Neustart für die Männer-Notschlafstelle in Dortmund – Das Ziel: Ein schneller Durchlauf statt langer Verweildauer

Das Außengelände muss noch fertig gestaltet werden. Doch die Bewohner können ab Donnerstag kommen.
Das Außengelände muss noch fertig gestaltet werden. Doch die Bewohner können ab Donnerstag kommen.

Von Alexander Völkel

Neustart an neuer-alter Stelle in der westlichen Innenstadt: Die städtische Notschlafstelle für Männer nimmt am Donnerstag (17. Januar 2019) ihren Betrieb an der Unionstraße auf. Bereits am Dienstag konnten sich Interessierte einen Eindruck der neuen Unterkunft verschaffen – für 1,5 Stunden gab es dort einen gut besuchten „Tag der offenen Tür“.

Neubau der Notschlafstelle am alten Standort – Betrieb lief dort seit 1986

Leiter Mahmut Albayrak und sein Team sind froh, dass der Neubau endlich an der Unionstraße in Betrieb gehen kann.
Leiter Mahmut Albayrak und sein Team sind froh, dass der Neubau an der Unionstraße in Betrieb gehen kann.

Seit 1986 gibt es die Einrichtung zwischen den Bahnbrücken unweit des U-Turmes.  Dennoch wird die seit 2006 von „European Homecare“ (EHC) im Auftrag des Dortmunder Sozialamtes bewirtschaftete Einrichtung stark frequentiert.

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Wer es nicht muss, der übernachtet hier nicht. Es ist die letzte Anlaufstelle für die, die keinen Platz zum Schlafen mehr haben oder  – gerade im Winter – nicht mehr draußen schlafen wollen. 

Hier sah es bis 2017 nicht gerade aus wie bei „Schöner wohnen“: Die Möbel waren alt, die Matratzen durchgelegen, die Wände abgenutzt und dreckig, die Luft stickig. Es roch muffig und nach kaltem Zigarettenrauch. Deshalb musste eine Generalüberholung her. Im Juli 2017 beschloss der Rat daher sogar einen Neubau an derselben Stelle. 

Im September 2017 wurde die Einrichtung in ein Ausweichquartier in der Adlerstraße verlegt. Im „Adlerhaus“ – der ehemaligen Abendrealschule – waren vorübergehend Flüchtlinge untergebracht. Nach der Schließung wurde es vorübergehend zur Notschlafstelle für obdachlose Männer. 

Die Bezirksvertretung Innenstadt-West hatte sich sowohl für den Neubau der Einrichtung als auch den nahtlosen Zwischenbetrieb stark gemacht, unterstrich Bezirksbürgermeister Ralf Stoltze bei der Eröffnung der Einrichtung.

Aufatmen in der Adlerstraße – durch die Obdachlosenunterkunft kam es zu Problemen

Gut besucht hat am Dienstag der Tag der offenen Tür an der Unionstraße. Fotos: Alex Völkel
Gut besucht hat am Dienstag der Tag der offenen Tür im Haus an der Unionstraße stattgefunden. Fotos: Alex Völkel

Während es in den mehr als zwei Jahren der Nutzung des Adlerhauses durch geflüchtete Menschen zu keinen nennenswerten Beschwerden aus der Nachbarschaft kam, mehrten sich die Klagen in den rund 15 Monaten, als das Gebäude als vorübergehende Anlaufstelle für Menschen ohne festen Wohnsitz genutzt wurde.

Es gab massive Beschwerden über Lärmbelästigungen wie lautstarken nächtlichen Streit auf der Straße und andere negative Veränderungen im Stadtbild.

Nach der Verlagerung der Einrichtung zurück in die Unionstraße – hier gibt es keine unmittelbaren AnwohnerInnen – dürfte sich die Lage dort deutlich entspannen. Damit wäre nun auch (mal wieder) der Weg für eine Übernahme des Gebäudes durch den Spar- und Bauverein frei. 

