Polizeipräsident Gregor Lange fordert ehrliche Nordstadt-Analyse: „Weder heile Welt noch ganz große Katastrophe“

Regelmäßig gibt es Schwerpunkteinsätze der Polizei in der Nordstadt. Fotos: Alex Völkel
Regelmäßig gibt es Schwerpunkteinsätze der Polizei in der Nordstadt. Fotos: Alex Völkel

„Weder heile Welt noch ganz große Katastrophe“, so zieht Polizeipräsident Gregor Lange bei der Diskussionsveranstaltung der CDU eine Zwischenbilanz der Bemühungen in der Nordstadt. Er forderte eine offene und ehrliche Diagnose für das aus polizeilicher Sicht „Multiproblemviertel“. Problemimmobilien und unzuverlässige Gastronomen nannte Lange, aber auch einen Kriminalitätsbrennpunkt und „hier und da müssen wir von einem Angstraum reden, wo sich Menschen unwohl fühlen. Die Kriminalität lässt sich nicht wegreden.“

Wohnungseinbruch, Nordstadt sowie Straßen- und Gewaltkriminalität sinken

Doch die „Null Toleranz“-Strategie zeige Wirkung: Mit der Maxime „Sicher leben in der Nordstadt“ käme man schrittweise voran. Doch seiner Behörde seien Grenzen gesetzt:  „Wir schöpfen nicht aus dem Vollen bei der Polizei. Wir brauchen mehr Polizeibeamte. Es gibt zwar mehr Ausbildung. Die Neuen stehen uns aber erst in drei Jahren zur Verfügung“, so Lange.

Gregor Lange stand beim CDU-Beirat zum Thema Nordstadt Rede und Antwort. Foto: Alex Völkel
Gregor Lange stand beim CDU-Beirat zum Thema Nordstadt Rede und Antwort. Foto: Alex Völkel

„Wir als Polizei müssen daher Schwerpunkte setzen mit unserem Personal, wo es nach unserer Meinung am ehesten Wirkung zeigt.“  Wohnungseinbruch, Nordstadt sowie Straßen- und Gewaltkriminalität habe seine Behörde als Schwerpunkte gesetzt: „Wir mussten intern umschichten und wir haben uns da stark gemacht.“

Wichtig sei, Polizeiarbeit messbar zu machen. Da gebe es für ihn nur zwei Parameter: Schafft man es, dass Kriminalität sinkt und das Aufklärung besser wird. „Wir müssen starke Präsenz zeigen und auch mit Ordnungspartnern zusammenarbeiten. Es reicht aber nicht nur zu sagen, dass wir da sind. Wir müssen es mit einer Methode und Konzept machen.“

Daher setzt die Polizei in der Nordstadt sowohl auf verdeckte Einsatztrupps als auch offene Präsenz, die sichtbar ist. „Neben der objektiven Senkung der Kriminalität gehe es auch um das Sicherheitsgefühl. Wie erleben die Bürger ihr Viertel“, betonte der Polizeipräsident.

Acht zentralisierte Ermittlungskommissionen arbeiteten daran, die Strukturen, Bandenstrukturen und Formen aufzudecken. Seit 1. Januar 2017 gibt es eine eigene Ermittlungskommission Nordstadt. Dazu hat die Justiz spezialisierte Staatsanwälte in die Nordstadt geschickt.

Endlich gibt es auch Haftbefehle gegen kleinkriminelle Wiederholungstäter

Zwei Haftbefehle konnten bei dem Schwerpunkteinsatz vollstreckt werden.
Zwei Haftbefehle konnten bei dem letzten Schwerpunkteinsatz vollstreckt werden.

„Die Erfolge sind sichtbar“, so Lange. 65 Schwerpunkteinsätze zusätzlich zum Alltagsgeschäft mit Kontingenten der Bereitschaftspolizei, Ordnungsamt und Zoll habe es gegeben. 1756 Beschuldigte, 1661 Verfahren (davon 1334 geklärt). 939 Verfahren wegen Betäubungsmitteln, 132 wegen Körperverletzung und 101 Verfahren wegen Diebstahl in und aus Autos habe es gegeben.

Das Dilemma der Vorjahre: „Wir reißen uns den Arsch auf und anschließend laufen die Täter hier wieder rum. Aber wir werden besser“, betont der Polizeipräsident. „Endlich haben wir Verfahren gegen Täter, die immer wieder mit Kleinkriminalität auffällig werden. Wir bekommen die Hauptbefehle wegen Wiederholungsgefahr. Es sind schon 61 Haftbefehle – das wirkt sich aus.“

Die Ermittlungskommission „EK Maghreb“ habe die Dortmunder Polizei schon vor der Kölner Silvesternacht eingerichtet. 142 Haftsachen, 206 Festnahmen, 85 Haftbefehle seien ergangen.

Doch nicht nur die „kleinen Fische“, auch die „dicken Brocken“ hätte sie im Visier. Landesweit würden ganz dicke Bretter gebohrt – manchmal mit Kooperationspartnern, manchmal mit Kommissariaten.

Erfolgreiche Schläge gegen Drogenclans und Clanstrukturen in der Nordstadt

Diensthund „Basco“ avancierte im Laufe der Schwerpunktkontrollen zum größten Feind des Drogenhandels in der Nordstadt.
Diensthund „Basco“ avancierte im Laufe der Schwerpunktkontrollen zum größten Feind des Drogenhandels in der Nordstadt.

In Dortmund hätten sie bereits 23 führende Kokaindealer (den sogenannten „Libanesen-Clan“) überführt. Urteile hätten in Summe mehr als 100 Jahre Haft ergeben. Die Täter seien überwiegend Libanesen, Angehörige kurdischer Volksgruppen und Nordafrikaner gewesen.

