abgestimmt, hätte ein großer Wurf gelingen können. Mit den Schulleitungen, den Vertretungen vor Ort und den Bildungsfachleuten war das abgestimmt.

Natürlich gab es es noch Diskussionsbedarf – sowohl CDU als auch Linke und Piraten hatten Beratungsbedarf angemeldet. Doch dass kurz vor der Schulausschuss beide Schulkonferenzen in einer offenbar abgestimmten Aktion einstimmig gegen die Veränderungen votierten, schlug bei den Schulexperten wie eine Bombe ein.

Elternbefragung hatte für eine zweite Gesamtschule gefordert 

Ganz abgesehen davon: Für die aktuellen Schülerinnen und Schüler hätte sich nichts geändert. Erst nachfolgende Jahrgänge hätten davon profitiert.

Eine zweite Gesamtschule hätte auch dem Elternwillen entsprochen. Das hatte eine aufwendige Elternbefragung ergeben.

„Die Eltern haben durchaus verstanden, dass Bildung der Schlüssel für den späteren Erfolg ist“, fasst die Leiterin des Fachbereichs Schule, Martina Raddatz-Nowack, die Ergebnisse zusammen.

Diese Eltern gucken nun in die Röhre, bzw. müssen sehen, ob sie ihre Kinder in den kommenden Jahren auf der Anne-Frank-Gesamtschule unterbekommen.

Schneckenburger: „Das ist eine verpasste Chance für beiden Schulen“

Schulen in der Nordstadt. Schule am Hafen II, Lützowstraße
Der Standort in der Lützowstraße hätte Oberstufenzentrum der Gesamtschule werden sollen.

„In meiner Bewertung ist das eine verpasste Chance für eine Weiterentwicklung der beiden Schulen, eine Gesamtschule an drei Standorten zu werden“, kommentiert die zuständige Schuldezernentin Daniela Schneckenburger.

Das neue System hätte viele Vorteile gebracht: Trotz dem Zusammenschluss hätte es weiter kleine Einheiten gegeben. Denn an zwei Standorten hätte es nebeneinander die komplette Sekundarstufe gegeben.

Das längere gemeinsame Lernen hätte den Schülerinnen und Schülern den Zugang zu allen Bildungsabschlüssen gegeben. Wer sich dann für das Abitur entschieden hätte, wäre an den dritten Standort gewechselt, zur gymnasialen Oberstufe.

Doch diese Überlegungen sind gestoppt. Die Entscheidung der Schulkonferenzen kämen völlig überraschend, weil die Planungen im dialogischen Abstimmungsprozess vorangetrieben wurden, verdeutlicht Martina Raddatz-Nowack.

Schulfrieden ist zentral: Keine Aktivitäten gegen die Schulkonferenzen

Noch Ende Oktober habe es Gespräche gegeben: „An keiner Stelle war erkennbar, dass die Konferenzen ein solch negatives Votum abgeben würden.“ Denn ihre Wünsche seien berücksichtigt worden.

Zwar wäre die Umsetzung der neuen Pläne auch gegen den Willen der Schulkonferenzen möglich. „Aber alle Bespiele ringsum zeigen, dass man mit massiven Widerständen und Problemen rechnen müste“, verweist Raddatz-Nowack auf die gemachten Erfahrungen.

„Wir wollen Schulfrieden, Verlässlichkeit und Planungssicherheit“, unterstreicht auch Schneckenburger. Das „weiter so“ wird die Schulen nun in Zugzwang bringen. Denn mehr Personal, Ganztagsstrukturen oder räumliche Erweiterungen  – diese wären mit der Gesamtschule einhergegangen – wird es vorerst nicht geben.

Schulen müssen nun selbst Lösungen für die Probleme finden

„Der Ball liegt nun im Feld der Schulen. Wer sein Profil weiterentwickeln will, muss sagen, worin das bestehen soll“, betont Schneckenburger. „Die Lösung der benannten Probleme muss nun in der Schule erarbeitet werden. Wir werden das konstruktiv begleiten.“

Hinweis:

  • Der gesamte Beschlusstext im Wortlaut der beiden Schulkonferenzen war am Mittwoch von der Stadt nicht zu gekommen.
  • Auch waren die Schulkonferenzen nicht erreichbar.
  • Wir werden weiter berichten.