Sie wollten das Gebäude kaufen und zu Wohnungen umbauen. Mehrfach musste dies jedoch in den vergangenen Jahren vertagt werden, weil die Stadt das Gebäude für neue Zwischennutzungen benötigte –  erst für Flüchtlinge, dann für Obdachlose

Kostenersparnis durch die Neunutzung von nicht mehr benötigten Modulbauten

Neue Nutzungen fand die Stadt übrigens auch in der Unionstraße: Nach dem Abriss des alten Gebäudes wurde hier ein Modulbau – nicht zu verwechseln mit einem Containerbauwerk – errichtet, was man von außen dem Gebäude allerdings nicht ansieht. Die Stadt hat hier einen Teil der nicht mehr benötigten Module der ehemaligen Flüchtlingsunterkunft an der Breisenbachstraße verwendet. 

Statt „nur“ um den Abriss, kümmerte sich die EDG-Tochter „DOLOG“ auch um den Neuaufbau.
Statt „nur“ um den Abriss kümmerte sich die EDG-Tochter „DOLOG“ auch um den Aufbau des neuen Gebäudes.

Ein Teil der Module wurde in der Breisenbachstraße für einen Neubau einer Kita verwendet. Ein zweiter Teil wird an der ehemaligen Frenzelschule neu genutzt, wo künftig das Ausweichquartier für das Sozialamt entstehen wird, erklärt Thomas Ellerkamp, Chef der städtischen Liegenschaftsverwaltung.

Der dritte Teil der Module wurde nun eine Obdachlosenunterkunft in der Unionstraße. Der vierte Teil aus der Breisenbachstraße war angemietet – ihn hatte die Stadt bereits zurückgegeben.

Beim Abriss und Neubau ging die Stadt einen neuen Weg: Statt „nur“ den Abriss, ließ die Stadt auch die Neuaufstellung und Herrichtung des Gebäudes durch die EDG-Tochter „DOLOG“ realisieren. Im Juni 2018 begann der Neuaufbau – er wurde im Januar 2019 abgeschlossen. Knapp 1,7 Millionen Euro kostete der Neubau. Insgesamt ließ sich die Stadt das Vorhaben – inklusive aller Nebenkosten wie dem Erwerb von zusätzlichen Grundstücksflächen – rund 2,2 Millionen Euro kosten. 

Der Neubau bietet nun für 70 statt nur für 55 Männer Platz zum Schlafen

Statt Sechs- und Acht-Bett-Zimmer gibt es nun Zwei- und Vier-Bett-Zimmer an der Unionstraße.
Statt Sechs- und Acht-Bett-Zimmer gibt es nun Zwei- und Vier-Bett-Zimmer an der Unionstraße.

„Mit der Wiedereröffnung verbinden wir auch ein neues Unterbringungskonzept mit einem Plus von 15 Plätzen im Vergleich zum damaligen Angebot. Hier haben wir die Möglichkeit, 70 Männern in Zwei- bis Vierbettzimmern, in besonderen Fällen auch in Einzelzimmern, ein Dach über den Köpfen zu geben“, erläuterte Sozialdezernentin Birgit Zoerner beim Tag der offenen Tür. 

Bis 2017 gab es überwiegend Vier- bis Achtbett-Zimmer an der Unionstraße. Auf den einzelnen Etagen sind Kochmöglichkeiten sowie Sanitär- und Duschbereiche vorhanden. Auch für Angebote des Sozialamtes, den Betreiber sowie Arztsprechstunden gibt es nun (mehr) Raum. Außerhalb des Gebäudes gibt es einen Container für den Wachdienst, der auch den Zugang zum Gelände kontrolliert, sowie das Verwaltungsgebäude für EHC um dessen Teamleiter Mahmut Albayrak.

