Wo Solidarität Gemeinschaft in Vielfalt schafft: Engagement im Ehrenamt mit dem „Engel der Nordstadt“ ausgezeichnet

Neujahrsempfang im DKH: Preisverleihung Engel der Nordstadt
„Engel der Nordstadt 2018“ beim Neujahrsempfang im Dietrich-Keuning-Haus: Wertschätzung für das Ehrenamt

Mindestens zwei überraschte PreisträgerInnen, eine Gruppe Ehrenamtlicher, deren Liste von Aktivitäten endlos scheint: die Nordstadt hat wieder das uneigennützige Engagement von Menschen gesehen, für die ihr „Ich“ zugleich ein „Du“ oder „Wir“ ist. Als „Engel der Nordstadt 2018“ wurde ihr unermüdlicher Einsatz bei einer feierlichen Preisverleihung zum Neujahrsempfang im Dietrich-Keuning-Haus (DKH) gewürdigt.

„Engel der Nordstadt“: Klaus Winter, Autor der „Nordstadt-Geschichte(n)“ und vieles mehr

Klaus Winter (M.) mit Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder (r.) und Martin Gansau, Büroleiter des Quartiersmanagements Innenstadt-Nord

Nach der Preisübergabe, mit dem Nordstadtengel vor sich auf dem Tisch, brummt Klaus Winter irgendetwas Unverständliches vor sich hin, so wie: „ … mit jemand noch ein Wörtchen zu reden“ – und versucht, weil sichtlich gerührt, besonders grimmig dreinzuschauen, so als habe gerade er es nicht verdient.

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Bis zum Schluss, versichert eine Kollegin, hätte er keine Ahnung gehabt, was ihm da „bevorstand“. Der Historiker und Heimatforscher – von Berufswegen eigentlich Versicherungsmathematiker – ist einer von drei Preisträgern, denen am Samstagnachmittag die diesjährige Auszeichnung „Engel der Nordstadt“ verliehen wurde.

Einen Namen hat sich Klaus Winter – unter anderem – durch seine spannende(n) „Nordstadt-Geschichte(n)“ gemacht. Als Autor und nicht mehr wegzudenkender Teil des Nordstadtblogger-Teams veröffentlichte er in der Vergangenheit immer wieder die Früchte seiner minutiösen Forschung zur Lokalgeschichte in dem Blog.

Lokale Geschichten: in die Gegenwart findet lebendige Vergangenheit zurück

Geht doch: der Mann hat’s verkraftet und strahlt.

Er wäre nicht übertrieben, zu behaupten: „Begibst Du Dich zu einem Ort in der Nordstadt, über dessen Vergangenheit Klaus Winter geschrieben hat, fliegst Du mit ihm durch die Zeit und spürst Dich überall lebendig!“

Ob es sich um den Fredenbaumpark, die Schienenquerung zur Nordstadt Richtung Münsterstraße oder um ein Grubenunglück auf Schacht Kaiserstuhl I handelt, bei dem in Dortmund 62 Bergleute im Jahr 1893 ums Leben kamen – es entstehen neue Bilder für den mit seinen Expertisen geschärften Blick.

Die immense Bedeutung solcher Bemühungen um Vergegenwärtigung, auch für den Stadtteil, fasst Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder in seiner Laudatio zusammen: diese Aufarbeitung von historischen Themen sei „großartig und für künftige Generationen ganz wichtig.“ – Verstandene Vergangenheit ist Zukunft.

Vergessene Geschichten: Restauration und Erfassung alter jüdischer Friedhöfe in Dortmund

Dies gilt auch für die vielen anderen Arbeitsfelder des passionierten Sammlers von Postkarten, zu deren Motiven er übrigens immer noch Geschichten sucht. Ein Gerücht besagt, dass ein „Freitags-Klaus“ deswegen einmal wöchentlich abends im „Grünen Salon“ anzutreffen wäre.

Besonders hervorzuheben: sein Bemühen um die alten jüdischen Friedhöfe in der Stadt. Auf seine Initiative hin werden nun auf dem Kulturareal – im Rahmen der vorhandenen finanziellen Möglichkeiten – Grabsteine identifiziert, Inschriften übersetzt und digitalisiert.

Es sind vergessene Geschichten aus dunklen Zeiten, die darauf stehen, dort symbolisiert werden. Für die in der Gegenwart wie Zukunft ein Platz sein muss, damit sie nicht erneut geschrieben werden müssen.

Neben seinem Engagement in vielen anderen Projekten, beschäftigt sich Klaus Winter augenblicklich mit der Geschichte des Dortmunder Schlachthofs. Der stand nebst „Hallenbad Nord“ dort, wo jetzt das DKH ist – die Älteren werden sich an den Gestank in der Umgebung genauso erinnern wie an die Chlorbrühe im Schwimmbecken mit der Balustrade.

