Vom „Spiel auf Zeit“ und dem Warten auf Entschädigung: Am 7. Oktober Lesung und Lichtbildvortrag in der Steinwache

Argyris Sfountouris. Er hat das Massaker in Distomo, Griechenland überlebt und ist einer der im Buch der beiden Porträtierten.
Argyris Sfountouris hat das Massaker in Distomo überlebt und ist einer der Porträtierten.

Seit Jahren erzählen die Journalistinnen Nina Schulz und Elisabeth Mena Urbitsch die Geschichten von NS-Verfolgten und ihren Kämpfen um Anerkennung und Entschädigung. Die Mehrheit dieser Menschen hat eine solche bis heute nicht erhalten – und mehr als 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind diese Bemühungen auch ein „Spiel auf Zeit“. Aus ihrem gleichnamigen Buch lesen die Autorinnen am Freitag, 7. Oktober, in der Steinwache in Dortmund.

Verletzung elementarer rechtstaatlicher Prinzipien in den Verfahren um sogenannte Ghettorenten

Im September haben sich das Justizministerium NRW und der Essener Sozialrichter Jan-Robert von Renesse außergerichtlich geeinigt. Renesse war vorgeworfen worden, das Ansehen der Justiz NRW beschädigt zu haben, weil er die Verletzung elementarer rechtstaatlicher Prinzipien in den Verfahren um sogenannte Ghettorenten als Missstand bezeichnet hatte.

Das dazugehörige „Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus der Beschäftigung in einem Ghetto“ (ZRBG) wurde 2002 verabschiedet, war jedoch lange Zeit so eng aufgefasst, dass bis 2007 95 Prozent der bis dahin gestellten Anträge abgelehnt wurden.

Jan-Robert von Renesse entschied als erster NRW-Richter nicht nach Aktenlage, sondern hörte Betroffene persönlich an, unter anderem in Israel. Seit 2009 beschäftigen sich die Journalistin Nina Schulz und die Fotografin Mena Urbitsch ebenfalls mit dem Thema.

Sie begleiteten den Sozialrichter bei einer dieser Reisen, begegneten Menschen, die ihnen ihre Geschichten vom Überleben des Holocaust, vom Kämpfen und vom Scheitern vor deutschen Gerichten erzählten.

Reportage „Spiel auf Zeit“: Gesammelte Arbeiten in einem Buch erschienen

Ihre Reportage „Spiel auf Zeit“, die 2010 schon in bodo erschien, wurde 2010 mit dem Alternativen Medienpreis ausgezeichnet.

Nun sind ihre gesammelten Arbeiten in einem Buch erschienen, in dem sie nicht nur berührende Porträts von außergewöhnlichen Menschen zeichnen, sondern auch das brüchige Bild dekonstruieren, die Bundesrepublik Deutschland habe sich nach dem Zweiten Weltkrieg seiner Verantwortung um Entschädigung und „Wiedergutmachung“ gestellt.

„Mit jeder neuen Begegnung“, schreiben die Autorinnen im Vorwort, „mit jeder neuen Geschichte kristallisierte sich für uns zunehmend ein Muster heraus: eine Systematik, mit der bestimmte NS-Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit weder anerkannt noch entschädigt werden.“

Lesung mit Lichtbildvortrag in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache

Am Freitag, 7. Oktober, erzählen Nina Schulz und Mena Urbitsch einige dieser Geschichten. Beginn der Lesung mit Lichtbildvortrag ist um 19 Uhr in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, Steinstraße 50, Dortmund.

„Spiel auf Zeit“ ist auf Platz zwei der Hotlist der besten Bücher des Jahres 2016 der unabhängigen Verlage.

Eine gemeinsame Veranstaltung von bodo e.V., der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, des Planerladen, migrantenpop und der Kulturbetriebe der Stadt Dortmund.

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