Eintreten gegen Antisemitismus, Rassismus und Neonazismus:

Vielfältige dezentrale Gedenkformate erinnern in Dortmund an die Pogromnacht vor 83 Jahren

Performatives Gedenken am Jahrestag der Pogromnacht auf dem Platz der Alten Synagoge in Dortmund. (Archivbild) Thomas Engel | Nordstadtblogger

In diesem Jahr jähren sich die nationalsozialistischen ‚Novemberpogrome‘ zum 83. Mal. Am 9. November 1938 kam es im ganzen Land zu organisierten antisemitischen Angriffen: Synagogen wurden in Brand gesetzt, jüdische Einrichtungen, Wohnungen und Geschäfte wurden zerstört und geplündert. Auch in Dortmund brannten Synagogen. Die Pogrome markierten einen gewalttätigen Übergang zu der systematischen Verfolgung von jüdischen Menschen in Deutschland, die in der Shoah mündete. Aus diesem Anlass gibt es in Dortmund erneut eine Reihe von Gedenkveranstaltungen.

Erneut Gedenken zur Pogromnacht in Dorstfeld am 9. November 2021 

Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Bereits um 15 Uhr findet am 9. November eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Pogromnacht am jüdischen Mahnmal in Dorstfeld statt. Mit Rede- und Kulturbeiträgen soll dort den Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen gedacht werden und ein Zeichen gegen aktuellen Antisemitismus gesetzt werden. 

Unter anderem wird Kantor Moses der jüdischen Gemeinde Dortmund, Bürgermeister Norbert Schilff sowie Friedrich Fuß, Bezirksbürgermeister Innenstadt-West, Worte an die Teilnehmenden richten. Schüler:innen der Courage-AG des Reinoldus- und Schiller-Gymnasiums werden sich mit eigenen Texten zu den Themen Gedenken und Antisemitismus beteiligen. Musikalisch begleitet wird das Gedenken durch die Musikschule Dortmund. Organisiert wird die Gedenkveranstaltung durch das Projekt Quartiersdemokraten.

Veranstalter ist der Verein zur Förderung von Respekt, Toleranz und Verständigung in Dortmund-Dorstfeld e.V.: „Die Erinnerung an diese schrecklichen Ereignisse aufrechtzuerhalten liegt in unserer Verantwortung. Deswegen werden wir auch in diesem Jahr mit der Dorstfelder und Dortmunder Zivilgesellschaft gemeinsam an die Opfer des NS-Regimes erinnern und zeigen, dass Antisemitismus in Dortmund konsequent bekämpft werden muss“, betont die Vereinsvorsitzende Birgit Miemitz.

Erinnerung an die Nazi-Verbrechen als Zeichen gegen heutigen Antisemitismus

Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die Veranstaltung soll neben der Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen auch ein Zeichen gegen den aktuellen Antisemitismus setzten: „Mit dem Gedenken wollen wir auch darauf aufmerksam machen, dass antisemitische Ressentiments sowie Angriffe und Gewalttaten eine akute Bedrohung für Jüdinnen und Juden darstellen. Insbesondere im Kontext der Covid-19-Pandemie haben antisemitische Verschwörungserzählungen Aufschwung erfahren und es ist eine Notwendigkeit, dagegenzuhalten“, erklärt Vivianne Dörne, Mitarbeiterin im Projekt Quartiersdemokraten.

Begleitet wird die Versammlung bereits ab 14 Uhr von einem Rahmenprogramm auf dem Wilhelmplatz, bei dem Dortmunder Schulen und Organisationen ihre Arbeit zu den Themen Nationalsozialismus, Gedenken und Antisemitismus vorstellen und zum Austausch einladen. Hier werden sich unter anderem die Emscherschule Aplerbeck, die Beratungsstelle Adira sowie das Gymnasium an der Schweizer Allee präsentieren. 

Ebenso werden auch der Jugendring Dortmund, das CVJM in Dorstfeld und die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache vertreten sein. Besucher:innen können sich hier über die jeweilige Arbeit informieren und ins Gespräch mit den einzelnen Ausstellern kommen. 

Stadt und jüdische Gemeinde laden zum Gedenken am Platz der Alten Synagoge

Anlässlich des 83. Jahrestages der Pogromnacht am 9./10. November 1938 lädt die Stadt Dortmund zu einem Gedenken am Dienstag, 9. November 2021, 17.30 Uhr, im Foyer des Opernhauses ein. 