Keinen Raum gibt es hingegen  – anders als ursprünglich angekündigt – für Hunde. Hundehalter, die auf der Straße leben, müssten daher jeden Abend ihre Hunde ins Tierheim in der Hallerey in Dorstfeld bringen. Zwar wäre das kostenlos möglich, aber nicht wirklich praktisch und praktikabel. 

Einen Zwinger auf dem Außengelände an der Unionstraße wird es nun aber nicht geben. Auf diesen „Service“ verzichtet die Stadt ganz bewusst. Derzeit bietet das „Gast-Haus“ auch Menschen mit Hunden an, bei ihnen nachts an der Rheinischen Straße unterzukommen.

Neues Unterbringungskonzept soll die Verweildauer deutlich reduzieren

Auf drei Stockwerken stehen künftig 70 statt früher nur 55 Plätze zur Verfügung.
Auf drei Stockwerken stehen künftig 70 statt früher nur 55 Plätze für obdachlose Männer zur Verfügung.

Denn sie will die Verweildauer dort deutlich reduzieren: „Mit dem Neubeginn am alten Ort nutzen wir die Chance, die Betreuung von obdachlosen Menschen intensivieren zu können. Hier haben wir mehr Platz für die Sozialarbeit und für ärztliche Sprechstunden. Unser Ziel ist es, in jedem Einzelfall die Ursachen für die Obdachlosigkeit herauszufinden, um dann gemeinsam mit den Betroffenen möglichst Wege zu finden, ihre Wohn- und Lebenssituationen zu verbessern“, ergänzte Zoerner.

Die Einrichtung ist daher nun auch als eine Clearingstelle gedacht, um die Bedarfe und Hindernisse zu klären: Im Optimalfall wäre so ein Übergang von der Straße in eine andere Wohnform binnen weniger Tage (theoretisch sogar binnen eines einzigen Tages) möglich – zum Beispiel in betreutes Wohnen, eine Wohngemeinschaft oder sogar eine eigene Wohnung aus dem städtischen Wohnraumvorhalteprogramm – aktuell hat die Stadt Zugriff auf 712 Wohnungen – 535 davon sind aktuell belegt.

Allerdings gibt es für einen zeitnahen Übergang zahlreiche Vorbedingungen: So müssten sich die zukünftigen BewohnerInnen an Vereinbarungen wie die Hausordnung halten können und auch bei anderen Eingliederungsmaßnahmen – wie die Beantragung von Hartz IV – mitwirken, verdeutlichte Sozialamtsleiter Jörg Süshardt. 

Nicht Jede/r hat Anspruch auf eine Unterbringung in der Notschlafstelle

In der neu konzipierten Einrichtung gibt es auch einen Raum für ärztliche Sprechstunden (Foto) sowie Angebote des Sozialamtes.
In der Einrichtung gibt es auch einen Raum für ärztliche Sprechstunden (Foto) sowie Angebote des Sozialamtes.

Hemmnisse stellen auch mögliche Alkohol- und Drogensucht sowie psychische Erkrankungen dar, wo es aber andere Möglichkeiten gibt als den direkten Einzug in eine von der Stadt zur Verfügung gestellte Wohnung. 

Allerdings gelten alle diese Angebote nur für Menschen, die zumindest mal in Dortmund gemeldet waren und einen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Menschen, die beispielsweise zuletzt in einer anderen deutschen Stadt gemeldet waren und dort Ansprüche auf Hilfen hätten, sollen dorthin zurückgeführt werden. Denn die Kosten der Unterkunft muss die jeweilige Kommune tragen.

Gleiches gilt beispielsweise für nicht-anspruchsberechtigte Menschen aus Südosteuropa. Wenn diese anklopfen, weil sie es auf der Straße nicht mehr aushalten, würden sie für diese Nacht auch aufgenommen. Doch wenn sie die Bezahlung der Übernachtung nicht realisieren können (oder das Amt die Kosten nicht übernimmt), bekommen sie das Angebot einer (kostenlosen) Heimreise: Sie bekommen dann am Folgetag beispielsweise ein Lunchpaket und ein Busticket nach Rumänien oder Bulgarien.