 

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Reaktionen

  1. Cornelia Wimmer

    Offenbar reicht es nicht aus, in der Nordstadt eine Diskussion über SchulFORMEN zu führen. Die Akteure vor Ort führen nämlich eine Diskussion über SchulQUALITÄTEN. Und alles Kopfschütteln über uneinsichtige Eltern und Kollegien verkennt (absichtlich?) dass man den QUALITÄTEN der neugeplanten Schule – mangels klarer Aussagen der Politik! – nicht recht trauen wollte.
    Ein nach einer Verschnaufpause wieder aufzunehmendes Gespräch sollte diese anzustrebenden Qualitäten in den Vordergrund stellen.
    Im Dortmunder Norden gibt es eine Fülle beispielhafter Erfahrungen zum Thema Schule, gute, sehr gute und auch schlechte. Man könnte eine Arbeitsgruppe von einschlägig Sachverständigen mit Nordstadterfahrung zusammenstellen, die einer geeigneten Umgestaltung der Schullandschaft Nordstadt Kontur geben würde. Unter Einbeziehung solchen Sachverstands könnte ein Konzept entstehen, dem dann sicher nicht das NEIN ! der beteiligten Eltern und Kollegen entgegenprallen würde.

  2. Brigitte Jülich

    Ich bin sehr überrascht über den Beschluss der Schulpflegschaften.

    Das Vorhaben die Hauptschule „Am Hafen und die Gertrud-Bäumer-Realschule in eine neue Schulform umzuwandeln wurde von den Leitern dieser Schulen seit Jahren vorangetrieben.
    Ein von ihnen erarbeitetes Modell wurde Grundlage vieler Gespräche mit Politik und Verwaltung.
    Nach Möglichkeiten zur Umsetzung wurde lange gesucht. Dass sich das Modell im Laufe der Zeit verändert hat, ist der Machbarkeit geschuldet. Wesentliche Punkte der ursprünglichen Idee blieben erhalten.
    Ich frage mich ob es so gravierende Mängel gab, die sich nicht durch Gespräche mit allen Beteiligten aus Welt schaffen ließe. Auch ist eine Optimierung nach Änderungen der Schulformen im laufenden Betrieb kein Ding der Unmöglichkeit.
    Wir haben eine Chance für unseren Stadtbezirk vertan.
    Schade

  3. Linke & Piraten

    Fraktion DIE LINKE & PIRATEN: Eine neue Schule im Norden muss neu gedacht werden

    Das städtische Konzept zur Umgestaltung der Hauptschule am Hafen und der Gertrud-Bäumer -Realschule zu zwei Standpunkten einer Integrierten Gesamtschule mit separater Oberstufe in der Lützowstraße ist vom Tisch. Nach Bedenken gegen das Konzept in der vorliegenden Form aus den Reihen der Politik haben nun die beteiligen Schulkonferenzen eindeutig nein dazu gesagt.

    Die Stadt gibt sich überrascht und gekränkt. Die Initiative zu der Veränderung sei doch von den Schulen selbst ausgegangen, man habe sich gemeinsam und im Dialog auf den Weg nach einer Lösung gemacht. Was ist nur schiefgegangen?

    Linke und Piraten sehen das so:
    Der Prozess der Umgestaltung sollte in zwei klar getrennten Schritten ablaufen: Zuerst die Richtungsentscheidung: Was für eine Schulform? Dann die inhaltliche Ausgestaltung: Wie soll die Schule arbeiten? Jeder Standort separat oder als Zweigstelle eines Ganzen? Jeder Standort mit einer faktischen Leitung oder eine Schulleitung für drei Standorte? Variabler Einsatz der Lehrerinnen und Lehrer, wo gerade Bedarf ist oder eine eher feste Zuordnung? Ein Schulsozialarbeiter für drei Standorte oder für jede Schule einen? Äußere oder innere Differenzierung? Welche Personalausstattung? Wo etwas zu essen und was zu essen?

    Wer von den Beteiligten erwartete, sie würden einer Umgestaltung „blanko“ zustimmen, ohne Sicherheiten in den entscheidenden inhaltlichen Anliegen zu haben, wurde nun eines Besseren belehrt. Die Katze im Sack ist eben zu Recht unverkäuflich.

    Wie weiter? Die Nordstadt verfügt über eine Fülle von Erfahrungen im Bildungsbereich, gute und weniger gute. Es dürfte leicht möglich sein, aus diesen Erfahrungen die Bedingungen für ein geeignetes Schulkonzept zu entwickeln, das die Entscheidung für eine Schulform mit Fragen der Ressourcen und der konzeptionellen Arbeit verbindet. Eine solche Lösung, im wirklichen Dialog erarbeitet, würde mit Sicherheit breit mitgetragen. Auch von Linken und Piraten.

  4. CDU-Fraktion in der BV Innenstadt-Nord

    Die CDU-Fraktion in der BV Innenstadt-Nord zeigt sich erfreut über das couragierte Votum der Schulkonferenzen der Getrud-Bäumer-Realschule und der Schule am Hafen.