Gedenken an die Pogromnacht im Foyer der Oper.
Das Gedenken an die Pogromnacht im Foyer der Oper wirft ein Schlaglicht auf „Borussia verbindet“. Foto: Klaus Hartmann für Nordstadtblogger.de

Ab 17 Uhr findet auf dem Platz der Alten Synagoge eine theatral-musikalische Aktion der Jugendclubs des Theater Dortmund statt. Auf dem Platz der Alten Synagoge präsentiert zudem der World Jewish Congress die Präsentation #WeRemember – Novemberpogrome 1938 in der virtuelle Rekonstruktionen der 1938 zerstörten Synagogen an den jeweiligen historischen Standorten gezeigt werden. 

Neben musikalischen Beiträgen der Musikschule Dortmund wird es Ansprachen von OB Thomas Westphal sowie von Zwi Rappoport, dem Vorsitzenden des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe und Vorstand der Jüdischen Kultusgemeinde Dortmund geben.

Daniel Lörcher, Leiter „Corporate Responsibility“ bei Borussia Dortmund wird ein Schlaglicht auf das Thema „Borussia verbindet! Gemeinsam erinnern. Gemeinsam gegen Antisemitismus“ werfen. Nach einem Gebet von Kantor Arie Mozes wird die Kranzniederlegung auf dem Platz der Alten Synagoge stattfinden.

Ökumenisches Gedenken zur Erinnerung an die Pogromnacht im November 1938

In der Ev. Stadtkirche St. Petri (Westenhellweg Nähe Hbf) wird 9. November 2021 um 19 Uhr ein ökumenisches Gedenken unter dem Motto „Erinnern – Stille – Gebet – Musik“ stattfinden. Die Gesellschaft Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen  wollen auf einer persönlichen Ebene an den 9. November 1938 und seine Folgen erinnern. 

„Niemals vergessen” möchten sie die Namen der Dortmunder Jüd*innen, die nach Theresienstadt deportierten wurden. Ihre Namen liegen vom 9. bis zum 12. November 2021 wie ein Gedenkweg in St. Petri. Beim Ökumenischen Gedenken am 9. November können Kerzen für sie angezündet werden. 

Schüler*innen der Jahrgangsstufe 8 folgen den Spuren, auf die sie die Biographie-Bruchstücke führen. Sie berichten über das Schicksal der jüdischen Ehepaare Silberberg, Salmagne und Blankenstein aus Dortmund. Gestaltet wird die Veranstaltung von Annette Back, (Christlich-Jüdische)  und Christel Schürmann (Ev. Kirche). Für Musik sorgen Franziska Matz (Cello) und Luise Matz (Flöte).

„Scherbenspur zum Gedenken an die Reichspogromnacht“ in Hörde

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen, wurden jüdische Wohnungen und Geschäfte zerstört und geplündert, jüdische Menschen gejagt, verletzt und getötet, verhaftet und in die Konzentrationslager verschleppt. Auch Dortmund und speziell auch Hörde wurden von diesem zentral gesteuerten Pogrom nicht verschont. 

Die Synagoge in Hörde ging in Flammen auf, 75 Prozent der erwachsenen jüdischen Mitbürger*innen wurden verhaftet und in die Steinwache verschleppt. Nicht nur in der total verwüsteten Innenstadt bot sich ein Bild der Verwüstung, die Nazis zwangen jüdische Mitbürger*innen, barfuß über die mit Glassplittern bedeckten Straßen zu laufen. Nach diesem Tag gelang es nur noch wenigen Dortmunder Jüdinnen und Juden, ins Ausland zu fliehen und den Vernichtungslagern der Nazis zu entkommen.

„Die Geschichte mahnt: Kein Schweigen zu Antisemitismus, Rassismus und Neonazismus! Die Erinnerung an diese grauenvolle Nacht muss wach gehalten werden!“, betont das Bündnis Dortmund gegen Rechts.  „Auch heute ist es dringend geboten, Antisemitismus, Rassismus und Neonazismus entgegenzutreten, den hiervon Betroffenen Solidarität zu zeigen und in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens Schutz zu geben. Wir dürfen nicht schweigen“, betonen die Antifaschist:innen. 

In diesem Sinne organisiert das Bündnis mit Unterstützung der VVN/ BdA die Aktion „Scherbenspur zum Gedenken an die Reichspogromnacht“. Sie findet am 10. November 2021 von 16.30 bis 17.30 Uhr in der Hörder Fußgängerzone (Hermannstraße Ecke Hörder Rathausstraße) statt. Es werden Berichte von Hörder Augenzeug:innen gelesen und Bezüge zu aktuellen antisemitischen und rassistischen Verbrechen und Tendenzen hergestellt. Musikalische Beiträge kommen von Eva Weber und Peter Sturm.

