Der Verein Frau Lose ruft zu Spenden und Sponsoring auf

Räder für die Retter: Für den Einsatz gegen Lebensmittelverschwendung fehlt ein Fahrzeug

Hannah Fischer mit geretteten Lebensmittel im Geschäft Frau Lose
Hannah Fischer mit geretteten Lebensmittel im Geschäft Frau Lose Anna Tenholt | Nordstadtblogger

Für die Lebensmittelrettung in Dortmund engagieren sich im Verein Frau Lose mehr als zehn Personen. Zu den Öffnungszeiten des Geschäfts können Menschen dort Nahrungsmittel abholen, ohne dafür bezahlen zu müssen. Dieses Angebot wird sowohl von Menschen genutzt, die mit wenig Geld auskommen müssen, als auch aus idealistischen Gründen. Um die Abholung effizienter gestalten zu können, möchte der Verein ein Fahrzeug anschaffen und ruft zu Spenden auf.

Privates Engagement für die Lebensmittelrettung

Der Himmel über der Rheinischen Straße ist launisch heute, im März. Beim Blick aus dem Schaufenster des kleinen Geschäfts kann Hannah Fischer von Frau Lose e.V. heute Regen und Hagel beobachten, Sonne und Wolken im Wechsel. Wenn man von hier schräg nach oben schaut, kann man hinter einem brauen Hotelbau das Dortmunder U sehen.  Eine kleine Frau mit Kopftuch ist heute die Erste, die durch die Tür vom Ladenlokal kommt. Sie hat etwas Schwierigkeiten beim Gehen, aber die zwei Treppenstufen zum Hinterraum schafft sie ohne Hilfe.

Julia Mohr und Jakob Zimmermann mit geretteten Lebensmitteln an der Rheinischen Straße
Julia Mohr und Jakob Zimmermann mit geretteten Lebensmitteln an der Rheinischen Straße Julia Mohr/ Frau Lose

Dort liegen heute wieder Lebensmittel im Regal, die nicht bezahlt werden müssen: gerettete Lebensmittel, die die Ehrenamtlichen des Vereins mehrmals die Woche von verschiedenen Geschäften und dem Großmarkt abholen. Bisher nutzen sie private Fahrzeuge um krumme Möhren, fleckige Bananen oder Brot vom Vortag zu transportieren.

Mit den eigenen Autos werden die Produkte in ganz Dortmund verteilt: „Beispielhaft war es am Wochenende so: Wir hatten noch was übrig, ganz viel Salat und Gemüse. Dann ist extra Paula, die in der Lebensmittelrettung aktiv ist, sonntags hierhergefahren und ist dann alle Fairteiler abgefahren. Und hat es – weil wir sonntags nicht aufhaben – verteilt”, erzählt Hannah.

Bisher hatten sie versucht, auch aus ideellen Gründen, eher Lastenräder zu nutzen. Aber das sei „bei manchen Mengen kaum mehr möglich”. Fairteiler, also Orte an denen Lebensmittel gratis abgeholt werden können, werden auf einer Website der Initiative Foodsharing (Link siehe unten) angezeigt.   

Abnehmer:innen für die Waren gibt es viele – keine Konkurrenz zur Tafel

Heute sortiert Hannah mehrere Kartons mit Hafermilch ins Regal ein, die Milch ist noch lange haltbar, das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) noch nicht überschritten. Bei manchen Produkten kann sie auch nicht erklären, warum sie hier landen. Im Gegensatz zur Tafel können sie allerdings auch die Dinge anbieten, die laut Hersteller schon abgelaufen sind. Daher erhalten sie auch schonmal was von der Tafel.

Eine Kundin mit geretteten Lebensmitteln bei Frau Lose Anna Tenholt | Nordstadtblogger

Julia Mohr aus dem Vorstand betont: „Wir agieren nicht als Konkurrenz. Viele Tafeln können niemanden mehr aufnehmen oder es ist für Menschen eine emotionale Hürde dahin zu gehen. Bei uns braucht es keinen Berechtigungsschein, es ist nicht stigmatisiert und man kommt auch noch mit Menschen ins Gespräch. Wenn andere Einrichtungen geschlossen haben, ist Frau Lose geöffnet von 14 bis 19 Uhr.” 