Zudem habe es 27 Urteile gegen Nordafrikaner gegeben, die in Clanstrukturen in Dortmund aktiv waren. Auch hier gab es über 100 Jahre Haft. Die Arbeit sei so erfolgreich gewesen, dass es vorübergehend zu einem „Machtvakuum“ in den Führungsstrukturen der Drogendealer gegeben habe.

Dies habe unter anderem zu den Auseinandersetzungen und Schießereien in der Stahlwerkstraße geführt, weil sich hier neue Machtkämpfe entfaltet hätten. Doch das Problem werde nicht geringer:  Immer wieder würden „neue Täter herangeführt“. „Wir könnten noch mehr dagegen tun, wir brauchen aber die Ressourcen dafür“, appellierte der Polizeichef an die PolitikerInnen.

Erfolg der Polizeiarbeit in Zahlen ablesbar – starke Rückgänge, aber auf hohem Niveau

Zahlreiche Drogen wurden vom Polizei-Spürhund erschnüffelt.
Zahlreiche Drogen wurden vom Polizei-Spürhund erschnüffelt.

Lange verwies auf einen deutlichen Rückgang der Straftaten im Wachbereich Nord: Über 60 Prozent Aufklärungsquote und den niedrigsten Stand an Straftaten seit fünf Jahren führte er ins Feld. „Dafür haben wir hart mit vielen Aktueren gearbeitet. Es war ein sehr konzentriertes Zusammenwirken. Die Straßenkriminalität sei im Jahresvergleich um 30 Prozent gesunken, räuberische Erpressung um 25 Prozent und Wohnungseinbruchsdiebstahl sogar um 34,5 Prozent.

Zugenommen hätten hingegen Widerstandshandlungen gegen Polizeivollzugsbeamte (+ vier Prozent) und Rauschgiftdelikte um 18,8 Prozent. Doch letztes seien Kontrolldelikte: Die Zahlen seien gestiegen, weil die Polizei gegen Dealer vorgehe. „Wer nicht vor Ort ist wird nicht angegriffen und wer nicht sucht hat keine Delikte“, machte Lange deutlich.

Es gebe in den letzten drei Jahren jährlich sinkende Kriminalitätszahlen und eine steigende Aufklärungsquote in drei Jahren hintereinander. „Unser Erfolgsrezept ist die intensive Zusammenarbeit Zusammenarbeit.“

Polizei will den Kontrolldruck aufrecht halten und wenn möglich noch verstärken

Macht sich viele Gedanken zur Zukunft der Nordstadt: Polizeipräsident Gregor Lange.
Macht sich viele Gedanken zur Zukunft der Nordstadt: Polizeipräsident Gregor Lange.

Vordringlich sei, den Kontrolldruck auf Rauschgiftszene hoch zu halten und wenn möglich zu verstärken. Dafür müssten aber die Ressourcen erhöht werden. „Die Erfolge sind mit vielen Überstunden erkauft“, machte der Polizeipräsident vor den CDU-Mitgliedern deutlich.

Er plädierte dafür, die Befugnisse der Polizei anzupassen. Dies gelte bei der Telekommunikationsüberwachung und Messangerdiensten wie auch bei der Videobeobachtung. Zudem forderte er die Ausstattung der Polizei mit Bodycams, Helmen und Schutzwesten.

„Wir brauchen hier in Dortmund nicht weniger, sondern eher mehr Personal. Bodycams wären hilfreich, um Widerstandshandlungen gegen Polizisten aufklären zu können.“

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Reaktionen

  1. Sabine Poschmann (SPD-MdB)

    Sabine Poschmann lobt Dortmunder Polizei

    Sehr erfreut reagiert Sabine Poschmann auf die neuen Informationen der Dortmunder Polizei, aus denen hervorgeht, dass die Zahl der Straftaten in Dortmund weiter sinkt. 50.951 Straftaten zählte die Polizei zwischen Januar und September 2017, im gleichen Zeitraum 2016 wurden 58.298 Straftaten registriert. Das bedeutet ein Minus um 12,6 Prozent.

    Sabine Poschmann führt den Rückgang auf die engagierte und vernetzte Arbeit der Dortmunder Polizei zurück. Sie hebt hervor, dass die Polizei in Dortmund gut mit der Zivilgesellschaft vernetzt ist, sich dem Dialog und der Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern stellt und intensiv mit anderen Akteuren der Stadt wie Justiz, Zoll und Stadtverwaltung, zusammenarbeitet. „Die Dortmunder Polizei ist ein gutes Beispiel für eine in der Stadt verwurzelte ‚Bürgerpolizei‘“, so Poschmann.

    Besonders freuen Poschmann die Erfolge in der Nordstadt. Gerade dort konnten die Straftaten massiv reduziert werden: – 10 % bei der Gewaltkriminalität, – 30 % bei der Straßenkriminalität, – 30 % bei den Taschendiebstählen und – 34 % bei den Wohnungseinbrüchen.

    Die Zahlen der Dortmunder Polizei zeigen ein realistisches Bild der Nordstadt. Sie zeigen auch, dass es trotz aller Erfolge immer noch viel zu tun gibt. Sie strafen aber all diejenigen Lügen, die mit dem Märchen von der „No-go-Area“ Nordstadt ihr politisches Süppchen kochen wollen. „Die Nordstadt ist lebenswert. Es ist unredlich auf Kosten der dort lebenden Menschen Politik zu machen. Dortmund ist handlungsfähig und dazu trägt auch die Polizei bei“, erklärt Poschmann.

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