Ausstellung „Jetzt erst Recht! Stop Antisemitismus“ in der Berswordthalle

Gruppenbild zur Eröffnung (v.l.): Shlomit Lehavi  und Sharon Adler, Julian Becker und Andrea Ullrich, Klaus Seelig, OB Thomas Westphal, Michael Plackert und Manfred Kossack. Foto: Anja Kador / Stadt Dortmund

Bundesweit wird 2021 das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ begangen. Die Stadt Dortmund beteiligt sich mit verschiedenen Veranstaltungen und setzt damit ihr Engagement für Weltoffenheit, Vielfalt und Toleranz und gegen jede Form von Antisemitismus fort. 

Für jüdische Menschen in Deutschland ist Antisemitismus auch im Jubiläumsjahr eine Alltagserfahrung. In sozialen Medien, Sportvereinen, Schulen und Betrieben und im öffentlichen Raum werden judenfeindliche Hassbotschaften immer aggressiver und häufiger artikuliert. Statistiken belegen eine Zunahme antisemitischer Straftaten. 

Um Antisemitismus abseits anonymer Fallzahlen abzubilden und zu bekämpfen, führt die Stadt Dortmund in Kooperation mit dem Online-Magazin und Informationsportal AVIVA-Berlin seit Anfang 2021 das Interview- und Fotoprojekt „Jetzt erst Recht! Stop Antisemitismus“ durch. Dreizehn Jüdinnen und Juden aus Dortmund bringen in dem Projekt ihre individuellen Erfahrungen und Perspektiven in ausführlichen Interviews und prägnanten Anti-Antisemitismus-Statements ein. 

„Jude sein ist prima! Allein der Hass auf Juden ist abscheulich“ 

Initiatorin Sharon Adler (vorne links) konnte zur Ausstellungseröffnung in der Berswordthalle einige der Mitwirkenden am Interview- und Fotoprojekt sowie Vertreter*innen der Koordinierungsstelle Vielfalt, Demokratie und Toleranz begrüßen. Foto: Anja Kador / Stadt Dortmund

„Dafür einstehen, dass wir in der Öffentlichkeit nicht mehr unsere Davidstern-Ketten oder Kippot verstecken müssen“, sagt Elisa Lubarov, Studentin an der TU Dortmund. „Zivilcourage und Mut – statt Aktionismus und Betroffenheit“ fordert Leonid Chraga, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Dortmund. Und Alexander Sperling, Geschäftsführer des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe erklärt: „Jude sein ist prima! (Allein der Hass auf Juden ist abscheulich).“ 

Die Interviews und Fotos der Teilnehmenden sind online auf den Internetseiten der Stadt Dortmund und AVIVA-Berlin veröffentlicht. Die Plakate der Teilnehmenden mit ihren individuellen Anti-Antisemitismus-Statements bilden eine Demonstration im virtuellen Raum, die nun im Rahmen einer Ausstellung in der Berswordthalle in den analogen Raum überführt wird. Ausgestellt werden großformatige Fotos der Teilnehmenden mit den Demo-Schildern sowie Textauszüge aus den Interviews. 

Besonders für Schulklassen steht die Ausstellung auch als Lernort zur Verfügung. Die Stadt Dortmund bietet in Kooperation mit ADIRA geführte Ausstellungsbesuche mit begleitenden Workshops an. Rückfragen und Anmeldung unter: vielfalt@stadtdo.de. 

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Reaktionen

  1. Einschränkungen im Stadtbahnverkehr der U43 und U44 möglich – Dorstfeld und Marten im Fokus (PM)

    Wegen einer größeren Versammlung im Bereich der Wittener Straße kann es am morgigen Dienstag, 9. November, ab ca. 14 Uhr zu Einschränkungen bei den Stadtbahn-Linien U43 und U44 kommen. Dies betrifft den Linienverlauf in Dorstfeld und Marten. Möglicherweise können dann die Haltestellen in diesem Bereich zwischen „Do-Marten Süd S“ und „Heinrichstraße“ vorübergehend nicht angefahren werden. DSW21 bittet die Fahrgäste dafür um Verständnis.

  2. Pogromandacht in Dortmund Mengede (PM)

    Dienstag, 09. November 2021, 18:30 Uhr
    Pogromandacht in Dortmund Mengede
    Gemeinsamer Weg ab Amthaus Dortmund Mengede und anschließende Andacht in der Ev. St. Remiguius-Kirche. Im Anschluss wird zum gemeinsamen Austausch mit Getränken und Snacks in das Gemeindehaus der Ev. St.-Remigius-Kirche geladen – Es gilt die 3G-Regel in der Kirche und im Gemeindehaus / bitte Nachweis mitbringen .

    Eine Veranstaltung des Netzwerks gegen Rechts im Stadtbezirk Mengede
    mit musikalischer Gestaltung durch die Familie Dieterle Biosca + Reinhard Kraus

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