MigrantInnen helfen Geflüchteten, die 2015 Dortmund erreichen: Nabila und Abir El Mafaalani

Nabila und Abir El Mafaalani; Uta Wittig-Flick verwaltet den Engel.

Feierlich gewürdigt wurden beim Neujahrsempfang im Dietrich-Keuning-Haus (DKH) – „das Herz der Nordstadt“, so Bürgermeisterin und Vorsitzende des Fördervereins Birgit Jörder in ihrem Grußwort – ebenfalls Nabila und Abir El Mafaalani.

Mutter und Tochter erhielten den Preis für ihr jahrelanges Engagement in der Flüchtlingshilfe; auch sie wussten nach eigenem Bekunden nichts von ihrem Glück.

Ein beispielloser Einsatz, betont Uta Wittig-Flick vom Amt für Stadterneuerung.

Tätig waren die beiden Frauen seit 2015, als die Züge aus Ungarn von jetzt auf gleich in den Dortmunder Hauptbahnhof einrollten und das Ehrenamt in der Stadt zusammen mit dem DKH und vielen helfenden Händen zur Unterstützung bereit stand.

Wo immer sie konnten und gebraucht wurden, Nabila und Abir El Mafaalani brachten sich nach Kräften ein. Neben vielen anderen Tätigkeiten übersetzten sie vom und ins Arabische, gaben Kindern und Jugendlichen Nachhilfe, halfen Geflüchteten bei der Wohnungssuche und Beschaffung von Ersteinrichtungen oder begleiteten sie zu Ämtergängen; speziell für Frauen organisierten sie ein spezielles Beratungs- und Unterstützungsangebot.

Kirche hautnah, vom Hafen bis zum Borsigplatz: Ehrenamtliche der Gemeinde Heilige Dreikönige

Nicht die schlechteste Nachricht: die Ehrenamtlichen der Hl. Dreikönige Gemeinde sind die größte bislang ausgezeichnete Gruppe

Schließlich wurde die große Gruppe von Ehrenamtlichen aus der Katholischen Gemeinde Heilige Dreikönige mit dem „Engel der Nordstadt“ geehrt. Die 40 Männer und Frauen um die Großpfarrei von Ansgar Schocke leben seit langem mit und in unzähligen Initiativen ihre Kirche vor Ort, ganz nah und praktisch – und sind damit die starken Schultern der Gemeindearbeit.

Denn ihr – über die Quartiere Hafen, Nordmarkt und Borsigplatz reichendes – soziales Engagement übertrifft alle Üblichkeiten: es geht vom Jugend-Café, Gast-Kirche, Sonntagsfrühstück für Bedürftige über Seniorengruppen, Jugendfreizeit, Tanzgruppen bis zum Kirchchor, dem Singkreis und Sommergarten zu Kellerkindern, Gartenarbeiten und Familienkreisen. Wohlgemerkt: dies ist nur eine übersichtliche Auswahl.

Was die „Engel“ miteinander verbindet: ein außergewöhnliches, vorbildliches Engagement. Von einzelnen oder einer Gruppe von Menschen, und insbesondere für soziale Zwecke: was bedürftigen Mitmenschen, der Gemeinschaft, dem Allgemeinwohl dient. Das soll anerkannt werden.

Praktische Solidarität verbindet: Anerkennung durch Rekordzahl an Gästen im DKH

Deshalb steht die alljährliche Verleihung für ausdrückliche Wertschätzung des vorbildlichen Einsatzes dieser BürgerInnen: freiwillig, unentgeltlich und oftmals im Stillen. Dabei opfern sie ihre Zeit, ihre Kraft, nicht selten auch finanzielle Mittel uneigennützig für das Wohl anderer und des Stadtteils.

Levent Arslan, Direktor des DKH

Ob durch Engagement für die vielen Belange Zugewanderter, in Jugend- und Freizeiteinrichtungen, in Nachbarschaftsinitiativen, beim Sport, in Bildungseinrichtungen oder Kulturbereichen.

Helfen, wo Hilfe nötig ist: nicht nur, weil an diesen Stellen der Staat seinen Verpflichtungen vielleicht nicht nachkommt. Sondern besonders auch deshalb, weil praktische, alltägliche Solidarität Menschen untereinander verbindet und für ein friedliches und respektvolles Miteinander unentbehrlich ist. Nicht umsonst werden die unzähligen ehrenamtlichen Tätigkeiten als „Kitt der Gesellschaft“ bezeichnet.