Die erste Kundin wechselt im vorderen Teil des Ladens noch ein paar Sätze mit Hannah, dann macht sie sich gemächlich auf den Heimweg. Aber die Tür steht hier, in direkter Nachbarschaft zum Gast-Haus, nie lange still: Abnehmer:innen für die Waren aus den Regalen und dem Fairteiler-Kühlschrank gibt es viele: „Sobald der voll ist und dass Menschen mitkriegen, ist er innerhalb von zwei Stunden leer. Wir haben fast schon ein schlechtes Gewissen, wenn nichts im Kühlschrank ist. Weil Menschen dann teilweise so in der Not sind und es so kommunizieren.”

Nicht nur Bio: der Verein holt Lebensmittel von vielen Orten ab

Viele der Unterstützer:innen setzen sich aus idealistischen Gründe gegen die absurde Verschwendung großer Mengen Lebensmittel ein. Aber manche sind eben auch darauf angewiesen. Schön sei, so Hannah, dass hier alle schnell miteinander ins Gespräch kämen: „Man unterhält sich einfach übers Essen”. So auch heute: Kundin Silke plant, heute Bärlauchpesto zu machen, denn das Wildgemüse hat grade Saison und daher stehen im Regal zwei große Kartons mit den grünen Stengeln. Regionales Obst und Gemüse hat einen großen Anteil an den geretteten Lebensmitteln, denn wenn hier in der Region etwas geerntet wird, fallen oft so große Mengen an, dass ein Teil hier abgegeben wird – ob von Betrieben, Höfen oder privat.

Im Moment ist saisonbedingt Bärlauch im Überfluss da Anna Tenholt | Nordstadtblogger

 „Es gibt von Frau Lose einen festen Kern, aber man muss dazu sagen, es stecken einfach super viele andere Köpfe noch dahinter. Also Menschen, die entweder auch punktuell was bringen aus dem Garten, die beim Abernten merken, es ist viel zu viel. Die, als Beispiel, in der Pflaumenzeit kommen oder mit Weintrauben oder dergleichen. Dann haben wir aber auch einfach helfende Hände, die auch regelmäßig dabei sind, für einen längeren Zeitraum.” 

Bei Foodsharing machen die großen Supermarktketten mit, Rewe, Edeka und andere, Frau Lose hat aber noch zusätzliche Kooperationen aufgebaut, zum Beispiel Bauernhöfe: „Da holen wir zum Beispiel freitags Kartoffeln ab, aus Witten”. Auch der Großmarkt ist ein wichtiger Abholort – dort musste der Verein sich erst Vertrauen erarbeiten, da manche skeptisch waren, ob die Produkte nicht einfach weiterverkauft werden würden. „Wir retten nicht nur Bio”, stellt Hannah klar. 

Zwei Säulen von Frau Lose: Lebensmittelrettung und Verkauf

Für die fleckigen Bananen im Regal haben Hannah und Silke schon eine Idee: Bananenbrot, für das sich auch überreife, braune Bananen eignen. “Eine nehm ich mit, für den Weg jetzt”, sagt Silke und verabschiedet sich. Kundin Angelika hat allerdings eine Frage, als sie von Foodsharing hört: sie hat eine Freundin in Essen und fragt noch, ob es so ein Angebot dort auch gibt? Hannah bejaht das, weitere Informationen finde man am besten über die Seite von foodsharing. Dort werden in einer Karte alle Fairteiler, Abholorte für gerettete Lebensmittel, angezeigt (Link am Ende).