    Wenngleich überraschend, ist diese Entscheidung doch keineswegs unbegründet:
    Seit einigen Jahren haben die beiden Schulleiter in unzähligen Gesprächsrunden und Diskussionen mit allen Akteuren ihr Modell einer zukünftigen Schullandschaft in der Nordstadt erläutert und beständig weiterentwickelt. Von diesem Modell ist in der Vorlage der Schulverwaltung aber kaum mehr geblieben, als die Auflösung der beiden bisherigen Schulen als Real-, bzw. Hauptschule.

    Dazu Fraktionssprecher Dorian Marius Vornweg:
    „Kernelement des Modells der Schulleiter waren kleine Systeme. Die Schülerinnen und Schüler sollten eine möglichst große Bindung zueinander, an ihre Schule, ihre Lehrerinnen und Lehrer und ihr unmittelbares Umfeld entwickeln, sie sollten in ihrer Entwicklung intensiv begleitet werden. Die Vorlage der Schulverwaltung hat dieses Kernelement völlig missachtet und stattdessen eine einzige große Gesamtschule vorgesehen. Das ablehnende Votum der beiden Schulkonferenzen ist deshalb sehr konsequent.“

    Getrud-Bäumer-Realschule und die Schule am Hafen genießen, auch in ihrer bisherigen Form, einen ausgezeichneten Ruf und stehen exemplarisch für erfolgreiche Arbeit in einem vielfältig strapazierten Umfeld. Die CDU-Fraktion in der BV Innenstadt-Nord wird sich dafür einsetzen, beide Schulen auf ihrem eingeschlagenen Weg zu stärken und ihnen die Unterstützung zukommen zu lassen, die für weiterhin erfolgreiche Arbeit benötigen.

  5. Alexandra Keßler

    Fazit, die Schulen haben sich dazu entschieden, das zu bleiben, was sie sind. Eine Haupt- und eine Realschule. Ein Statement! Wem tut das jetzt weh???

  6. GEW Dortmund

    GEW Dortmund kritisiert den Vorschlag als Billig-Modell: Die Entscheidung der Nordstadtschulen nachvollziehbar

    Die GEW Dortmund kann die Entscheidung der beiden Nordstadtschulen nachvollziehen. Der Vorschlag der Verwaltung bedeutete, eine „neue“ Schule an drei Standorten in den alten Schulgebäuden über die Nordstadt zu verteilen, und dies alles kostenneutral. „Den beiden Schulen wurde ein Billig-Modell Gesamtschule vorgestellt, dass so nicht funktionieren konnte“, kritisiert die GEW Dortmund das Vorgehen der Stadt.

    Gleichzeitig bedauert die GEW, dass die notwendige Veränderung in der Dortmunder Schullandschaft einen weiteren Rückschlag erlitten hat.. „Die Real- und Hauptschule sind so auf Dauer nicht haltbar und die bestehende Gesamtschule muss unbedingt gestärkt werden“, erklärt der GEW-Vorsitzende Volker Maibaum. An dieser Ausgangslage habe sich nichts geändert.

    Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen waren die betroffenen Schulen aus Sicht der GEW nie richtig einbezogen. Die diversen Konzepte der letzten fünf Jahre war Ideen von Schulleitungen, die häufig schulrechtlich nicht umsetzbar waren. So wurde zeitweise den Kollegien suggeriert, die bestehenden Schulen können direkt in Gesamtschulen umgewandelt werden.

    Das Ergebnis der Elternbefragung war lange Zeit geheim und wurde nie in den Schulen zwischen den Verantwortlichen und Betroffenen ausgewertet. „Die Verwaltung, der Schulausschuss, die Bezirksregierung, alle haben immer nur mit Schulleitern gesprochen,“ kritisiert die GEW diesen Prozess, „niemand ist in die Schulen, in die Kollegien gegangen und hat über die Konzepte mit den Menschen in der Schule diskutiert.“ Auch kritisiert die GEW, dass die bestehende Anne-Frank- Gesamtschule durch die Veröffentlichungen der Elternbefragung seit dem Frühjahr mehr unter Druck gesetzt als einbezogen wurde, so dass auch hier keine Aufbruchstimmung entstehen konnte.

    „Wer in Dortmund die Schullandschaft verändern will, muss den Menschen in den Schulen deutlich machen, dass sich die Lernbedingungen der Schüler und die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte verbessern“, erklärt der GEW Vors. Maibaum. Dies bedeute auch, dass man Geld in die Hand nehmen müsse.

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