Klare Ansage: „Es gibt kein bedingungsfreies Übernachtungsangebot“

Die Notschlafstelle ist rund um die Uhr besetzt. Den Zugang regelt ein Wachdienst.
Die Notschlafstelle für Männer ist rund um die Uhr besetzt. Den Zugang regelt ein Wachdienst.

Dieser im wahren Sinne des Wortes „exklusive“ Zugang ist durch die Stadt Dortmund ausdrücklich gewollt: „Es gibt kein bedingungsfreies Übernachtungsangebot“, machten die städtischen VertreterInnen nachdrücklich deutlich. Denn auch die Kosten für die Notschlafstelle müssen aufgebracht werden. 393,56 Euro kostet ein solcher Platz pro Monat – 13,10 Euro pro Nacht. 

Werden die Übernachtungskosten nicht durch das Sozialamt oder das Jobcenter übernommen, müssen die Nutzer selbst für die Unterkunft bezahlen. Fällig wird dann der halbe Satz: 6,55 Euro pro Nacht. Zur Einordnung: Von den zuletzt 64 Bewohnern im Adlerhaus waren aktuell zwei Selbstzahler.

Während früher eine Verweildauer von ein bis zwei Jahren nicht unüblich war, setzt die Stadt nun auf schnelleren Durchlauf. „So wohnlich die neue Einrichtung auch ist, die ist nicht zum Wohnen gedacht“, verdeutlicht Sozialamtsleiter Jörg Süshardt. Die Einrichtung soll eine „Notschlafstelle“ und Durchgangsstation sein bzw. werden. „Die Verweildauer soll künftig 14 Tage nicht überschreiten.“

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Reaktionen

  1. Gast-Haus Dortmund e.V.

    Winternothilfe im Gast-Haus e.V. angelaufen

    Seit einigen Wochen läuft die Winternothilfe der Ökumenischen Wohnungslosen- Initiative e.V. Gast-Haus an der Rheinischen Straße 22 in Dortmund. Ziel der „Winternothilfe“ ist neben dem Erfrierungsschutz auch eine Integration obdachloser Menschen in das Hilfesystem zu erreichen.

    In anderen Städten, in denen es eine solche „Winternothilfe“ gibt zeigt, dass am Ende eines jeden Winternotprogramms es bisher gelungen ist, obdachlose Menschen in Wohnunterkünfte, Wohnungen oder andere Einrichtungen des Hilfesystems zu integrieren, so dass ein Teil der obdachlosen Menschen nicht zu einem Leben „auf der Straße“ zurückkehrt. Dieses Ziel verfolgt auch das Gast-Haus in Dortmund. Im Gast-Haus steht obdachlosen Menschen ein umfassendes und bedarfsgerechtes niedrigschwelliges Hilfesystem zur Verfügung.

    In den Räumlichkeiten an der Rheinischen Straße 22 können bis zu 30 Menschen einen Platz finden. Einmalig in der Stadt Dortmund ist, dass das Gast-Haus auch Tiere aufnimmt. Die Initiative bietet bei Minusgraden diese Nothilfe für ihre Gäste an. In den letzten Nächten haben immer bis zu 18 Menschen diese Hilfe in Anspruch genommen. Die Zahl steigt von Nacht zu Nacht und immer mehr Menschen finden den Weg ins Gast-Haus.

    Die Winternothilfe wird von einem Team von Ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt. Sie arbeiten in zwei Schichten und betreuen die Gäste mit Heißgetränken, Gesprächen und Lebensmitteln.
    Dieses Projekt wird allein durch Spendengelder finanziert und durchgeführt. Die Initiative benötigt noch dringend Geldspenden, damit dieses Projekt auch den ganzen Winter durchgeführt werden kann.

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