Die Lebensmittelrettung ist zweiter Bestandteil von Frau Lose, der Verkauf im Unverpackt-Laden ist die erste Säule des Vereins. Dort hat Hannah auch ohne die Kund:innen des Fairteilers gut zu tun: Backwaren wegräumen, ein Regal auffüllen, Oberflächen abwischen, Tafeln neu beschriften, zwischendurch etwas abkassieren, so wuselt sie durch das Geschäft. Auch hier arbeitet der Verein ohne Gewinnabsicht, mit den Einnahmen werden nur die laufenden Kosten und Gehälter abgedeckt.

René Papier baut Microgreens in Dortmund an, wenn etwas übrig bleibt, bringt er es hier ins Geschäft
René Papier baut Microgreens in Dortmund an, wenn etwas übrig bleibt, bringt er es hier ins Geschäft Anna Tenholt | Nordstadtblogger

Im Vorbeigehen begrüßt Hannah René, der gerade reinkommt. Er kennt sich aus, denn bringt regelmäßig kleine, grüne Pflänzchen für den Fairteiler vorbei, die an Kresse erinnern. Es handelt sich um ‘Microgreens’ aus eigenem Anbau, mit denen er auch Restaurants beliefert, die auf Regionalität und Nachhaltigkeit setzen. Denn er könne die Pflänzchen hier in Dortmund anbauen, dadurch seien die Transportwege kurz. Heute hat er drei Zipbeutel dabei, in einem sind scharfe Radieschen-Sämlinge, die die Anwesenden direkt probieren dürfen. 

Steigende Nachfrage nach geretteten Lebensmitteln: Verein ruft zu Spenden auf

Wegen anfallender Kosten wie der Miete, Stromkosten und Kosten für die Abholung, die oft nicht von den Abgabebetrieben übernommen werden, steht auch eine Spendendose neben dem Fairteiler: Pay what you want. Kund:innen können über die Höhe der freiwilligen Spende selbst entscheiden. “Wir achten sehr darauf, das Ganze sozial gerecht zu gestalten. Gleichzeitig ist es erschreckend, in welch weite Teile der Bevölkerung mittlerweile Armut hineinreicht, wie viele auf Tafel, GastHaus und auch auf uns angewiesen sind. In der letzten Zeit haben wir uns zu einer Vorstufe der Tafel entwickelt.”, muss Julia aus dem Vereinsvorstand feststellen.  

Momentan müssen private PKWs für die Abholung der geretteten Lebensmittel herhalten, das soll sich aber bald ändern
Momentan müssen private PKWs für die Abholung der geretteten Lebensmittel herhalten, das soll sich aber bald ändern Julia Mohr/ Frau Lose

Aus diesem Grund ruft der Verein sie jetzt zum Spenden für ein Auto auf: „Mit einem größeren Auto ist uns möglich deutlich mehr Lebensmittel zu retten und zu verteilen. In der letzten Zeit holen immer mehr Kund*innen Lebensmittel gegen Spende ab. Sie sind auf die Lebensmittelrettung angewiesen. Wir alle haben gemerkt, wie sehr die Preise in den letzten Jahren gestiegen sind und am härtesten trifft es die Ärmsten der Armen.” 

Und die anstehende EM in Dortmund liefert einen weiteren Anlass, die Lebensmittelrettung zu unterstützen: besonders nachhaltig solle das Turnier werden, so Stadt Dortmund, Bundesregierung und UEFA. Mehrweg in den Stadien halte sie auch für ein gute Idee, wirft Hannah ein, aber sie sieht eher Verbesserungsbedarf in den Strukturen. Dann muss sie wieder zurück zur Kundschaft und Fragen zu Pastinaken und Posteilein beantworten. 

Mehr Informationen:

In einer Karte werden alle Fairteiler, also Abholorte für gerettete Lebensmittel, angezeigt: https://foodsharing.de/karte 

Frau Lose e.V. unterstützen: 

Eine Kundin packt sich Microgreens aus Dortmund ein
Eine Kundin packt sich Microgreens aus Dortmund ein Anna Tenholt | Nordstadtblogger

Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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