Dieses Motiv konnte sich sehen lassen. Das zeigte sich an der Besucherzahl bei der Verleihung: mit über 240 Gästen sei in diesem Jahr der Rekord geknackt worden, bestätigt Levent Arslan.

Einzigartigkeiten unter einem Dach im DKH: AktivistInnen, Kupfer- und Nordstadtengel

Christian Schmitt stiftete den „Engel der Nordstadt“

Hinzu kommt: die Verankerung im Stadtteil – zutiefst kooperativ über Vernetzung mit den dortigen Akteuren – und deren Strahlkraft (bis ins Kreuzviertel). Ansonsten gäbe es das DKH in der bestehenden Form nicht, erklärt der neue Direktor der Kultur- und Begegnungsstätte.

Was die städtische Vorzeigeeinrichtung mit den gekürten „Engeln“ eint: die Intention, ein gutes Zusammenleben zu fördern. Daher kann Levent Arslan als Info zur Realisierung mit einem Satz zusammenfassen, was er häufig von den vielen, bunten Aktiven im DKH höre: „Wir fühlen uns hier zuhause“.

Ein gemeinsames Dach für Vielfalt, Toleranz, Einzigartigkeit. Dazu passen die verliehenen Nordstadtengel: wie die geehrten EhrenamtlerInnen ist ein jedes Engelchen Unikat – eine im Kunsthandwerk individuell angefertigte Kupferskulptur. Der Preis wird zum 14. Mal seit 2005 vergeben und gesponsert vom Ideengeber, Christian Schmitt.

„Engel der Nordstadt“: Vorbildcharakter vom Engagement soll in die Öffentlichkeit

Comedian Fatih Çevikkollu
Comedian Fatih Çevikkollu

In seiner Laudatio auf die Ehrenamtlichen der Pfarrei Heilige Dreikönige macht der Geschäftsführer des seit 1894 in Dortmund beheimateten Familienunternehmens, dessen Geschichte nicht immer gradlinig verlief, klar, welcher Beweggrund für die Initiative zur Vergabe der Auszeichnung ausschlaggebend war: Jene, „die sich für die Nordstadt, für Bedürftige und für Nachbarschaften aller Art einsetzen, sollten anderen Vorbild sein.“

Dies zu verdeutlichen, auch deshalb wurde öffentlich geehrt. Entwicklungspsychologisch formuliert, könnte vom „Lernen am Modell“ gesprochen werden. Darin liegt im Erwachsenenalter eine gewisse Schwere, wegen der erforderlichen Aufmerksamkeit und Anstrengung, es Nordstadtengeln gleichzutun oder für den guten Zweck als MultiplikatorIn zu fungieren.

Für ein wenig Auflockerung war zwischenzeitlich gesorgt: Comedy mit dem Schauspieler und Kabarettisten Fatih Çevikkollu, der das DKH nicht erst seit gestern kennt.

Zur Auflockerung: Comedy und Rap von „Sons of Gastarbeita“ feat. SOG – Next Level

SOG – Next Level

Einmal am Mikro, nimmt der Comedian die „ausgelassene, entspannte Atmosphäre“ im Saal mit Zielrichtung auf das Durchschnittsalter der Gäste aufs Korn.

Die bekommen eine kleine, mit zivilisationskritischen Einsprengseln garnierte Geschichte des Übergangs vom Industrie- ins Informationszeitalter zu hören.

Und ganz nebenbei, wie gängige Stereotype und Dummheiten des rechten Spektrums mit politischem Biss und Witz auf die Schippe genommen werden können.

Zum Narrativ gehört allerdings auch, die Alten in ihrer Technologievergessenheit als MigrantInnen in der digitalen Welt zu begrüßen, wo er sie nach W-LAN-Kabeln suchen lässt und ihnen nur wenig Hoffnung machen kann, dass das aufhört.

Für die musikalische Begleitung sorgten wie im letzten Jahr zwischenzeitlich die Hagener Rapper „Sons of Gastarbeita“ feat. SOG – Next Level – bekannt für politische Texte und ihr Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung.

Ebenso moderierten wieder mit Charme: Özge Cakirbey und Esther Festus; letztere auch am Flügel.

Weitere Informationen:

  • Das Quartiersmanagement Nordstadt nimmt die Vorschläge jedes Jahr entgegen und organisiert die Veranstaltung zur Preisverleihung in Kooperation mit dem DKH
  • Ausgewählt werden die Preisträger nach den eingegangenen Nominierungen von der Lenkungsgruppe des Stadtbezirksmarketings Innenstadt-Nord. Vorsitzender: Christian Schmitt

 

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